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Feuer

Symbol des Lebens und des Glaubens

AutorClaudia Sticher
VerlagVerlag Katholisches Bibelwerk
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783460510319
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Gott offenbart sich Mose im brennenden Dornbusch. Das Symbol findet sich aber auch wieder im Feuerregen, der auf Sodom und Gomorra niederfällt, im Brandopfer, im verzehrenden und im läuternden Feuer, in den Feuerzungen des Pfingsterlebnisses und an vielen weiteren Stellen der Bibel. Im Kerzenlicht schließlich findet das Feuer seinen Weg in die Kirche.

Dr. Claudia Sticher, geb. 1971, Lehrbeauftragte für Altes Testament, Referentin des Bischofs von Mainz.

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Leseprobe

1.Alltag – Von Fleisch und Erz


Seit etwa 50.000 Jahren kann der Mensch das Feuer aktiv handhaben. Seiner übernatürlichen Unverfügbarkeit wird es dadurch nicht beraubt – Feuer ist etwas Göttliches, etwas Dämonisches, nicht von dieser Welt.

Vermutlich lernte der Mensch zuerst, Wildfeuer – etwa nach Blitzeinschlag oder spontan entstandene Brände – zu zähmen und zu erhalten. Seit der Jungsteinzeit rechnet man mit dieser Kulturtechnik. Schlugen Blitze in Bäume ein und entfachten so ein Feuer, war es tatsächlich eine »Himmelserfahrung«, die Menschen machten: Feuer kam »von oben« und damit aus der himmlischen Sphäre in die Menschenwelt. Vulkanische Erscheinungen, bei denen Feuer aus den Quellen des Erdinneren hervorströmt, waren ähnlich geheimnisvoll und dem menschlichen Bereich entzogen. In beiden Fällen – von oben wie von unten – brach etwas aus dem Bereich des Göttlichen ein.

Spontane, unverfügbare Brände zu erhalten, war in der Menschheitsgeschichte die vermutlich früheste Form, sich des Feuers zu bedienen. Das aktive Entfachen von Feuer trat später ergänzend hinzu.

Derartiges Zweckfeuer ist – im Gegensatz zu Schadfeuer – das beabsichtigte und kontrollierte Feuer. Es dient dem Erwärmen oder Verbrennen von Gegenständen, spendet Wärme und Licht und hält Raubtiere und Insekten fern. Wer sich um ein Feuer lagert, findet Schutz vor der Kälte, hat einen Orientierungspunkt in dunklen Nächten und hält wilde Tiere fern. Mit einer brennenden Fackel einem Wildtier entgegenzutreten, verschafft einen deutlichen Vorteil gegenüber dem eventuell notwendigen Kampf nur mit einem dicken Ast oder einfachen Waffen, zumal wenn die Dunkelheit den Schritt unsicher macht.

Zu diesen Aspekten, die das Äußere des Menschen betreffen, Wärme und Schutz, tritt ein »inneres Moment« hinzu: Rohes Fleisch ist für den menschlichen Organismus nur schwer verdaulich, obwohl sehr nahrhaft. Sobald der Mensch Fleisch gart, kocht oder auf dem Feuer brät, wird es deutlich bekömmlicher; der Erhitzungsvorgang schließt die Enzyme auf, der Verdauungsapparat wird entlastet. Zugleich werden eventuell in der Nahrung vorhandene Viren, Parasiten oder Bakterien durch die große Hitze unschädlich gemacht. Fleisch kann geräuchert für längere Zeit haltbar gemacht werden. »Gezähmtes Feuer« bringt so nicht nur in äußerlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die Bekömmlichkeit und die Lagerungsfähigkeit von Fleisch einen entscheidenden Vorteil in die Menschheitsgeschichte.

Die vom Feuer immer ausgehende Gefahr haben Menschen in Kauf genommen, weil sie das Feuer nutzen wollten und konnten. Die Vorteile überwogen derart, weshalb beabsichtigtes Feuer (»Zweckfeuer«) die Menschheitsgeschichte bis heute begleitet. Nicht nur für die Zubereitung von Speisen wurde Feuer nutzbar gemacht, es bildet die Basis wichtiger Kulturtechniken: Feuer ermöglicht die Härtung von Holz und Stein; von Ton oder Lehm zu Keramik; es dient zur Schmelze von Erzen.

Dem steht das zerstörerische, meist unbeabsichtigte Feuer gegenüber, umgangssprachlich Brand genannt. Ein solches »Schadfeuer« verbrennt ungewollt Gegenstände und ist erst kontrollierbar, nachdem es eingedämmt wurde. Entstanden ohne erkennbaren Herd oder unkontrolliert von einer sicheren Feuerstelle übergesprungen, breitet es sich völlig unberechenbar aus.

Feuer im Alltag Israels

Anfang alles Notwendigen für das Leben des Menschen sind: Wasser und Feuer, Eisen und Salz, feinstes Weizenmehl, Milch und Honig, das Blut der Traube, Olivenöl und Kleidung (Sir 39,26).

Bemerkenswert, wie der Weisheitslehrer Jesus Sirach die Grundbedürfnisse menschlichen Lebens zusammenfasst; eine ähnlich pointierte Aufzählung gibt es ansonsten in der Heiligen Schrift nicht.

In der altorientalischen Umwelt Israels wird Feuer häufig selbst als Gottheit angesehen: Gibil oder Girra heißt im Zweistromland das vergöttlichte Feuer, Sohn des Gottes Anus und der Göttin Sala. Er repräsentiert Feuer in all seinen Aspekten: als zerstörerische Kraft und als sengende Hitze des Mesopotamischen Sommers; als schöpferische Kraft im Schmiedeofen oder beim Brennen von Ziegelsteinen, in dieser Hinsicht gilt er als Städtegründer.

