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Förderung des lebenslangen Lernens im Kontext der Lissabon-Strategie

Das deutsche Bildungs- und Berufsbildungssystem im europäischen Ländervergleich

AutorChristina Meyer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl157 Seiten
ISBN9783638800716
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Pädagogik - Berufserziehung, Berufsbildung, Weiterbildung, Note: 1,0, Universität Lüneburg, 129 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Bildung steht in einem durchaus ambivalenten Verhältnis zu gesellschaftlichen Entwicklungen. Zum einen werden die Bildungsbereiche geprägt durch neue Werthaltungen und Bedürfnisse der Gesellschaft, zum anderen soll Bildung aber auch aktiv dazu beitragen, die Zukunft zu gestalten. Seit einigen Jahren werden im europäischen Diskurs verstärkt neue gesellschaftliche Entwicklungstendenzen diskutiert. Die erfolgreiche Bewältigung der so genannten 'neuen Herausforderungen' kann nur mit Hilfe der Bildung geschehen. Als besonders relevant wird innerhalb der EU der Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft angesehen. Die Realisierung dieses neuen Gesellschaftsmodells soll vor allem durch lebenslanges Lernen erfolgen. Damit ist die Implementierung des lebenslangen Lernens zu einem Querschnittsziel der EU-Aktivitäten geworden. Die Lissabon-Strategie der EU aus dem Jahre 2000 und das dazugehörige Arbeitsprogramm 2010 für die allgemeine und berufliche Bildung gelten als wichtiger Schritt in diese Richtung. Die bisherige Erfolgsbilanz fällt allerdings eher dürftig aus, kaum ein Benchmark scheint bis zum gesetzten Zeitpunkt im Jahre 2010 erreichbar. Laut den Zwischenberichten lassen sich große Defizite bei der Implementierung des lebenslangen Lernens verzeichnen. Auch das deutsche Bildungs- und Berufsbildungssystem schneidet schlecht ab. Die Zielvorgabe für lebenslanges Lernen, als Benchmark konkret durch die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen gemessen, wird nicht nur weit verfehlt, im Ländervergleich ist Deutschland sogar ein Schlusslicht in diesem elementaren Bereich der Lissabon-Strategie. Die Gründe hierfür und daraus resultierende Konsequenzen sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet werden. Ist das deutsche Bildungs- und Berufsbildungssystem wirklich 'schlechter' bei der Realisierung einer 'Wissensgesellschaft'? In welchem Ausmaß tragen methodische Aspekte zu diesem Ergebnis bei? Ist vielleicht die deutsche Konzeption des lebenslangen Lernens einfach nicht 'kompatibel' mit den quantifizierten Vorstellungen innerhalb der Lissabon-Strategie und führt daher zu einem schlechten Abschneiden? Welche bildungspolitischen Schlussfolgerungen sind aus den Ergebnissen letztendlich zu ziehen?

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Leseprobe

2. Lebenslanges Lernen: Theoretische und programmatische Implikationen


 

Um ein Verständnis der unterschiedlichen Konzeptionen und Strategien zur Implementierung des lebenslangen Lernens entwickeln zu können, soll zunächst ein Überblick über die diversen Theorie- und Praxisebenen des lebenslangen Lernens gegeben werden. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass sowohl die theoretischen Hintergründe des lebenslangen Lernens, als auch die programmatischen Ansätze und Analysen der bildungspolitischen Konzeptionen aus deutscher Sicht dargestellt werden. Insofern ist in den folgenden Ausführungen implizit immer die deutsche bildungstheoretische und –politische Perspektive enthalten. Das Begriffsverständnis des lebenslangen Lernens aus dieser nationalen Sichtweise, eingebettet in den kulturellen und historischen pädagogischen Kontext, wird auch die Basis für die Gegenüberstellung mit den Konzeptionen auf EU-Ebene bilden und einen wichtigen Faktor bei dem Vergleich der britischen Strategien zur Umsetzung einer „lernenden Gesellschaft“ darstellen.

