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Folgen von ungünstig ausgesteuerter und aggressiver personalisierter Werbung (Retargeting) im Internet - Folgen für Markenhersteller und Online-Shops

Retargeting als Marketing-Instrument im Internet - Chancen und Risiken

AutorDaniel Simovic
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl81 Seiten
ISBN9783656331865
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Public Relations, Werbung, Marketing, Social Media, Note: 1,0, , Veranstaltung: Medienmanagement, Sprache: Deutsch, Abstract: In der vorliegenden Bachelorarbeit geht es um Formen der Werbung im Internet mit einem speziellen Fokus auf personalisierter Werbung und dem Marketing-Instrument Retargeting. Anders als in den klassischen Medien können im Internet Marketing- Kampagnen umgesetzt werden, die einen direkten Kontakt zum Käuferpotential herstellen. Gerade im Internet aber erhält der Verbraucher heute sehr viele Werbebotschaften, so dass Instrumente zur Individualisierung des Online-Marketing entwickelt werden, mittels derer die potentielle Kundschaft sich persönlich angesprochen fühlen und die seitens der Werbetreibenden beabsichtigte Interaktion, im Idealfall die umgehende Konversion zum aktiven Kunden, vollziehen soll. In diesen Fällen spricht man von personalisierter Werbung und von Targeting oder auch von Targeted Advertising.

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Leseprobe

3. Werbepsychologie


 

Im Gabler Wirtschaftslexikon wird Werbepsychologie von Esch definiert als eine Disziplin der Markt- und Konsumpsychologie, die Bedingungen und Konsequenzen von Kommunikationsstrategien erforscht sowie Informationen darüber bereitstellt. Mit überwiegend empirischen Methoden werden Fragestellungen untersucht, die von der Identifizierung relevanter Verhaltensebenen des Menschen über inhaltliche und formale Gestaltung von Werbung bis hin zu Kommunikationsprozessen reichen.[55]

 

3.1 Werbewahrnehmungsforschung


 

Die komplexen Prozesse der menschlichen Wahrnehmung, die für die Werbe- und Konsumentenpsychologie von grundlegender Bedeutung sind, können im Rahmen dieser Arbeit nur angedeutet werden. Im Kern geht es bei dem Prozess der Wahrnehmung um den Transfer von Reizen der Außenwelt in Sinnesempfindungen.[56] Der Körper muss  „mit seinen Sinneszellen körperfremde physikalische Reize in körpereigene physiologische Energie“ umwandeln und aus dieser physiologischen Energie „psychologisch gehaltvolle Größen, Empfindungen“ erzeugen.[57] Somit besteht der Wahrnehmungsprozess wesentlich aus drei Komponenten:

 

1. physikalischen mit Bezug auf beispielsweise Licht, Schall oder Frequenzen

2. physiologischen mit Bezug auf die Tätigkeit der Nervenzellen

3. psychologischen mit Bezug auf die Empfindungen von Sinneseindrücken[58]

 

Aus psychologischer Sicht wird begründet, dass nicht alles, was physikalisch messbar ist, auch zu Empfindungen führt. Berücksichtigt werden müssen zunächst Reiz- oder  Empfindungsschwellen. Die absolute Reiz- oder Empfindungsschwelle wird definiert als diejenige Intensität eines Reizes, bei der sinnliche Wahrnehmung überhaupt erst möglich und damit auch messbar wird. Ergebnisse aus empirischen Studien fielen je nach Sensibilität von Testpersonen unterschiedlich aus.[59]

 

Der für die Werbung vermutlich wichtigste Sinn ist der Gesichtssinn: „Objektiv ist die überwiegende Menge an aufgenommener und verarbeiteter Information visueller Natur.“[60] Bei der visuellen Wahrnehmung können psychologische Gestaltprinzipien differenziert werden. Grundsätzlich gilt für die Gestaltwahrnehmung, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Dies führt zu der Vorstellung von einer insgesamt „guten Gestalt“ und von einem menschlichen Grundbedürfnis nach Ordnung, Prägnanz, Einklang, Harmonie oder sinnvoller Form. Die Gestalt lässt sich nicht auf die Einzelteile eines komplexen Reizes reduzieren[61]:

 

Reize und Reizgruppen, die eine „gute Gestalt“ aufweisen, sind beim Rezipienten stets im Vorteil: Sie werden schneller wahrgenommen, identifiziert und prägen sich leichter ein. Reize, die gegen die Gesetze der Gestaltwahrnehmung verstoßen, können nicht leicht mit Zuwendung rechnen, vor allem weil der Wahrnehmungsaufwand höher ist.[62]

 

Zu den Prinzipien der Gestaltwahrnehmung gehören:

 

Figur und Grund: Eine Szene oder ein Bild werden bei der Wahrnehmung in Figur und Grund eingeteilt. Die Figur wird als das zentrale Moment identifiziert, das prägnante Konturen hat und hervorsticht. Der Grund hingegen ist das, wovon es sich abhebt, der Hintergrund.  An der Austauschbarkeit von Figur und Grund besteht in der Werbepraxis selten Interesse, denn auf diese Weise entstehen Suchbilder, die erst nach längerem Betrachten ihren Sinn offenbaren und kaum die berühmten zwei Sekunden der Aufmerksamkeit überleben werden, die der Betrachter einer Werbeanzeige in der Regel schenkt.

 

Ähnlichkeit: Ähnliche Figuren (dies können auch synchrone Bewegungen sein) werden als zusammengehörig wahrgenommen.

 

Geschlossenheit: Figuren werden vornehmlich als Ganzes wahrgenommen, denn die „gute Gestalt“ ist vollständig. Lückenhafte Figuren werden durchaus ohne Lücken wahrgenommen, Wahrnehmungsbilder so organisiert, dass möglichst alle Wahrnehmungseindrücke „ohne Rest“ verarbeitet werden.