Israel negiert eine Vergöttlichung des Feuers ausdrücklich, dennoch wird das Element mit Gott auf verschiedene Weise in Verbindung gebracht: im Kult, insbesondere den Brandopfern, in Theophanieschilderungen (Gotteserscheinungen) sowie in übertragener Redeweise.

Metallbearbeitung

Zuerst aber spielt das Feuer im profanen Alltag seine wichtige Rolle. Die materielle Kultur Israels wird – wie auch sonst in Archäologie und Geschichtswissenschaften üblich – mit den Bezeichnungen Bronze- bzw. Eisenzeit klassifiziert. In diese Namen eingeschrieben ist die Bedeutung der Kulturtechnik Erzschmelze, mit der Metalle gewonnen werden, angefangen beim Kupfer bis hin zu den härteren Metallen wie Eisen. In der Levante, also dem Gebiet, zu dem auch Israel/Palästina gehört, wird der Umbruch von der Bronze- zur Eisenzeit um 1200 v. Chr. angesetzt. Wenn man mit der Bibelwissenschaft die Staatenbildung unter Saul – David – Salomo, egal, wie umfangreich oder bescheiden deren Siedlungen dann wirklich gewesen sind, um das Jahr 1000 v. Chr. datiert, so war dem der große Umbruch um das Jahr 1200 v. Chr. vorausgegangen: Die Besiedlung und die Machtverhältnisse wurden durch das Auftreten der »Seevölker« umgekrempelt. Die materielle Kultur und hier insbesondere der gezielte Einsatz des Feuers beeinflusst durch Waffenherstellung und -gebrauch durchaus massiv bestimmte Herrschaftskonstellationen, vor allem, wenn sich Ungleichzeitigkeiten in der Beherrschung solcher Techniken ergeben.

Zunächst war die Eisenherstellung ein Monopol der Hetiter. Als deren Reich um 1200 v. Chr. untergeht, gelangt das Eisen über die Philister nach Israel. Die biblische Überlieferung malt diese Unterlegenheit der eigenen Bevölkerung breit aus:

Damals war im ganzen Land kein Schmied zu finden. Denn die Philister hatten sich gesagt: Die Hebräer sollen sich keine Schwerter und Lanzen machen können. Alle Israeliten gingen zu den Philistern hinab, wenn jemand sich eine Pflugschar, eine Hacke, eine Axt oder eine Sichel schmieden lassen wollte. … Als es nun zum Krieg kam, fand sich im ganzen Volk, das bei Saul und Jonatan war, weder ein Schwert noch ein Speer. Es gab sie nur bei Saul und seinem Sohn (1 Sam 13,19–20.22).

Selbst David (noch ist er nicht König, wohl aber bewährter Krieger und immerhin Schwiegersohn des Königs Saul) gelangt nur deshalb in den Besitz eines Schwertes, weil der Priester Ahimelech ihm gestattet: Das Schwert des Philisters Goliat, den du im Terebinthental erschlagen hast, liegt hier, in einem Mantel eingewickelt, hinter dem Efod. Wenn du es nehmen willst, nimm es! Außer diesem gibt es keines hier. David sagte: Kein anderes kommt ihm gleich; gib es mir! (1 Sam 21,10) Anders war Davids Bitte um eine Waffe – er ist eilig gekommen und daher nicht ausgerüstet – nicht zu erfüllen. Eiserne Waffen sind Mangelware, obwohl sie den anderen Waffen haushoch überlegen sind.

Feuer entfaltet seine kulturstiftende und positive Wirkkraft speziell beim Handwerk. Brennöfen waren in zwei Bereichen unabdingbar: zum Brennen von Keramik einerseits, bei der Metallschmelze andererseits.

Die Datierung von Tonscherben sagt viel aus über die Besiedlungsfolge einer Ruinenstätte. Gefäße aus unterschiedlichen Materialien waren unabdingbar für die Bevorratung von Lebensmitteln. Je haltbarer und besser verschließbar solche Behältnisse waren, desto zuverlässiger schützten sie das Vorratsgut vor Schädlingen, also Insekten und Tieren, oder vor Feuchtigkeit und Schimmel. In der über Jahrtausende hin besiedelten Stadt Jericho, die heute gar als »älteste Stadt der Welt« bezeichnet wird, finden sich präkeramische Schichten aus einer Zeit der Besiedlung, die noch keine Töpferware kannte. Die Kultur der Levante hing – wie überall – von zunehmenden Kenntnissen verschiedener Handwerksbereiche ab. Nicht wenige von ihnen nahmen dabei Feuer zu Hilfe. Teilweise erstaunt es, wie hochentwickelt manche Techniken bei vergleichsweise einfachen Herstellungsarten waren. Brenn- und Schmelzöfen zählen hinzu.

Ein Schmelzofen wurde aus Steinen gesetzt oder aus Lehmziegeln dickwandig gemauert, entsprechende Kanäle bzw. Düsen ermöglichten es, aufgrund der gezielten Luftzufuhr Temperaturen von über 1000° Celsius zu erreichen.

Bereits in der Bronzezeit wurden Verfahren zum Schmelzen von Erzen im Lehmofen entwickelt. Zu Beginn der Eisenzeit steht die Entdeckung eisenhaltiger Erze. Da aber die Temperaturen, die zur Reduktion des im Erz enthaltenen Eisenoxyds deutlich über den zur Bronzeherstellung nötigen...

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