»Was meint sie mit dem Titel?«; »Warum beschäftigt sie sich mit diesem Thema?«; »Wie viel hat sie mit dem Buch verdient?«; »Glauben Sie, dass das irgendjemand kauft?«; »Wie alt gibt sie vor zu sein?«; »Ihre Shows haben mir nie gefallen!«
Wenn man »fix & fertig« und unter Dauerdruck ist, dann ist aus neurobiologischer Sicht das Nervensystem von Stress überlastet, und es werden permanent Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Alle Ihre Gedanken drehen sich kontinuierlich um Ihre Sorgen, weswegen Sie sich nicht auf die Arbeit konzentrieren können, die gerade konkret ansteht. Dies kann ein Burn-out zur Folge haben.
Zweite Frage: Warum habe ich mir dieses Thema ausgesucht? Den größten Teil meiner wachen Zeit (und einen Teil meines Schlafes) habe ich im Reich der Geräderten verbracht, und daher glaube ich, dass ich – als qualifizierte Touristenführerin in diesem Moorland – Ihnen die Orte der wichtigsten Verwirrungen und Selbstzweifel zeigen kann. Seien Sie froh, in diesen Gegenden nicht alleine zu sein. Ich glaube inzwischen, dass wir alle sie bewohnen und einen Weg aus ihnen heraussuchen. Außerdem habe ich beschlossen, dass wir nicht länger unsere Zeit mit Klagen verlieren sollten. Statt mit dem Finger auf Probleme zu deuten und die äußere Welt dafür verantwortlich zu machen, dass wir derart aus dem Gleichgewicht geraten sind, ist es sinnvoller zu lernen, die gefährlichen Kliffe der Unsicherheit und der Verwirrung zu umschiffen. In diesem Buch stelle ich Ihnen einige der besten Urlaubsziele vor, an denen Sie sich erholen und neue Kräfte tanken können.
Eine persönliche Geschichte
Es ist November. Ich bin im Londoner Hotel Ritz. Ich fühle mich wie unter einer Dunstglocke, mein Geist ist von einem dicken grauen Nebel eingehüllt. Ich weiß selbst nicht genau, weswegen ich an dieser Veranstaltung teilnehme, und noch nicht einmal, wie ich hierhin gekommen bin. Ich frage jemanden, welchem guten Zweck die Sache dient. Eine hochgewachsene Frau mit Damenbart, die einen Pullover aus Katzenhaaren trägt, antwortet mir: Sie steht unter dem Motto: »Rettet die Papageientaucher«. Zufälligerweise ist sie die Sprecherin der Wohltätigkeitsorganisation, die die Sache veranstaltet, und wird später mit ihrem leichten schottischen Akzent in einer bewegenden Rede erklären, wie schwierig es für diese Vogelart ist, auf den Felsen der Orkneys zu landen, weil dort ein so heftiger Wind weht. Wenn sie es schließlich doch geschafft haben und ihr einziges Ei gelegt haben, müssen sie es davor bewahren, vom Wind davongetragen zu werden. Zu alldem kommt auch noch der Klimawandel, der dazu führen könnte, dass die Vögel dort vielleicht bald gar nicht mehr landen können. Während sich meine Welt auflöst, höre ich jemandem zu, der darüber doziert, wie schwer es der Papageientaucher hat, zu landen. Ich muss mich beherrschen, keinen Schreikrampf zu bekommen. Warum schicke ich sie nicht einfach selbst auf eine einsame Insel? Dann wäre das Problem gelöst!
Früher fing mich alle drei bis fünf Jahre dieser Nebel ein, und ich wurde vom Fluch einer Depression heimgesucht … Damals gab es noch keinen richtigen Ausdruck dafür, man nannte es »an der Reihe sein« oder sagte, dass einem »ein Missgeschick« unterlief, wie es meine Eltern gerne bezeichneten, wenn meine Mutter die Zimmerdecken mit einem Mopp abwischte. Ich wusste nie vorher, wann ich wieder abdriften würde, aber ein recht verlässlicher Anhaltspunkt war, dass es meist bei großen Veranstaltungen wie dem für die Papageientaucher geschah. Wahrscheinlich war ich deswegen so irrsinnig aktiv, weil ich der Welt und mir selbst beweisen wollte, dass bei mir alles in Ordnung und mein Verhalten völlig normal sei. So versuchte ich darüber hinwegzutäuschen, dass ich den Verstand verloren hatte. Es war, als würde ich ein Heftpflaster auf einen Tumor kleben.
Kurz nach der Papageientaucher-Veranstaltung fand ich mich im gleichen November dabei wieder, im Rahmen meiner Tauchprüfung in der Brighton Pier zu tauchen. Ich lief vor Kälte blau an, und meine Zähne klapperten jämmerlich. Man band mir Gewichte an den Bauchgurt, dann tauchte ich schnurstracks in zehn Meter Tiefe. Dort bekam ich nichts als ein paar alte Sandalen und einen versunkenen Einkaufswagen zu sehen. Wo waren die Riffs und Papageienfische? Mir war, als wären solche Dinge den anderen vorbehalten, während ich nur diesen Abfall zu Gesicht bekam.
Lassen Sie mich ein wenig erklären, wie ich dazu kam, Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie zu studieren. Der einzige Grund dafür war – und ich wiederhole: der wirklich einzige –, dass es überzeugende wissenschaftliche Untersuchungen gibt, die belegen, dass sie die höchste Erfolgsquote bei der Behandlung einer ganzen Reihe von körperlichen sowie geistigen Beschwerden und Krankheiten aufweist.
