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FED - Die Bank Amerikas

Der wahnwitzige Kampf um die Gründung der Federal Reserve

AutorRoger Lowenstein
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl400 Seiten
ISBN9783862488964
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Amerikas Geschichte als Weltfinanzmacht begann einen Tag vor Weihnachten. Am 23. Dezember 1913 unterzeichnete Präsident Woodrow Wilson den Federal Reserve Act. Es ist die Geburtsstunde der Federal Reserve, der amerikanischen Zentralbank, der Fed. Was 1910 mit acht Männern als getarnte Entenjagd im Ferienhaus des Senators Nelson W. Aldrich auf der entlegenen Jekyll Island begann, ist heute eine der mächtigsten Institutionen der Welt. Die Gründung der ersten amerikanischen Zentralbank ist bis heute eine packende Geschichte voller Intrigen, politischem Machtkalkül und Verschwörungstheorien. Gut 100 Jahre danach hat die Fed das Finanzsystem so massiv zugunsten ihrer Eigentümer verändert wie keine andere Zentralbank: In den letzten 30 Jahren sind mehr als 10 000 US-Banken verschwunden und fast 70 Prozent aller bilanziellen Vermögenswerte liegen in den Händen von jenen zwölf Großbanken, die »zufällig« auch die größten Anteilseigner der Fed sind. Bis heute sind die Gründer und frühen Fed-Chefs wie Paul Volcker, Carter Glass oder Paul M. Warburg Legenden. Roger Lowenstein erzählt erstmals die packenden Hintergründe um die Gründung der Federal Reserve.

Roger Lowenstein ist US-amerikanischer Journalist und mehrfacher Bestsellerautor. Drei seiner Bücher erreichten die New York Times Bestsellerliste. Er hat für mehr als 10 Jahre für das Wall Street Journal geschrieben und veröffentlichte Kolumnen im New York Times Magazine, Fortune der New York Times und dem Atlantic Monthly. Er lebt in Westfield, New Jersey.

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Leseprobe

Einführung


Der Einfluss der amerikanischen Notenbank Federal Reserve – umgangssprachlich kurz »Fed« genannt – ist heute so groß und allumfassend, dass Amerikaner sich eine Welt ohne sie kaum noch vorstellen können. Zunächst emittiert die Fed als Amerikas Zentralbank die Banknoten, die wir als »Geld« bezeichnen. Sie setzt die Höhe der kurzfristigen Zinsen fest, die den Hypothekenmarkt, den Markt für Autokredite, Unternehmensschulden und sogar die Notierung des Aktienmarktes beeinflusst. Sie steuert, gelegentlich unbewusst und gelegentlich ganz bewusst, das Kreditangebot, dessen Überfluss oder Verknappung die Wirtschaft alternativ boomen oder abkühlen lässt. Sie überwacht, oder soll es zumindest, die amerikanischen Geschäftsbanken. Und wie den Amerikanern während des Beinahezusammenbruchs des weltweiten Finanzsystems lebhaft in Erinnerung gerufen wurde, fungiert die Federal Reserve als Kreditgeber der letzten Instanz, indem sie den Banken Kredit gewährt, wenn sich die Interbankenkredite verklemmen.

Vor kaum einem Jahrhundert existierte die Fed noch gar nicht. Alle anderen Industrienationen verfügten bereits über eine Zentralbank, die das Bankensystem des Landes überwachte und für Stabilität sorgte. Nur das amerikanische Finanzsystem, wenn man es damals überhaupt so nennen konnte, war antiquiert, unorganisiert und mit großen Schwächen behaftet. Die USA waren die größte Volkswirtschaft der Welt, durch ihre ausgedehnten Territorien zogen sich Eisenbahnschienen und Telefonleitungen, ihre Städte waren angefüllt mit Fabriken, die gewaltige Mengen an Eisen und Stahl ausspuckten. Ihre Banken jedoch waren versprengt, isoliert, unkoordiniert und sich selbst überlassen; ihr Erfolg oder Scheitern hing allein von den individuellen Reserven des jeweiligen Bankinstituts ab. Wie Paul Warburg, einer der Helden dieser Geschichte, mit der für ihn so typischen Schärfe anmerkte, glichen die amerikanischen Banken weniger einer einheitlichen schlagkräftigen Armee, die von zentralen Machthabern geführt wurde, denn einer chaotischen Legion versprengter Infanteristen. Daher war es keine Überraschung, dass die USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu Beginn der 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts als einzige Industriemacht immer wieder Opfer von Finanzpaniken, Bankenanstürmen, Geldverknappung und schweren Depressionen wurde.