 

Nähe: Das Gesetz der Nähe, nach dem als zusammengehörig gesehen wird, was nahe beieinander steht, ist so stark, dass es sich gegen andere Wahrnehmungsgewohnheiten durchsetzen kann. Es wird in der Anzeigenwerbung angewendet, indem Slogans und Behauptungen über das Produkt möglichst nah am Produkt platziert werden.

 

Kontinuität: Verschiedene räumlich oder zeitlich aufeinanderfolgende Wahrnehmungseindrücke werden tendenziell als aufeinander bezogen und als sinnvolles Ganzes erlebt. So werden beispielsweise bei der Filmprojektion diskontinuierliche visuelle Stimulationen als Bewegungsfluss wahrgenommen.

 

Erfahrung und Erwartung: Was individuell als „gute Gestalt“ wahrgenommen wird, ist abhängig von subjektiver Erfahrung und Erwartung. Die Wahrnehmung eines Objekts erfolgt in einem Erfahrungskontext. [63]

 

Nicht nur die visuellen Sinneseindrücke werden in der Werbewahrnehmungsforschung untersucht, sondern ebenso die akustischen, die taktilen und die über den Geruchssinn vermittelten. Im Zusammenhang von personalisierter Werbung im Internet und Retargeting spielen diese Sinneseindrücke kaum eine Rolle, so dass hier nicht näher darauf eingegangen wird. Wichtig ist für die Werbung im Allgemeinen ein Wissen um das Zusammenspiel der Sinne, um den Effekt der Synästhesie bzw. der Multisensualität von Produkterlebnissen. Dabei kommt Wahrnehmung nicht ohne den konstruktiven Anteil des Wahrnehmenden aus, der wesentlich durch seine Erwartungen und Einstellungen geprägt wird.[64]

 

Wahrnehmung ist ein Phänomen, das ohne Aufmerksamkeit nicht funktioniert. In der Werbepsychologie ist Umgang bzw. Steuerung bis hin zur Manipulation von Aufmerksamkeit deshalb von zentraler Bedeutung. Die Aufmerksamkeit gilt prinzipiell als begrenzt:

 

Aufmerksam sein heißt gerade, dass [sic!] man die Menge der verarbeiteten Informationen gegenüber der Menge der verfügbaren Informationen klein hält. Sind wir aufmerksam, dann sind wir zwar einerseits besonders offen für bestimmte Stimuli, aber gleichzeitig verengt sich auch unsere Aufnahmebereitschaft für andere Reize. Diese Doppelfunktion der Aufmerksamkeit ist wichtig, denn an ihr hängen auch zwei unterschiedliche, aber gleichermaßen wichtige Prozesse. Einerseits nämlich wird bei erhöhter Aufmerksamkeit ein bestimmter Bereich der Informationsverarbeitung besonders aktiviert, andererseits werden aber auch andere Informationsverarbeitungs-kanäle und andere Inhalte gezielt unterdrückt.[65]

 

Ein wichtiger Begriff in der Beurteilung von Werbewirkung ist das sogenannte Involvement, das als eine Art von Aufmerksamkeit bestimmt werden kann. Ein mittleres Aufmerksamkeitsniveau gilt nach Felser als optimale Voraussetzung für eine Einstellungsänderung, da auf dieser Ebene Gegenargumente weniger leicht aktualisiert werden.[66] Unter Verweis auf Tavassoli, Shultz und Fitzsimons (1995) erklärt Felser weiter, dass Werbung, die nur mit einem mittleren Involvement rezipiert werde, effektiver wirke als Werbung, bei der das Involvement hoch sei.[67] Zudem erlaube eine ZDF-Studie aus dem Jahre 1988 zur Wirksamkeit von Werbesendungen im TV die Schlussfolgerung, dass ablenkende Beschäftigungen die Werbewirkung keinesfalls beeinträchtigen.[68] Eine Darbietung, die eher beiläufig bemerkt wird, löst in der Regel weniger Widerstände gegen die Beeinflussung aus. Häufig enthält die Werbebotschaft selbst bereits gewisse ablenkende Reize in Form von Erotik, Musik, Bildern oder irrelevanten Zusatzinformationen.[69]

 

Die Aufmerksamkeit ist begrenzt nicht nur im Hinblick auf die Menge der aufgenommenen Informationen, sondern auch über die Zeit: Wurde bereits sehr viel Werbung über einen längeren Zeitraum rezipiert, sinkt die Aufmerksamkeit und infolgedessen auch der Effekt auf Gedächtnis und Einstellungen.[70] Bei Felser bleibt offen, inwieweit  die Beschränkung der Aufmerksamkeit die psychologischen Prozesse beeinflusst, die bei der weiteren Verarbeitung von Reizen ablaufen, und wie sich Kapazitäts-beschränkungen auf die Informationsverarbeitung auswirken.[71]

 

3.2 Klassische Werbewahrnehmung adaptiert auf das Internet


 

In der Fachliteratur wird einerseits häufig die Aussage getroffen, dass Werbung im Internet von den Nutzern weitgehend begrüßt und nicht als störend empfunden werde[72], andererseits wird auch eine sogenannte Banner-Blindheit erwähnt:

 

Im Prinzip geht es darum, dass Benutzer Werbebanner oder werbeähnliche Elemente ausblenden und ihnen keine Beachtung schenken, sie also ignorieren. Denn Banner können den Betrachter von seiner eigentlichen Intention des Website-Besuchs ablenken und in einigen Fällen verärgern. Studien belegen, dass...

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