Ich entschied mich zu diesem Studium, da ich bereits ein Vermögen für alle anderen nur denkbaren psychologischen Methoden ausgegeben hatte, die die Menschheit kennt: von der Plain-Vanilla-Therapie (wo ich so viel darüber sprach, wie meschugge meine Eltern waren, dass ich die Gruppe in eine Ein-Frau-Show verwandelte) bis hin zu therapeutischen Skurrilitäten wie zum Beispiel, drei Tage lang ein Kissen, das man Papi nennt, mit einer Keule zu schlagen, um es dann zeremoniell zu begraben und anschließend darum zu trauern. Mir ist es peinlich, aber ich muss bekennen, dass ich tatsächlich auch eine Sitzung Rebirthing machte, bei der sie mich mit einem Schnorchel in einer Badewanne untertauchen ließen, um mich anschließend an meinen Fersen wieder aus ihr herauszuziehen. (Immerhin war es nicht so schlimm wie eine wirkliche Geburt.) Lassen Sie mich nicht zu lange weitererzählen, aber ich war auch bei einer Frau, die mittelalterliche Kleider trug und behauptete, sie channele Merlin. Sie tat dies mit ihrem San Diegoer Akzent, den sie mit einigen altenglischen Vokabeln anreicherte. Ihr Mann, in Wams, Strumpfhosen und mit einem Krakenhut gekleidet, an dem Glocken hingen, tischte Fleisch auf. (Ich könnte endlos weitererzählen, aber vielleicht kommt das in ein anderes Buch.) Sie halten mich vielleicht für verrückt, aber all dies brachte mich zur Überzeugung, dass man mit wissenschaftlich fundierten Methoden die besten Fortschritte erzielt.
Nach meinem letzten Depressionsanfall versprach ich mir selbst, dass ich jetzt wirklich etwas unternehmen würde. Ich beschloss, meinen wilden Geist zu bändigen. Fast fanatisch schaltete ich in den Untersuchungsmodus, umherstreifend, wissenschaftliche Magazine und Schriften durchforstend. Und ich wurde fündig: Von allen Therapien, so Untersuchungen, böte die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie bei Depression mit sechzig Prozent die höchste Wahrscheinlichkeit, einen Rückfall zu verhindern. Am meisten überzeugte mich die Tatsache, dass man dabei die Sache selbst in die Hand nimmt: Man musste nicht zu Seelenklempnern rennen, um sie anzubetteln, sie mögen einen wieder in Ordnung bringen. Und das Beste daran: Es war kostenlos (für eine Jüdin wie mich ist das bereits die halbe Miete). Anfangs dachte ich, Achtsamkeit bedeute, kerzengerade und mit gekreuzten Beinen auf einem kleinen Hügel zu sitzen und Mantras zu singen, die sich so anhörten, als lese man das Telefonbuch rückwärts. Dennoch war ich bereit, einen Versuch zu wagen.
Ich möchte gerne klarstellen, dass ich meine Depression weiterhin genauso medikamentös behandele, wie ich es auch bei jeder anderen rein körperlichen Krankheit tun würde. Doch wenn Antidepressiva allein wirklich wirkungsvoll und verlässlich wären, würde keiner mehr einen Rückfall erleben – in Wirklichkeit haben die meisten von uns genau dies, und sogar recht oft. Das ist der Grund, warum ich die Medikation mit der Meditation kombinierte. Man kann sich das wie zwei Kondome vorstellen: Es bietet doppelten Schutz.
Ich hoffe, das klingt nicht zu missionarisch. Meditation hilft bei mir, aber wir sind alle verschieden gestrickt, und Sie sollten daher das tun, was bei Ihnen wirkt. Wenn Sie sich besser fühlen, auf den Knien nach Lourdes zu pilgern, um die Füße Unserer Heiligen Mutter zu küssen, dann nichts wie hin!
Wie auch immer, irgendwie habe ich unlängst mein Studium in Achtsamkeitsbasierter Kognitiver Therapie (darf ich es von jetzt an MBCT nennen? Es ist mühsam, es dauernd auszuschreiben) mit einem Master abgeschlossen. Dies sind also die Gründe, warum ich ein Buch über MBCT schreibe.
Was findet sich zwischen den Klappendeckeln?
Kapitel 1: Warum fix & fertig? Nach all der menschlichen Evolution sind wir noch immer nicht perfekt. Auch wenn wir uns aufrecht fortbewegen und das Wunder vollbringen, selbst in Schuhen mit zwanzig Zentimeter hohen Absätzen nicht das Gleichgewicht zu verlieren, sind wir doch immer noch nicht ganz und gar gar.
In diesem Kapitel geht es um uns und die Frage, warum wir mit unserer Intelligenz noch immer nicht auf dem neuesten Stand sind.
Kapitel 2: Achtsamkeit: Wer? Was? Warum? Worum geht es eigentlich bei dieser sogenannten Achtsamkeit, und wozu soll sie gut sein? Was in unserem Kopf hält uns davon ab, den schwer definierbaren Zustand, den man »Glück« nennt, zu erleben.
Kapitel 3: Wie unser Gehirn funktioniert: Die wissenschaftlichen Grundlagen der Achtsamkeit In diesem Kapitel gebe ich damit an, wie...