Dieses Buch erzählt die Geschichte der Entstehung der Federal ­Reserve, die in den Tagen vor dem Weihnachtsfest 1913 ihren Höhepunkt fand. Es war eine schwere und mühselige Geburt. Den amerikanischen Bürgern des angehenden 20. Jahrhunderts – vor allem den Farmern – erschien die Aussicht auf eine Zentralbank als Bedrohung des bequemen Jefferson’schen Prinzips des schlanken Staats. Auf ein Volk, für das Lokalautonomie ein Heiligtum war, wirkte die Vorstellung einer mächtigen Bank an der Seite einer noch mächtigeren föderalen Regierung zutiefst verstörend. Der Widerstand gegen eine zentrale Autorität hatte die MinutemenII von Lexington und Concord beseelt; der Kampf um die Gründung der Fed ähnelte einer zweiten amerikanischen Revolution – einer Finanzrevolution.

Die Vereinigten Staaten hatten schon früh in ihrer Geschichte mit dem Zentralbankwesen experimentiert. Nach dem Unabhängigkeitskrieg – zwar ein militärischer Erfolg, aber ein finanzielles Desaster – war die Regierung hoch verschuldet. Nach der Ratifizierung der Verfassung der USA, die ein größeres Maß an politischer Einheit ermöglichte, schlug Alexander Hamilton für das Finanzwesen eine vergleichbare Institution vor, und zwar eine Bank der Vereinigten Staaten, die nach dem Vorbild der britischen Zentralbank modelliert werden sollte.1 Thomas Jefferson und viele seiner Anhänger waren jedoch strikt dagegen. Nichtsdestotrotz ließen sich US-Präsident George Washington sowie die Mehrheit des Kongresses dazu überreden. Und im Jahr 1791 nahm die Bank mit Sitz in Philadelphia ihren Geschäftsbetrieb auf.

Aus moderner Perspektive war diese Bank ein merkwürdiges Konstrukt.2 Zu 20 Prozent gehörte sie der Regierung und zu 80 Prozent privaten Investoren. Sie war autorisiert, die Geldeinlagen der Regierung zu verwalten, hatte aber keine spezielle Befugnis, als Währungshüter zu fungieren oder andere Funktionen einer Zentralbank zu erfüllen. Dennoch begann die Bank, in der Praxis genau diese Rolle zu übernehmen. Insbesondere stützte sie die bis dahin als minderwertig geltenden Kredite der US-Bundesregierung. Die 20 Jahre, die ihre erste Konzession dauerte, waren allgemein erfolgreich, was dazu führte, dass die Zahl der privaten Banken, die staatliche Bankkonzessionen erhielten, von fünf auf mehr als 100 Institute anstieg.

Das Schicksal der Bank stand aufgrund des Vormarschs der Antiföderalisten im Weißen Haus – verkörpert durch die Person von James Madison – und im Kongress jedoch unter einem schlechten Stern.3 Die Verlängerung der Konzession scheiterte an jeweils einer Stimme in beiden Kammern. Und so kehrte Amerika 1811 zu einem Zustand der Währungsunschuld beziehungsweise des Laisser-faire zurück. Das Geldwesen war wieder die alleinige Verantwortung individueller Banken in jedem Bundesstaat, von denen jede gemäß ihrer jeweiligen Macht Banknoten ausgab. Es folgte eine Inflation, und als sich die Regierung im Rahmen des Krieges von 1812, des zweiten Unabhängigkeitskrieges, bis über beide Ohren verschuldete, stellten die Banken ihre Betrieb ein und veranlassten Madison zu einer Kehrtwende. Im Jahr 1816 erteilte der Kongress – nun mit Madisons Zustimmung – eine Konzession für die Second Bank of the United States.

