Einleitung
Was unterscheidet Finanzkrisen von Frauen in Führungspositionen? Von Ersteren gibt es weltweit zu viele, von Letzteren zu wenige. Besteht da ein Zusammenhang?
»Mit Frauen an den Bankenspitzen wäre es nie so weit gekommen.« Das Zitat der damaligen Vorsitzenden der Britischen Labour-Partei und Frauenministerin, Harriet Harmann, ging um die Welt, als 2007/2008 die Finanz- und Wirtschaftskrise ausbrach. Schnell schien der globale Super-GAU überwunden und an den Börsen herrschte wieder Business as usual. Zu früh gefreut. Erst mussten die Banken gerettet werden, dann Unternehmen und jetzt ganze Staaten. Dass Deutschland dabei noch relativ glimpflich aus dem Schlamassel herausgekommen ist, lässt sich kaum leugnen, genauso wenig wie die Tatsache, dass hierzulande eine Frau das Zepter in der Hand hält, auch wenn an Angela Merkels Führungsstil gerne herumgemäkelt wird. Und Island? Die kleine Atlantikinsel stand am Rande eines Staatsbankrotts. Seit Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir am Ruder ist, hat sie sich einigermaßen erholt.
Zwei Einzelfälle, werden die Weltökonomen jetzt einwenden. Daraus kann man keine Kausalität ableiten. Das will ich auch nicht. Ich kenne den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität. Ein simples Beispiel: Wenn die Sonne lacht, tragen viele Menschen Sonnenbrillen. Bei schlechtem Wetter können noch so viele Menschen mit Sonnenbrillen herumlaufen, die Sonne bleibt unbeeindruckt. Machen Sie gerne das Experiment, über Facebook lässt sich das sicherlich leicht organisieren.
Dann sind da natürlich noch Studien wie beispielsweise die viel zitierte Women matter von McKinsey: Unternehmen mit mehr als drei Frauen im Vorstand sollen eine bis zu 48 Prozent höhere Eigenkapitalrendite erwirtschaften. Wenn das nicht ein Pfund ist. Um es auf den Punkt zu bringen: Studien weisen eine positive Korrelation zwischen Frauen an der Unternehmensspitze und der Rendite auf. Der einfache Umkehrschluss oder eine Kausalität wie »Mit mehr als drei Frauen an der Spitze steigt automatisch die Rendite« lässt sich damit nicht belegen. Genauso wenig wie die schlichte Schlussfolgerung: Zu viele Männer sind schlecht fürs Geschäft. Wenn es so einfach wäre …
Die Hürde für Frauen ist nicht das Reinkommen, die Hürde ist das Hochkommen
Einfach ist es nicht, das haben wir in den vergangenen drei Jahrzehnten erlebt. Als Anfang der Neunziger meine Karriere in Schwung kam, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass wir uns zwanzig Jahre später überhaupt noch mit dem Thema Frauen – oder besser: immer noch (!) zu wenige Frauen – in Führungspositionen beschäftigen würden. Damals standen nahezu alle Zeichen auf Durchbruch. Heute wissen wir längst: Aus Einstieg lässt sich nicht automatisch Aufstieg ableiten. Die Hürde für Frauen ist nicht das Reinkommen, die Hürde ist das Hochkommen.
Das ist kein rein deutsches Phänomen. Auch wenn Frauen in den USA die weltweit besten Chancen auf einen Vorstandssessel haben, heißt dort die nüchterne Feststellung: »We are far away from parity on boards« (Marie Wilson, Präsidentin der Ms. Foundation for Women und Initiatorin von »Take Our Daughters to Work-Day«). Und das trotz massiver Förderprogramme und immensem öffentlichen Druck auf Unternehmen, Frauen in Führungspositionen zu berufen.
Der Weg ist steinig und der Schritt ins Topmanagement für Frauen nach wie vor der schwierigste. Dieses Buch und die Autorin nehmen nicht für sich in Anspruch, die einzig mögliche und vielleicht noch dazu einfache Antwort oder die wahren Gründe zu liefern. Die kann es in dieser sowohl komplexen wie individuellen Angelegenheit auch gar nicht geben. Vielmehr will dieses Buch die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, Anregungen und Praxiserfahrungen zeigen. In diesem Sinne ist das Buch, das Sie in der Hand halten, kein Ratgeber, sondern ein Opinion Book. Wenn Sie – Frauen, Männer, Managerinnen, Manager, Unternehmerinnen und Unternehmer – daraus den einen oder anderen Anstoß für Ihren Alltag finden und umsetzen, umso besser.
Bequem ist das Bekenntnis für mehr Frauen nicht
Was treibt Unternehmen und vor allem Unternehmenslenker, die sich das – zurzeit todschicke – Thema »Frauen in Führungspositionen« auf die Agenda geschrieben haben und es generalstabsmäßig verfolgen? Allen voran den Chef der Deutschen Telekom AG, René Obermann, und seinen Nicht-mehr-Personalvorstand Thomas Sattelberger, die mit ihrem Frauen-Masterplan bis Ende 2015 dreißig Prozent der mittleren und oberen Führungspositionen im Unternehmen mit Frauen besetzen wollen. Endlich ein Mann, nein, sogar zwei Männer, die die Sache in die Hand nehmen.
