Auswirkungen der Ernährung
auf das Gehirn
Die Ernährung hat von Anfang an einen wichtigen Einfluss auf die Gehirnleistung und die Gehirngesundheit. Energie, Nährstoffe und deren Stoffwechselprodukte können über die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangen und wirken dort unmittelbar auf die Gehirnentwicklung, aber in Folge auch auf das Konzentrationsvermögen, die Gedächtnisleistung, die Lernleistung und den Lernerfolg sowie auf das Abrufen und Abspeichern von Informationen, die Informationsübertragung, die Wachheit und die Entspannungsfähigkeit. Die Ernährung kann von wenigen Minuten nach der Nahrungsaufnahme bis zu Langzeitauswirkungen das Gehirn beeinflussen.
•Kurzfristig beeinflusst die Ernährung die Reaktionszeit und die Aufmerksamkeit.
•Mittelfristig beeinflusst sie das Gedächtnis und das Problemlösen.
•Langfristig beeinflusst sie die Intelligenz und die Gehirngesundheit.
Die Ernährung spielt bei der geistigen Leistungsfähigkeit zwar eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle. Bewegung und Training, hier Gedächtnistraining, gehören untrennbar mit der Ernährung zusammen. Im vorliegenden Buch beschränken wir uns aber ausschließlich auf die Ernährung.
Nährstoffe
Kohlenhydrate
Kohlenhydrate, hier der Einfachzucker Glukose (Traubenzucker), stellen die Energiequelle des Gehirns dar. Nur in Ausnahmefällen (beim Fasten, bei längeren Hungerperioden) „ernährt“ sich unser Gehirn von Ketonkörpern, die aus dem Fettabbau stammen. Diese Tatsache gibt natürlich den Kohlenhydraten eine besondere Bedeutung für die geistige Leistungsfähigkeit. Lassen uns jetzt schnell verfügbare Zucker eine herausragende geistige Leistungen erbringen oder sind es doch jene Zucker, die erst langsam im Verdauungstrakt abgebaut und vom Körper aufgenommen werden müssen und so den Blutzuckerspiegel konstant halten? Also doch Traubenzucker vor Prüfungen? Zahlreiche Studien haben sich diesem Thema gewidmet mit mehr oder weniger konsistenten Ergebnissen. Eine aktuelle Übersichtsarbeit bringt es auf den Punkt: Die uneinheitlichen Testergebnisse über die Art der Kohlenhydrate (hoher oder niedriger glykämischer Index) sind auf eine Reihe von methodischen oder verzerrenden Faktoren zurückzuführen, wie beispielsweise das Studiendesign, die untersuchte Personengruppe, aber auch der Zeitpunkt und die Art der verwendeten Tests sowie die Größe und Zusammensetzung der Mahlzeiten. Letztendlich scheinen jedoch Mahlzeiten mit einem niedrigen glykämischen Index besser für die kognitiven Funktionen zu sein.
Wenngleich für die Verbesserung des Gedächtnisses durch Glukose einige Hypothesen sprechen. Eine besagt, dass durch die Zufuhr von Glukose die Plasmaglukosekonzentration steigt, was wiederum eine Änderung der Glukoseaufnahme und -verwertung durch das Gehirn zur Folge hat. Es kommt damit auch zu einer erhöhten glukosevermittelten Synthese von Acetylcholin im Hippocampus, einem wichtigen Neurotransmitter, an den viele kognitive Prozesse im Gehirn gebunden sind. Eine andere Hypothese besagt, dass die Insulinreaktion nach der Glukoseaufnahme für die Auswirkung auf das Gedächtnis eine Rolle spielt. Die Wirkung von Glukose besteht zwischen 15 und 20 Minuten nach der Aufnahme. Auch bei älteren Personen mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung liegt keine einzige kontrollierte randomisierte Studie vor, die eine Empfehlung über den Einsatz von verschiedenen Kohlenhydraten zur Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit rechtfertigt.
Eng in Zusammenhang mit der Art und Menge der aufgenommenen Kohlenhydrate steht der Blutzuckerspiegel. Eine Querschnittsstudie bei 141 gesunden, älteren, nicht diabetischen Personen ohne Demenz zeigte, dass chronisch erhöhte Blutzuckerspiegel auch bei NichtdiabetikerInnen einen negativen Einfluss auf die Kognition wie Lernfähigkeit oder Gedächtnisleistung hatten. Erhöhte Blutzuckerwerte gelten mittlerweile auch als Risikofaktor für die zerebrale Gesundheit, die kognitiven Funktionen und für Demenz. Besonders wichtig scheint es hierbei zu sein, Vorstufen von Diabetes frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu therapieren, um langfristig negative Auswirkungen auf die Gehirngesundheit zu verhindern. Auch bei einem bestehenden Typ-2-Diabetes ist eine entsprechende Blutzuckerkontrolle wichtig. Schlechte Blutzuckereinstellungen können genauso wie das frühzeitige Auftreten eines Typ-2-Diabetes und das Bestehen von mikro- und makrovaskulären Erkrankungen frühzeitige kognitive Defizite auslösen, die durch bestehende Depressionen oder kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen verstärkt werden können.