Die Second Bank war zwar mit mehr Kapital ausgestattet, ansonsten aber eher eine treue Kopie der First Bank. Es gelang ihr, die großzügige Geldemission der State Banks zu bremsen und auf diese Weise die Inflation zu stoppen. Und es gelang ihr auch, die Konjunkturausschläge zu dämpfen. Außerdem wurden die Banknoten der Second Bank praktisch überall als Währung akzeptiert, was in einer Nation, die sich über einen uneinheitlichen und nicht vollständig erschlossenen Kontinent ausbreitete, kein geringer Erfolg war. Allerdings war der Second Bank am Ende das gleiche Schicksal beschieden wie der First Bank. Zwar bewilligte der Kongress eine Verlängerung der Konzession, aber die Mehrheit der Befürworter war zu knapp, um das entschiedene Veto Andrew Jacksons zu überstimmen. Im Jahr 1836 ließ Amerika seine Nationalbank zum zweiten Mal sterben. Daraufhin erlebte das Land eine erneute Inflation, auf die dieses Mal eine schwere Depression folgte. Im Jahr 1841 erteilte der Kongress eine Konzession für eine dritte Bank. Doch US-Präsident John Tyler, ein Südstaatler, der in erster Linie die Rechte der Bundesstaaten im Auge hatte, legte ein Veto ein. Und so ruhte das Thema Nationalbank für rund sieben Jahrzehnte.

Wenn man die gesamte Erfolgsbilanz der beiden Banken (unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Schnitzer) betrachtet, stellt sich die Frage: Warum solche Eile, sie abzuschaffen? Trotz ihres Erfolgs beäugten viele Amerikaner beide Banken mit tiefem Misstrauen. Alexis de Tocqueville, der französische politische Vordenker, der Amerika zur Zeit der Präsidentschaft von Andrew Jackson bereiste, wurde während seiner Reisen durch eine Gesellschaft, die sich nach wie vor an den Grenzen der Zivilisation bewegte, auf einige sich scheinbar widersprechende Fakten aufmerksam. Die Banknoten der Second Bank wurden »am Rande der Wildnis« genauso wertgeschätzt wie in Philadelphia – ein Beweis für das allgemeine Vertrauen der Menschen in die Bank. Dennoch war sie zum »Gegenstand intensiven Hasses« geworden.4 De Tocquevilles Diagnose lautete, die Amerikaner seien »offensichtlich von einer großen Angst beseelt«, die er als Angst vor einer tyrannischen Regierung identifizierte oder, wie er es ausdrückte, als Angst vor »Zentralisierung«.5 Das befremdete De Tocqueville zutiefst. Für ihn wie für die meisten Franzosen war die französische Zentralbank eine natürliche Entwicklung, die sich aus der Nationalregierung ergab und nicht weniger französisch war als das Schloss von Versailles. In Amerika wirkte eine Zentralbank dagegen als etwas Widernatürliches; sie brachte amerikanische Urängste zum Wiedererwachen – die Angst der einstigen Kolonie, ihre hart erkämpften Freiheiten würden ihr von einem fernen Machthaber erneut genommen.

Selbst nach der Unabhängigkeit sorgte das Besiedelungsmuster – die kontinuierliche Ausdehnung der Zivilisationsgrenzen in Richtung Westen – dafür, dass fernab von den einflussreichen Großstädten eine Klasse der ewigen Außenseiter entstand, welche die etablierten Machtstrukturen im Osten und vor allem im Nordosten Amerikas infrage stellte und sich dagegen auflehnte. Denn der Widerstand gegen das Zentralbankwesen war von Anfang an in erster Linie eine Frage der Geografie.6 Bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus über die Gründung der First Bank stimmten nur drei Kongressabgeordnete aus den Südstaaten für die Bank und nur ein Kongressabgeordneter aus dem Norden stimmte dagegen. Es war kein Zufall, dass ausgerechnet Andrew Jackson, ein raubeiniger Soldat, der gegen die Indianer gekämpft hatte und der erste Präsident der Vereinigten Staaten war, der nicht von der Ostküste stammte, zum Totengräber der Second Bank wurde.

Viele Amerikaner aus der damaligen Zeit waren nicht nur gegenüber einer Zentralbank misstrauisch, sie misstrauten allen Großbanken; ein Vorurteil, das vor allem in ländlichen Gegenden sehr verbreitet war. Für Kaufleute und Stadtbewohner waren Banken ein Segen, aber Farmer und Schuldner...

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