 

2.1 Begriffsbestimmung „Lebenslanges Lernen“


 

2.1.1 Definitionen


 

Eine allgemeingültige Definition für „lebenslanges Lernen“ gibt es aufgrund der Komplexität dieses Begriffes nicht. Hinzu kommt, dass die Begrifflichkeit in der bildungspolitischen Diskussion zu einem Schlagwort geworden ist, dass nahezu in jeder Reformdebatte genannt werden „muss“. Ein theoretisches, umfassendes Konzept des lebenslangen Lernens fehlt dagegen bisher. Je nach Interessenschwerpunkt werden diverse Begriffseingrenzungen vorgenommen. Auch innerhalb der Nationalstaaten lassen sich unterschiedliche Definitionen bestimmen.

 

Die einzelnen Bestandteile des lebenslangen Lernens können wie folgt definiert werden:

 

Lernen lässt sich definieren als „die Veränderung von subjektiven Potentialen – das heißt von Mustern des Wahrnehmens und Deutens sowie der kognitiven und emotionalen Verarbeitung von (objektiven) Umweltbedingungen, weiterhin des hierauf bezogenen (reaktiven) Verhaltens und (aktiven sowie interaktiven) Handelns – angesichts von Gegebenheiten und Begebenheiten, die mit den verfügbaren Schemata, Mechanismen, Strategien und dergleichen nicht zufrieden stellend bewältigt werden können.“[3]

 

Lernprozesse können definiert werden als „Erwerb von Kenntnissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten sowie als Entwicklung von Emotionen, Interessen und Motivation, Wertvorstellungen und anderen Persönlichkeitsmerkmalen“[4]. Lernprozesse betreffen daher zum einen Handlungspotentiale, im sozialen und im gegenstandsbezogenen Bereich, als auch Basiskompetenzen und -orientierungen. Lernprozesse können intentional oder beiläufig erfolgen, formell oder informell sowie fremd- oder selbstgesteuert. Im Lebenslauf finden zwischen diesen Arten von Lernprozessen ständig Akzentverschiebungen statt.[5]

 

Das Adjektiv lebenslang bezieht sich auf die zeitliche Dimension des Lernens. Lebenslanges Lernen ist Lernen während der gesamten Lebensspanne. Wichtig ist in diesem Zusammenhag auch, dass eben nicht nur hintereinander und permanent gelernt werden soll, sondern dass die biografische Verknüpfung und Reflektion auf Seiten des Lerners von besonderer Relevanz für ein erfolgreiches „lebenslanges“ Lernen ist. [6]

 

Es wird im Kontext der Diskussion um lebenslanges Lernen auch für eine Veränderung der Lernkultur plädiert. Lernkultur kann definiert werden als „Basisrahmen von Werthaltungen zu Lernprozessen und den daran Beteiligten“.[7]

 

In Bezug auf das Konzept des lebenslangen Lernens werden drei Arten des Lernens unterschieden: das formale, das nicht-formale und das informelle.

 

Formales Lernen lässt sich definieren als „institutionell veranlasst, planmäßig strukturiert und mit anerkannten Abschluss versehen“[8].

 

Nicht-formales Lernen gilt als „Sammelbezeichnung für alle Formen des Lernens, die in der gesamten Umwelt außerhalb des formalisierten Bildungswesens stattfinden.“[9]

 

Informelles Lernen bezeichnet „Lernen, das in wechselnden Lebens- und Arbeitssituationen (..), offen, selbstbestimmt und praxisnah (…) aus reflektierender Erfahrungsverarbeitung stattfindet.“[10]

 

2.1.2 Funktionen des lebenslangen Lernens


 

Es können vier grundlegende Zwecke des lebenslangen Lernens unterschieden werden:

 

In vorherigen Bildungsprozessen Erreichtes soll weitergeführt werden.

 

Versäumtes soll nachgeholt werden.

 

Qualifikationen sind anzupassen, „überholte“ durch „neue“ zu ersetzen.