Zucker und geistige Leistungsfähigkeit
Nagetiere zeigen sowohl bei einer hohen Saccharose- als auch Fruktosezufuhr einen negativen Effekt auf die Kognition, insbesondere auf die räumliche Wahrnehmung, und das unabhängig von Übergewicht. Eine aktuelle Übersichtsarbeit bestätigt, dass im Tierversuch der Zuckerkonsum zu kognitiven Störungen führen kann. Beobachtet wurde der negative Einfluss auf die Gedächtnisleistung und das räumliche Lernen. Die negativen Auswirkungen wurden in den Fällen beobachtet, wo der Zuckerkonsum so hoch war, wie er vergleichsweise heute in der westlichen Ernährungsweise ist, aber auch wiederum unabhängig vom Körpergewicht.
Beim Menschen sind die Ergebnisse nicht so einheitlich. So zeigte eine Untersuchung an Kindern, dass die Zufuhr von 103 bis 120 g Saccharose pro Tag keinen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit hatte, während eine andere Studie berichtete, dass ein hoher Verzehr an raffinierten Kohlenhydraten (128–285 g pro Tag) in Form von Reis, Weißbrot, Weißmehl, Zucker und gesüßten Getränken die kognitive Funktion sehr wohl beeinträchtigte.
Eine der Ursachen, warum ein hoher Zuckerkonsum schlecht für die geistige Leistungsfähigkeit ist, könnte auch zusammenhängen mit der Erhöhung der Serumkonzentration von Entzündungsmarkern wie Haptoglobin und CRP (C-reaktives Protein) und einer hohen glykämischen Last, wie ein 6-Jahres-Follow-up in einer Studie bei gesunden Erwachsenen nachwies.
Enthält die Ernährung über längere Zeit einen hohen Zuckeranteil sowohl in Form von Saccharose als auch Fruktose, kann das auch durchaus mit einer positiven Energiebilanz einhergehen und zur Entwicklung von Übergewicht beitragen. Weiters kann dies auch in Zusammenhang mit der Entwicklung einer Insulinresistenz stehen und somit das Risiko für die Entstehung von Diabetes erhöhen, der wiederum ein erheblicher Risikofaktor für die Alzheimerkrankheit ist.
Metaanalysen und randomisierte klinische Studien bestätigten die Verbindung zwischen gesüßten Getränken und der Entstehung von Fettleibigkeit, dem metabolischen Syndrom sowie von Fettlebererkrankungen. Ob es sich beim Zuckerzusatz um den klassischen Haushaltszucker Saccharose oder um Fruchtzucker (meist als Maissirup oder High Fructose Corn Sirup) handelte, schien keine entscheidende Rolle zu spielen. Aus diesem Grund findet man in Ernährungsempfehlungen immer auch den Hinweis darauf, den Zuckerkonsum einzuschränken, insbesondere Softdrinks, da diese eine erhebliche Zuckerquelle darstellen.
Eine besondere Bedeutung scheint der glykämische Index der Nahrung bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 zu haben. Sie zeigen sehr häufig Defizite in den kognitiven Funktionen, die von den medialen Temporallappen gesteuert werden. Schnell resorbierbare Kohlenhydrate wie Zucker, aber auch alle anderen Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index beeinträchtigen die Funktionen der medialen Temporallappen zusätzlich durch die Zunahme von oxidativem Stress und einer Zytokin-Freisetzung. Aus diesem Grund sollten alle Typ-2-DiabetikerInnen besonders auf die Zufuhr der richtigen Kohlenhydrate achten und eine schlechte Blutzuckereinstellung verhindern.
Neueste Untersuchungen zeigten auch, dass bei älteren Personen mit einem Durchschnittsalter von 63 Jahren der Blutzuckerspiegel mit der Gedächtnisleistung zusammenhing. Je höher der Blutzuckerspiegel, desto schlechter war die Merkfähigkeit. TeilnehmerInnen mit einem hohen Blutzuckerspiegel erinnerten sich 30 Minuten nach dem Betrachten von 15 Wörtern an zwei weniger als die Personen, die einen niedrigen Blutzuckerspiegel hatten. Eine zusätzliche Analyse in einem Kernspintomografen ergab, dass der Hippocampus der Personen mit einem höheren Blutzuckerspiegel kleiner war und eine schlechtere Struktur aufwies. Nicht nur ein manifester Typ-2-Diabetes, sondern bereits ein chronisch erhöhter Blutzuckerspiegel übt einen negativen Einfluss auf die Kognition aus. Als Ursache wird eine strukturelle Veränderung in lernrelevanten Hirnregionen angenommen. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, den Blutzuckerspiegel im normalen Bereich zu halten.
Eine schlechte Blutzuckerkontrolle und häufige Hypoglykämie (Unterzuckerung)...