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Ausrüstung für Tierfotografie
Welche Kamera soll es sein? Welches Objektiv deckt die Bedürfnisse eines Tierfotografen am besten ab? Und was davon ist wichtiger? Im Internet findet man viele Weisheiten zur Wahl der richtigen Technik und wird aus dem Überangebot doch nicht schlau. Zwanzig Leute präsentieren zwanzig verschiedene Meinungen und Erfahrungen. Ich möchte meine Vorgehensweise vorstellen.
ANFORDERUNGEN AN DIE KAMERA
Verfolgt man die rasante Entwicklung der Fototechnik, weiß man gar nicht mehr, ob die technische Weltneuheit von heute schon am nächsten Tag als prähistorisches Urzeitwerkzeug eingestuft wird. Der Kameramarkt pulsiert und wird in den nächsten Jahren noch einige neue Stufen erklimmen, wenn man allein schon an die Entwicklung der 3-D-Fotografie denkt. Davon sollten Sie sich jedoch nicht abschrecken lassen. Für jeden Bereich gibt es bestimmte Richtwerte bzw. technische Faktoren, die wichtiger sind als für andere Sparten der Fotografie. Vermutlich werden Sie zunächst mit der Frage konfrontiert sein, ob eine einfache Digitalkamera ausreichend ist, ob Sie in eine hochwertige digitale Spiegelreflexkamera investieren sollten oder ob der Mittelweg mit dem Kauf einer Bridgekamera nicht auch eine gute Lösung wäre.
Spiegellos oder Spiegelreflex?
Aber um ganz ehrlich zu sein: Ambitionierte Tierfotografie auf hohem Niveau ist mit einer normalen Kompaktkamera nur schwer umzusetzen. Lassen Sie sich nicht von extrem hohen Megapixelzahlen oder einem Zoombereich von hier bis zum Mars irritieren und ins Bockshorn jagen. Sicher braucht ein gutes Auge keine Hightechkamera, denn schließlich macht der Fotograf das Bild und nicht die Technik.
Ich verspreche Ihnen aber, dass Sie ganz schnell an die Grenzen der Kompakten stoßen werden, unzufrieden sind und mehr wollen. Eine Kompaktkamera wird Ihnen keine schönen Bokehs zaubern können, in schwierigen Lichtverhältnissen hoffnungslos überfordert sein und bei dem Anspruch an scharfe Bewegungsbilder versagen.
Ich möchte an dieser Stelle kein Gerät schlechtreden. Sicherlich hat eine Kompaktkamera ihre Daseinsberechtigung und deckt das Bedürfnis derer ab, die eine Möglichkeit haben möchten, schnell und einfach Urlaubsimpressionen oder Erinnerungsfotos von Feierlichkeiten anzufertigen, ohne dafür ein halbes Vermögen in teure Kameratechnik investiert und 20 Fotobücher studiert haben zu müssen. Sie wollen aber mehr. Sonst hätten Sie dieses Buch wahrscheinlich nicht gekauft.
Die Gattung der spiegellosen Systemkameras, kurz DSLM (Digital Single Lens Mirrorless) hat sich neben den Spiegelreflexkameras als ernst zu nehmende Alternative für Fotoenthusiasten und Profis etabliert. Durch das Weglassen des Spiegels ist das Kameragehäuse wesentlich kleiner und leichter als das einer Spiegelreflexkamera. Statt eines Spiegels nutzen sie zur Fokussierung und Belichtung das Signal des Bildsensors.
200 mm :: f/4,0 :: 1/1000 s :: ISO 500
BOKEH
Der Begriff »Boke« kommt aus dem Japanischen und bedeutet »unscharf«, »verschwommen«. Er bezeichnet die Darstellung von Bildelementen, die nicht in der Schärfeebene liegen und damit unscharf wiedergegeben werden. Fotografieren Sie dazu mit offener Blende und fokussieren Sie auf ein Motiv im Vordergrund. Im Hintergrund sollten im Idealfall Lichtreflexe oder Spitzlichter zu sehen sein, die unscharfe Flecken auf dem Bild produzieren. Je nach Objektivkonstruktion und Blendenöffnung ist das Bokeh mal eckiger, mal runder, mal härter, mal weicher. Mal sind unscharfe Kreisflächen fast farblos, manchmal schimmern sie farbig. Wie auch immer unscharfe Bereiche außerhalb des Fokus aussehen, das Bokeh ist keine feste, messbare Größe, sondern wird subjektiv wahrgenommen.
DSLM-Geräteklasse: Die beliebte und vielfach ausgezeichnete Sony a6500 mit APS-C-Sensor.
In Sachen Bildqualität stehen die meisten Spiegellosen der Konkurrenz aus dem Spiegelreflexlager in nichts nach, und das Angebot an Objektiven ist genauso groß wie im DSLR-Kamerasegment. Mehr und mehr Profifotografen entdecken die Spiegellosen für sich und setzen sie parallel zu ihren Spiegelreflexboliden ein. Fujifilm und Sony im APS-C-Segment sowie Olympus und Panasonic im Micro-Four-Thirds-Segment bilden die Speerspitze und nutzen konsequent aus, was das Grundprinzip dieser Geräteklasse zu bieten hat.