 

Lernkontingente werden auf mehrere Lebensphasen verteilt und sollen so Zeit für die grundlegende Bildung „einsparen“.[11]

 

Hier ist auch zu erkennen, dass nicht nur der technische und soziale Fortschritt eine Begründung für die Erfordernis von lebenslangem Lernen liefert, wie in den programmatischen Ansätzen so oft propagiert, sondern dass die Notwendigkeit lebenslangen Lernens „ebenso sehr Symptom und Ergebnis defizitärer, restriktiver oder verfehlter Gesellschafts-, Wirtschafts- und Bildungspolitik sein (kann).“[12]

 

2.1.3 Elemente des lebenslangen Lernens


 

Aus den Definitionen des lebenslangen Lernens wird ersichtlich, dass ein wichtiger Bestandteil die Verknüpfung der Lernprozesse aller Altersstufen ist. Lebenslanges Lernen „beinhaltet die Ausbildung in früher Kindheit, die Erstausbildung und das Lernen von Erwachsenen; es beschreibt nicht nur eine Kombination dieser drei Stufen, sondern auch ein Gesamtverständnis von Lernen, das alle drei umfasst.“[13] Die Grundlegungen im Kindes- und Jugendalter sind ebenso relevant wie die Weiterbildung. Aber auch die Förderung des Lernens im Rentenalter muss miteinbezogen werden.

 

Jede Phase ist geprägt durch unterschiedliche Schwerpunkte. So sind sowohl die Bildung im Kindes- und Jugendalter als auch die berufliche Erstausbildung geprägt von einer institutionalisierten und formalen Form des Lernens. Auf diesem Gebiet herrscht noch ein großer Forschungsbedarf bezogen auf das lebenslange Lernen vor. Eine Ausnahme bildet hier die Forschungsreihe von Wolfgang Lempert und Frank Achtenhagen. Die Relevanz ihrer Untersuchungen ergibt sich aus der Hypothese, dass die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in dieser Phase der schulischen bzw. vorschulischen Bildung als Grundstein für die spätere Bereitschaft und vor allem auch für die spätere Fähigkeit zum lebenslangen Lernen zu sehen sind. Es muss ein anschlussfähiges Lernen erfolgen, denn „Wissenslücken und Könnensdefizite vermögen das Weiterlernen massiv zu behindern.“[14] Die Ergebnisse sieht Lempert allerdings auch differenziert. Es ist noch unklar, in welchem Ausmaß das Kindes- und Jugendalter Einfluss auf das spätere Weiterlernen besitzt. Es liegen keine empirischen Beweise vor, in wie weit auch die aktuelle strukturelle Situation als Anstoß zu sehen ist. Es müsste untersucht werden, welche sozialen Bedingungen Lernprozesse bei Erwachsenen auslösen.[15]

 

Die nächste Phase des lebenslangen Lernens ist die Weiterbildung. Die berufliche Weiterbildung ist sowohl quantitativ als auch qualitativ ein sehr bedeutender Bestandteil des lebenslangen Lernens und hat daher in den meisten Konzeptionen einen sehr großen Stellenwert. Oft wird der Bereich der Weiterbildung sogar fast ausschließlich thematisiert und mit lebenslangem Lernen gleichgesetzt. Auch im Kontext der Lissabon-Strategie wird in diesem Feld der größte Handlungsbedarf für die Mitgliedstaaten gesehen.[16] Dennoch ist die Weiterbildung nicht mit lebenslangem Lernen gleichzusetzen, sondern nur ein (wichtiger) Teilbereich. Da lebenslanges Lernen in der Erwachsenenpädagogik schon länger von Bedeutung ist, sind hier bereits viele Forschungsfelder erschlossen worden und werden im Weiteren noch näher thematisiert.

 

Das lebenslange Lernen bezogen auf ältere Menschen ist dagegen kaum erforscht, wird aber durch den demografischen Wandel noch weiter an Bedeutung gewinnen. Es ist sowohl aus ökonomischer Sicht erforderlich, das nicht genutzte Potential dieses Klientels zu fördern, als auch aus gesellschaftlicher Sicht vorteilhaft. Die fehlende Berücksichtigung des Lernens älterer Arbeitnehmer und des Lernens im Rentenalter zeigt sich auch an der Teilnahmequote: diese Gruppe ist bisher stark unterrepräsentiert.[17]

 

Weitere Elemente des lebenslangen Lernens, die es zu berücksichtigen gilt,...

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