Kapitel 1. Fitness und die menschliche Codebase: Reboote dein Betriebssystem
Es ist früher Morgen, die Rollos sind noch unten, und du quälst dich aus dem Bett. Irgendwann lange nach Mitternacht bist du ins Bett gekippt (nach stundenlangem Rumgeklicke bei Facebook). Zum Glück hat die Kaffeemaschine eine Zeitschaltuhr, sodass dich ein Liter heißes schwarzes Gold in der Küche erwartet. Mit einem riesigen Becher von dem Zeug spülst du eine Scheibe Toast mit Margarine und Marmelade runter und hechtest aus der Tür, um dich in 45 Minuten Berufsverkehr zu stürzen.
Und das ist erst der Anfang eines Sitzmarathons.
Kommt euch das irgendwie bekannt vor? Wenn ihr an eurem Arbeitsplatz ankommt, nehmt ihr den Fahrstuhl zu eurem Büro, füllt euren Kaffeebecher mit dem Bürokaffee auf, der schon früh am Morgen abgestanden schmeckt, und praktischerweise steht auch noch ein Teller mit Konferenzkeksen in der Kaffeeküche. Ihr hockt am Rechner und schreibt Code, bis eure Augen schmerzen, nur unterbrochen von zwei Meetings, bei denen ihr auf euren vier Buchstaben sitzt und zwei Marketingfritzen zuhören dürft, die sich selbst gern reden hören.
In der Mittagspause nehmt ihr den Fahrstuhl nach unten und geht 150 Meter bis zur nächsten Subway-Filiale, in der ihr euch ein »gesundes« Thunfisch-Sandwich holt, das etwa die Ausmaße eines Baseballschlägers hat. Das verschlingt ihr zur Hälfte; wenig später hängt ihr wieder vor dem Bildschirm und dem C++-Modul, das bis 17:30 Uhr fertig sein soll. Der Abgabezeitpunkt ist so schnell da, dass ihr ab jetzt an Zeitkompression glaubt.
Mehrmals am Tag gesellt ihr euch zu den Kollegen, die vor dem Süßkramautomaten stehen. Die Versuchung, an diesem Teil ein paar Knöpfe zu drücken und tatsächlich irgendwas herauszubekommen – kleine Chipstüten in fünf Sorten, Schokoriegel, Gummibärchen oder sogar ganze Sandwiches (ja, auch so was findet man in Automaten) –, ist geradezu überwältigend. Das Hintergrundgeschnatter von Menschen, die sich unterhalten, mischt sich hier mit dem Aufreißgeräusch kleiner Tütchen.
Klar, Sport machen stand eigentlich fest auf dem Plan, aber ... vor euch liegt ein langer Heimweg im Auto und das »Abendessen«, in diesem Fall ein Schluck Pepsi Light und der Rest des Sandwiches vom Mittagessen, während ihr irgendwo im Stau steht. Irgendwie dämmert euch, dass ihr nicht mal mit Gewissheit sagen könnt, ob ihr heute so was wie Sonnenschein gesehen oder überhaupt echtes Tageslicht wahrgenommen habt. Zu Hause angekommen, haut ihr euch aufs Sofa, in der altvertrauten sitzenden Position, und fühlt euch etwa so wie das blutverschmierte undefinierte Etwas, das euer alter Kater Tiger heute auf der Fußmatte hat liegen lassen. Die Katze beäugt euch derweil mit mildem Desinteresse.
Der nächste Tag sieht nicht anders aus.
Was läuft hier falsch? Natürlich ist diese kleine Geschichte ziemlich dick aufgetragen, hoffentlich nicht zu dick. Jedenfalls (v)erlebt ihr vermutlich den Großteil des Tages auf einem Stuhl.
Das Essen war »schlecht für euch« (oder zumindest nicht wirklich gut für euch), und Bewegung fand quasi gar nicht statt, abgesehen von einem Faustrecken bei einer Sportübertragung im Fernsehen, die ihr beim Zappen erwischt habt. Ihr habt nicht sonderlich viel Zeit gehend oder stehend verbracht, und die Sonne, der Spender allen Lebens auf der Erde, ist eine Unbekannte für euch.
Es ist nicht meine Schuld, sagt ihr jetzt leise und mit nur wenig Überzeugung. Meine Arbeitszeiten mit Anfahrt sind einfach so, und ich kann froh sein, überhaupt einen gut bezahlten Job zu haben.
Das Entwurfsmuster im Fokus
Die Botschaften, die euch euer Körper vermittelt, lassen sich ungefähr mit ich fühle mich beschissen zusammenfassen und geben erste Hinweise darauf, dass ihr vielleicht nicht wirklich dafür gemacht seid, so zu leben. Tatsächlich sind eine Menge Fitnessexperten, Philosophen, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler, Anthropologen, Mediziner und Querdenker zu der glaubwürdigen Hypothese gelangt, dass wir genau so designt sind wie unsere Urahnen, die einen völlig anderen Lebensstil hatten als den hier beschriebenen.
Anmerkung
... eine Menge Fitnessexperten, Philosophen, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler, Anthropologen, Mediziner, und Querdenker sind zu der glaubwürdigen Hypothese gelangt, dass wir genau so designt sind wie unsere Urahnen, die einen völlig anderen Lebensstil hatten als den hier beschriebenen.