Die »Digital Single Lence Reflex Camera«, kurz DSLR oder zu Deutsch digitale Spiegelreflexkamera, ist meiner Meinung nach die geeignetste Kamera für die Haustierfotografie im Outdoorbereich. Hier gibt es Einsteigerklassen, die sogar Vollautomatikprogramme bereithalten, aber eben auch Kameras für Fortgeschrittene und Profis sowie zusätzlich ein weites Feld an Wechselobjektiven, die fast alle Wünsche abdecken.
DSLM-Geräteklasse: Die neue Panasonic LUMIX GX9 mit MFT-Sensor.
DSLR-Geräteklasse: Die Canon EOS 80D, ein Spiegelreflex-Kandidat für schnelle Action-Fotos..
Hauptvorteil einer DSLR ist das hohe Maß an Flexibilität, da Sie die Kamera manuell an fast jede Situation anpassen können. Sie werden zwar auch hier an technische Grenzen stoßen, diese sind aber im Allgemeinen nicht so schnell erreicht wie mit anderen Kameratypen. Zudem sind die Objektive austauschbar und können an verschiedenen Bodys der gleichen Marke verwendet werden.
WAS DIE KAMERA KÖNNEN MUSS
Schnelle Bewegungen, Fluchtreaktionen, zu wenig oder zu viel Licht, ein unpassender Hintergrund, dazu technische Probleme mit dem Autofokus – es gibt viel zu beachten.
Schnelle Reihenaufnahmen
Tiere in Action können verdammt schnell sein. Manchmal schlagen sie unvorhergesehene Haken oder springen über die Wiese. Ihre Kamera muss also vor allem beim Tempo mithalten können. Mit Schnelligkeit meine ich in diesem Fall nicht die Verschlusszeit. Meine erste Einsteiger-DSLR-Kamera bot als kürzeste Verschlusszeit 1/4000 Sekunde, und das war völlig ausreichend. Mit Schnelligkeit beziehe ich mich auf die Serienbildgeschwindigkeit bzw. die Anzahl der Bilder, die in einer Reihe gemacht werden können.
Meine alte Kamera hat vier Bilder pro Sekunde geschafft bei etwa 50 JPEGDateien bzw. sechs RAW-Dateien in Folge. Nach den sechs RAWs musste die Kamera erst einmal speichern. Das hat gedauert, während das munter tobende Pferd auf der Weide bei seiner Inszenierung nicht auf die Kamera wartete und einfach mit der Show weitermachte, ohne dass ich das Spektakel aufnehmen konnte.
Man lernt mit einer langsameren Kamera natürlich recht schnell, die Bewegung und das Vorhaben eines Tieres zu erahnen, und drückt gezielter ab, aber hier und da gehen einem doch bestimmte Momente verloren, wenn die Kamera langsam arbeitet. Daher mein Tipp: Achten Sie auf den Wert der Reihenaufnahmen und vergleichen Sie diesen mit den anderen DSLR-Kameras auf Ihrer Auswahlliste.
Intelligente AF-Messfeldmethoden
Unmittelbar im Zusammenhang mit der Schnelligkeit der Kamera stehen auch die AF-Messfelder. Das sind Sensoren, die beim ausgewählten AF-Messfeldpunkt mithilfe bestimmter Verfahren den gewünschten Punkt bei der Autofokusfunktion anfokussieren. Heute sind selbst bei Einsteiger-DSLRs die AF-Messfelder relativ gut und technisch ausgeklügelt. Je mehr AF-Messfelder zur Verfügung stehen, desto besser ist es, da Sie dann an mehreren Stellen im Sucher fokussieren können und freier in der Bildgestaltung sind.
Günstigere Kameras haben in der Regel bei schlechten Lichtverhältnissen mehr Probleme beim Fokussieren und Messen. Dies sollte jedoch kein absolutes K.-O.-Kriterium sein. Einen Teil der Fokussierarbeit muss das Objektiv übernehmen. Es spielt mit seinem AF-Motor eine nicht ganz unwesentliche Rolle bei der Schnelligkeit des Scharfstellens.
Wenig Rauschen bei hoher ISO
Das Rauschverhalten ist für viele ein wichtiger Punkt. Nicht immer scheint die Sonne, und man möchte z. B. ein dunkles Tier bei schlechten Lichtverhältnissen fotografieren. Ist das Rauschverhalten einer Kamera nicht besonders großzügig, wird das Bild unter diesen Voraussetzungen »grisselig«. ISO bzw. ASA ist der Indikator für die Lichtempfindlichkeit eines analogen Films. Je höher die Filmempfindlichkeit, desto weniger Licht ist vonnöten. Allerdings wird das Bild am Ende der analogen Filmentwicklung auch körniger.
In der digitalen Welt ist es nicht anders: Je höher der ISO-Wert, desto höher ist die Lichtempfindlichkeit auf dem Sensor und demzufolge das Pixelrauschen. Das Rauschverhalten Ihrer favorisierten Kamera können Sie meistens im Internet mit den Kameras anderer Hersteller vergleichen und sich ein Urteil bilden. Zu jedem meiner Bilder...