Tone from the Top
Denn es ist längst nicht egal, wer was sagt in Unternehmen.
GUTER GEDANKE:
»Wir haben die Beharrungskraft eingefahrener Mentalitäten und etablierter Netzwerke in der Vergangenheit unterschätzt.«
RENÉ OBERMANN1*, Vorstandschef der Deutschen Telekom AG
»Ich bin überzeugt, Frauen allein können das nicht schaffen. Veränderung können nur die Mächtigen herbeiführen.«
THOMAS SATTELBERGER2, Ex-Personalvorstand Deutsche Telekom AG
Zwei Männer, die mit der Forderung nach der Frauenquote eine Lawine losgetreten haben, auch auf die Gefahr hin, sich bei den eigenen Geschlechtsgenossen lächerlich oder unbeliebt zu machen und den Organisationsfrieden aufs Spiel zu setzen.
Ganz gleich, wie man zur Quote steht, mutig ist das, und ob frauenförderliche Unternehmensführung den Marktwert eines CEOs steigert oder schmälert, sei dahingestellt. Wird nicht schon genug darauf geguckt, ob eine Entscheidung Vor- oder Nachteile für die eigene Karriere mit sich bringt? Wird nicht viel zu oft gefragt »Was ist gut für mich?« statt »Was ist gut fürs Unternehmen?«?
Gut gemischte Topmanagement-Teams statt Closed Shop
Wer jetzt wieder unkt: War doch klar, am Ende müssen es die Männer richten, weil Frauen das jahrzehntelang nicht hingekriegt haben, faul oder feige sind, soll sich bitte die Fakten ansehen: 97 Prozent der Topentscheider in der deutschen Wirtschaft sind Männer. Apropos Faulheit, Feigheit oder Dämlichkeit. Dass Frauen so etwas anderen Frauen vorwerfen, finde ich fürchterlich. Bei der Faktenlage liegt es doch auf der Hand, dass in erster Line dieser Herrenclub die tradierten Strukturen und die gefährliche Gruppenbildung aufbrechen und die Türen für Frauen öffnen muss. Und nicht nur einen Spalt, sondern jetzt bitte den Durchgang zum Boardroom weit aufreißen, gut durchlüften und Frauen im Topmanagement mitmischen lassen. Aus der geschlossenen Gesellschaft eine gut gemischte machen. Es gab schließlich noch nie so viel weibliches Führungspotenzial und -personal wie heute. Das Argument »Frauen wollen nicht« zieht nun wirklich nicht mehr. Auch die neueste Ausrede, »Wir hätten ja so gerne mehr Frauen in der Führung, aber wir finden keine«, klingt fad. Vielleicht liegt es an der Brille, mit der gesucht wird.
Gute Chancen für Frauen
Bedeutet »besser« im Job eigentlich immer gleich mehr Gewinn oder Rendite? Muss es immer höher, weiter, schneller sein? Vor der Ernennung der Ebay-Gründerin Meg Whitman zur neuen Vorstandschefin von HP wurde in den USA öffentlich diskutiert, ob sie die richtigen Erfahrungen mitbringe. Nicht weil sie eine Frau ist. Nein, weil ihr zwar zugetraut wurde, kleine Unternehmen groß zu machen, aber ob sie einen großen Konzern noch größer machen kann, daran hatte Corporate America seine Zweifel. Am Tag ihrer Ernennung zur Konzernchefin zog der Aktienkurs von HP sofort an, die Aktionäre trauen ihr einiges zu.
Zudem sei die Frage erlaubt, wieso Frauen nun wieder gleich mehr leisten und erfolgreicher sein müssen, wenn sie auf den Chefsessel wollen oder sollen. Ist männliches Normalmaß zu wenig? Weibliche Führungskräfte sind keine Wunderwaffe, aber vielleicht ein Gewinn für alle Beteiligten. Wie das gelingt, wie Frauen sich aufstiegsfähig machen, darum geht es in diesem Buch. Dafür habe ich mit Frauen und Männern gesprochen, mit gestandenen Leadern genauso wie mit jungen Führungskräften, mit Müttern und Familienvätern, mit Praktikern und Experten, denen ich an dieser Stelle nochmals herzlich für ihre Inspirationen danken möchte. Einige ließ das Thema kalt, andere konterten mit dem Allzweckslogan »TINA« (»There is no alternative«) – »alternativlos« erlebt gerade sein großes politisches Revival. Maggie Thatcher lässt grüßen. Und die stellte schon früh fest: »Wenn Sie in der Politik etwas gesagt haben wollen, wenden Sie sich an einen Mann. Wenn...