Wir sind nicht dazu geboren, sitzend zu leben, stark industriell verarbeitete Nahrung zu essen und einen Schlafrhythmus wie ein Vampir zu haben (außer während des Studiums). In den Kapitel 3, Kapitel 4, Kapitel 7, Kapitel 8 und Kapitel 9 findet ihr alles, was ihr wissen müsst, um euch gut zu ernähren, Spaß zu haben und euch richtig zu erholen. Was wir brauchen, ist ein anderes Entwurfsmuster.
Entwurfsmuster Für Code und Fitness
Menschen, die beruflich Code schreiben, kennen sich im Allgemeinen mit Entwurfsmustern aus. Entwurfsmuster sind wiederverwendbare Strategien zur Lösung von Problemen oder Erledigung von Aufgaben. Das Konzept hat sich die IT-Welt aus der Architektur entliehen: Es gibt Designstrategien für Gebäude, die immer und überall funktionieren, also benutzt man sie wieder und wieder, statt das Rad jedes Mal neu zu erfinden.
Ein Beispiel für ein Entwurfsmuster aus der objektorientierten Programmierung (OOP) ist eine ObjectFactory. OOP ist eine Methode, Software basierend auf Modellen der realen Welt zu entwickeln. Nehmen wir an, ihr habt eine Website, und andere arbeiten daran als »Mitglieder« mit. Dann ist es einfacher, ein »Mitglieder«-Objekt (Member
) zu erschaffen, dessen Code vom Rest zu separieren und innerhalb dieses Objekts nur Dinge zu behandeln und abzuarbeiten, die mit Mitgliedschaft zu tun haben.
Weil eure Seite so beliebt ist, müsst ihr nun dauernd neue Mitglieder anlegen. Die ObjectFactory ist ein Stück Code, dessen Aufgabe es ist, neue Mitglieder zu erzeugen. Jedes Mal, wenn euer Code einen neuen ‘Member’ anlegen (und in der Datenbank speichern) muss, ruft er getNewMember( )
in der ObjectFactory auf – Problem gelöst.
Fitness lässt sich ebenfalls auf ein gemeinsames Entwurfsmuster reduzieren – Sonnenlicht, Bewegung, natürliche Nahrung, Schlaf, Zuneigung, Liebe –, das tief in unserer Vergangenheit angelegt wurde. Der Großteil unseres Verhaltens beruht auf diesem »menschlichen Entwurfsmuster«.
Ich bin ein Anhänger des Mems bzw. Paradigmas, das mittlerweile seine Runde im Web und sogar in den naturwissenschaftlichen Magazinen macht (egal ob man es nun »paleo«, Rückkehr ins Paradies oder Urzeitgesundheit nennen will), dass wir dazu geboren sind, uns im Sonnenlicht zu bewegen, echte Nahrung zu essen und mehr zu schlafen, als unseren Freunden lieb ist (weil sie gerade vor der Tür stehen und uns auf diese Party schleppen wollen).
Als Geeks betrachtet man die Situation so: Wir werden alle mit einer vorinstallierten Software geboren, der menschlichen Codebase. Dem Genom. Ihr wisst schon, die DNS-Schnörkelchen der Chromosomen in den Kernen der meisten Zellen, dieser ganze ATGC-Code, der definiert, wer und was wir biologisch sind. Es ist irgendwie cool, geradezu faszinierend, dass Mutter Natur quasi ihre ureigene Programmiersprache hat. Vielleicht haben wir, gesteuert von unserem Unterbewusstsein, deswegen Computerprogramme entwickelt, die das Look & Feel unseres eigenen inneren Codes mitbringen.
Anmerkung
Werft einen Blick auf diese Seite bei 23andMe, wenn euch das Thema Gene und Genetik gerade anspringt oder ihr euer Wissen auffrischen möchtet: www.23andme.com/gen101/genes/.
Das Schreiben dieser Software dauerte einige hunderttausend Jahre. Der evolutionäre Prozess schreitet langsam voran, was bedeutet, wir haben uns über Tausende von Jahren nur unwesentlich verändert. Unsere Gene unterscheiden uns voneinander in Kleinigkeiten wie der Tatsache, dass manche Menschen Laktose nicht verdauen können oder andere Spargel essen und dabei einen anderen Geruch in ihrem Urin wahrnehmen.
Anmerkung
»Die spontane Mutationsrate für Zellkern-DNS wird auf 0,5 % je Million Jahre geschätzt. Daher war in den letzten 10.000 Jahren nur Zeit für sehr minimale Veränderungen unserer Gene, möglicherweise 0,005 %«, erklärte Dr. Artemis P. Simopoulos vom Center for Genetics, Nutrition and Health, Washington, DC, USA, in einem wissenschaftlichen Journal im Jahr 2008.1
Damals, bevor es Supermärkte gab
Unsere Vorfahren, die im Wesentlichen über dieselben Gene wie wir verfügten, aßen das Fleisch bereits toter Tiere (Aas), das Fleisch von Wildtieren, die sie gejagt hatten, Zeug, das irgendwo wuchs, Nüsse, alles was sie an Essbarem in Gewässern ergattern konnten sowie rohe Wabenhonigbrocken, erzeugt von wilden Bienen, die der Mensch mit Feuer und Rauch von ihren Nestern vertrieb.
Manchmal, wenn das Wetter sich wieder mal rasend schnell und massiv änderte (kommt euch...