Fette Vorfreude
Im Winter und in der Vorweihnachtszeit liebe ich es, das Haus zu dekorieren, Glühwein zu trinken und »fette« Winterpartys mit fabelhaftem Essen zu organisieren. Im letzten Winter schrieb ich stattdessen an diesem »fetten« Buch. Im Sommer hätte ich es nicht fertiggebracht, all die vielen Stunden am Schreibtisch zu sitzen. Als »Sonnenbaby« nutze ich den Sommer, um so viel Sonnenlicht wie möglich zu tanken. Mit Licht bringe ich mein Gehirn auf Vordermann, um es mit interessanten Informationen füllen zu können. Klingt das eigenartig? Ist es nicht, denn in der Tat braucht das Gehirn viel Licht – und natürlich Fett, um clever kombinieren zu können.
Das klappt nun schon eine ganze Weile sehr gut – immerhin fiel in die Schreibphase des besagten Winters auch mein 50. Geburtstag. Mich jetzt, mit fünfzig, jünger und besser zu fühlen als mit dreißig – das ist mein ehrgeiziges Ziel. Klingt unwahrscheinlich? Ist es nicht, man muss es nur richtig anpacken.
Ziel: ein optimierter Fett- und Hirnstoffwechsel
Zugegeben: Einfach ist es nicht – auch nicht mit aller Ernährungsexpertise dieser Welt. Denn Wissen alleine genügt nicht, man muss auch herausfinden und ausprobieren, wie sich das Wissen praktisch anwenden und umsetzen lässt. Aus diesem Grund habe ich mich zum Versuchskaninchen gemacht. Nach einigen anfänglichen Fehlern – frei nach dem Motto »try, try and try again« – habe ich nun aber verstanden, wie man auf angenehme Art und Weise altern kann, ohne Körper und Geist zu ruinieren. Altern müssen wir, das ist ein Naturgesetz. Die Frage ist nur, wie – und wie schnell.
Arztbesuche sind da nicht immer hilfreich, sondern oftmals Tiefpunkte. Doch auch sie können uns voranbringen, insbesondere, wenn man seine eigenen Schlüsse daraus zieht. So erging es mir vor vielen Jahren mit meiner damaligen Hausärztin. Ich erinnere mich noch gut daran, wie unendlich erzürnt ich darüber war, dass ich plötzlich zunahm, obwohl ich nichts an meiner Lebensweise verändert hatte. Auch fehlte es mir häufiger an Energie und ich schlief schlechter. Offensichtlich befand ich mich in den Wechseljahren und ich wollte unbedingt wissen, wie medizinische Experten diese zwar natürliche, aber manchmal doch lästige Hormonveränderung angehen. Der Rat meiner damaligen Ärztin war Gold wert, denn ich leitete daraus ab, was ich sicher nicht tun würde: Sie empfahl mir für den Rest meiner Tage eine fettarme, vegetarische Vollwertkost. Außerdem sollte ich, falls ich nachts nicht schlafen könne, ein gutes Buch lesen, das würde meinen Geist entspannen. Zur Beruhigung meiner offensichtlich wild gewordenen Hormone erhielt ich ein paar Globuli. Meine Skepsis war schnell geweckt, denn diese Ratschläge kamen von einer Frau mit Haarausfall, reichlich Altersflecken im Gesicht und einem Bauchumfang, der mir sehr bedenklich vorkam. So würde ich meinen Fett- und Hormonstoffwechsel nicht optimieren können.
Ist Hormonersatz die Lösung?
Meine Gynäkologin klärte mich schließlich über bioidentische Hormone auf und über Xenoöstrogene, das sind hormonwirksame Stoffe aus der Umwelt, die die Aktivität unserer Gene beeinflussen können. Ihre Darlegung dieser als »Epigenetik« bezeichneten Prozesse hörte sich einleuchtend an; ich war voller Zuversicht. Doch schnell wurde mir klar, dass sich allein mit einer Hormonsubstitution in Form von Tabletten kein Stoffwechsel regulieren lässt. Zudem war es auch der Gynäkologin ein Mysterium, warum die weiblichen Hormone so dereguliert sein können. Sie selbst litt unter Stoffwechselproblemen im Gehirn, die sie mit konstanter Kohlenhydratzufuhr auszugleichen versuchte. Damals beschloss ich, dass es an der Zeit war, mich selbst intensiv mit dem Hormonhaushalt und dem, was ihn beeinflusst, auseinanderzusetzen.
Oder Gelassenheit, Vitaminpillen und Hülsenfrüchte?
Von einem Experten in funktioneller Medizin, den ich als Nächstes konsultierte, erhielt ich folgenden Ratschlag: »Frau Leitz, nehmen Sie das Leben mit Gelassenheit. Die Änderungen, die Sie erleben, sind ein natürlicher Prozess und sollten auch als solcher akzeptiert werden! Ihre Ansprüche an Ihre Gesundheit sind zu hoch. Überhaupt wundert es mich, dass eine Frau mit Ihrem Wissen so vieles falsch macht.« Ich bekam eine Kiste voller Nahrungsergänzungsmittel und wurde zum Ernährungsberater geschickt, der mich mit pflanzlichen Ölen abfüllen wollte und Hülsenfrüchte als wahre Wundermittel der Stoffwechselregulierung anpries. Für die zelluläre Energie meinte er, brauche es Kalorien in Form wunderbarer Pflanzenöle! Es war haarsträubend – und dennoch ein wichtiger Anstoß. Denn damals erhielt ich vom Labor meinen ersten umfassenden Fettsäurespiegel, der mich anspornte, die Zusammenhänge selbst zu verstehen und nach wirksamen Maßnahmen zu suchen.
Meine Hormone habe ich inzwischen meistens im Griff und mein Stoffwechsel ist reguliert. Ich strotze vor Energie und Lebenslust und fühle mich gesünder denn je. Während ich an diesem Buch schrieb, nutzte ich mein eigenes Körperfett als Energielieferant. Sie lesen richtig, mein eigenes Fett ist mein Brennstoff – und damit sind wir mitten im Thema dieses Buches. Heute weiß ich, wie ich welche Fette effektiv und »artgerecht« einsetzen kann. Ich entscheide, welche Fette zu meinem Lebensstil und meinen persönlichen körperlichen und geistigen Zielen passen, und ich reduziere oder maximiere die jeweiligen Fette zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe alles aufgeschrieben, damit auch Sie erfahren, wie Sie Ihren persönlichen Ernährungsstil finden und Ihr Essen kompetent zusammenstellen können.
Individualität statt Schwarz-Weiß-Denken!
Einfach wäre: Es gibt gute Fette und schlechte Fette. Doch so einfach ist es nicht. Denn es gibt eben auch Fette, die einer Person nutzen, während sie einer anderen schaden! Was der einen mit Energie beschenkt, kann der nächsten Energie rauben. Wir müssen das Schwarz-Weiß-Denken und die weit verbreiteten Dogmen über die Fette hinter uns lassen, wenn wir gesund und fit sein wollen.
Fett ist nicht gleich Fett und es darf nicht isoliert betrachtet werden. Wir müssen es im Kontext des menschlichen Stoffwechsels sehen und im Zusammenspiel mit unserer natürlichen Umgebung und biophysikalischen Parametern. Die komplizierte Welt unserer Moleküle lebt von diesem Zusammenspiel und von der Kommunikation, das müssen wir stets im Auge behalten. Die Reaktionen unseres Körpers sind gesamthaft zu sehen, denn wenn wir eines aus dem Wirrwarr wissenschaftlicher Untersuchungen gelernt haben, dann welches Ausmaß der Einfluss unserer Umwelt auf unser internes Milieu hat. Wir und jede unserer Zellen sind Geschöpfe der Evolution, das dürfen wir nie vergessen.
Die Entkopplung von der Natur hat einen hohen Preis
Wir sind die einzige Spezies auf dieser Erde, die dem Irrglauben verfallen ist, unsere Nahrung und unseren Körper von der Natur entkoppeln zu können, ohne einen Preis dafür bezahlen zu müssen. Wir produzieren immer mehr »Lebens«mittel, die nicht artgerecht sind, wir konsumieren hoch verarbeitete, künstliche Produkte im Übermaß und behandeln uns wie Massenware. Zugleich wird die Menschheit immer dicker und chronisch kränker. Ist es da eine gute Nachricht, dass unsere Lebenserwartung steigt?
All das wirft viele Fragen auf, die mich immer wieder auf die Suche nach Antworten gehen lassen. Und selbstverständlich hinterfrage ich auch meine eigenen Bewertungen immer wieder und schrecke nicht davor zurück, frühere Erkenntnisse zu revidieren. Ich schätze mich überaus glücklich, täglich mit Menschen zu tun zu haben, die mein Leben mit ihren Fragen und Kenntnissen bereichern, die mich geistig herausfordern und dazu veranlassen, in die Tiefen der wissenschaftlichen Forschung zu tauchen. Dieser rege Austausch verbunden mit meiner Frustration über die vielen Halb- und Unwahrheiten, die über Fette publiziert werden, haben zu diesem Buch geführt. Während seines Entstehens durfte ich viele Aha-Momente erleben. Das wünsche ich nun auch Ihnen.
Ein Tick anders: Das etwas andere Buch über Fette
Ich hatte Ihnen ja eine Party versprochen und die starten wir jetzt. Wenn Sie sich gerne eine eigene Meinung bilden und zu den Menschen gehören, die Ihr Leben selbst in die Hand nehmen, dann sind Sie hier genau richtig. Denn wie der Titel einer deutschen Filmkomödie aus dem Jahr 2011 ist auch dieses Buch »einen Tick anders«: das etwas andere Buch über das heiß diskutierte Thema Fett. Was dürfen Sie erwarten? Jedenfalls kein langweiliges Kaffeekränzchen und keinen Standard-Ernährungsratgeber, wie es sie in Hülle und Fülle gibt. Mit diesem Buch mache ich Sie zum perfekten Gastgeber für die Party Ihres Lebens! Damit sie ein voller Erfolg wird, müssen Sie unbedingt die verschiedenen Fette dazu einladen. Welche Fette in welchem Mix für Ihre Lebensparty optimal sind, werden wir in den folgenden Kapiteln noch genau anschauen, denn ich gehe davon aus, dass Sie Ihre Lebensparty in vollen Zügen genießen möchten, ganz gleich, ob es dabei gerade ruhig, besinnlich, erotisch, stimmungsvoll oder ausgelassen zugeht!
Natürlich gibt es bei der Organisation einer solchen Party einiges zu beachten und wir müssen dabei äußerst sensibel vorgehen. Alles, was in Ihrem Körper, wo Ihre Party stattfindet, abläuft, ist hochkomplex und genau aufeinander abgestimmt. Nichts sollte isoliert betrachtet werden. Jeder ist besonders, mit individuellen Eigenschaften und Eigenheiten, mit seiner...