2.Sie stören beim Hören
»Man muss gut zuhören können,
wenn man Mitarbeiter motivieren will.«
LEE IACOCCA
Wie man in den Wald hineinruft …
Bitte lesen Sie folgenden Absatz aus dem Buch Orator von Cicero laut oder lassen Sie einen anderen vorlesen:
»Du fragst also – und das schon recht häufig –, welchem Redestil ich wohl am meisten Beifall schenke, welcher Art meiner Meinung nach der Stil ist, dem nichts mehr hinzugefügt werden kann, welchen ich also für den höchsten und vollkommensten erkläre. Dabei hege ich nun allerdings die Befürchtung, ich könnte, wenn ich deinem Wunsche willfahren und den von dir gesuchten Redner darstelle, den Eifer vieler lähmen, die in ihrer Hoffnungslosigkeit entmutigt, etwas gar nicht mehr erst versuchen wollen, das erreichen zu können, sie sich nicht zutrauen. Doch ist es billig, dass alle diejenigen alle Versuche unternehmen, welche große und erstrebenswerte Ziele anstreben.«
Schwierig formuliert –
schlecht
verstanden
Haben Sie zugehört? Haben Sie das verstanden, was Sie gelesen haben oder was Ihnen vorgelesen wurde? Ich glaube nicht. Bitte versuchen Sie, sich an den Inhalt des Abschnitts, den zu lesen weniger als eine Minute dauerte, zu erinnern. Wahrscheinlich können Sie das nicht, und das aus folgendem Grund: Der Sinn des Textes ist sehr schwer zu verstehen, denn der Text wurde kompliziert, also schwer verständlich formuliert. Die meisten Zuhörer lasten das dem Sprecher an und empfinden das Gehörte negativ. Ihr Unvermögen (und Ihre Unlust!), diesem Text zuzuhören, liegt also nicht an Ihnen als Zuhörer, sondern es liegt am Text selbst und wahrscheinlich auch an der Art, wie dieser Text vorgelesen, also gesprochen wurde. So geht es uns allen mit allen Texten dieser Art.
Es ist unbestritten, ich sagte es schon, dass man einem Menschen, der sympathisch wirkt, den man gut leiden mag, den man achtet, den man für kompetent hält, lieber zuhört als jemandem, über den man sich ärgert, den man vielleicht sogar nicht ausstehen kann. Und Zuhören ist nun einmal die Voraussetzung für den Erfolg jedes Gesprächs oder Vortrags. Denn wenn Ihr Partner Ihnen nicht zuhört, können Sie ihn auch nicht überzeugen. Er hört Ihnen nicht richtig zu, wenn er Sie unsympathisch findet. Und er empfindet Sie als unsympathisch, wenn Sie sich partnerfeindlich, also schwer verständlich ausdrücken. Und er empfindet Sie als partnerfeindlich, wenn Sie seine Meinung nicht respektieren, nicht ernst nehmen.
Als ebenso partnerfeindlich empfindet Ihr Zuhörer Sie, wenn ihn an der Art und Weise, wie Sie auftreten, aussehen, sprechen und sich darstellen (Ihre Persönlichkeit), etwas stört. Weitere Ursachen für fehlende Zuhörbereitschaft eines Gesprächspartners (der dann, wenn er nicht zuhört, kein Partner mehr ist) können sein:
• Wenn Sie nicht zuhören,
• wenn Sie partnerfeindlich formulieren (»Nimm dich mal zusammen, so kannst du das nicht machen …«; »Du lügst …«; »Da haben Sie mal wieder nicht nachgedacht …« usw.)
• wenn die Atmosphäre aggressiv wird, was ja oft der Fall ist, wenn ein Gespräch kontrovers verläuft und wenn sich ein Partner (oder auch beide) in irgendeiner Weise partnerfeindlich verhält.
Wenn diejenigen, von denen Sie etwas wollen, Ihnen nicht zuhören, ist Ihre ganze Mühe umsonst. Dann könnten Sie ebenso gut den Mund halten. Denken Sie an die beiden Ziele, die Sie erreichen müssen:
1. Zuhörziel: Möglichst viele sollen zuhören.
2. Inhaltsziel: Möglichst viele sollen den Inhalt verstehen und bejahen.
Die Zuhörbereitschaft
erhöhen durch
partnerfreundliches
Sprechen
Die Zuhörbereitschaft Ihrer Partner ist ganz unterschiedlich – was weitgehend von Ihnen als Sprecher abhängt. Sie kann reichen von »Null Bock« bis zu »Das will ich unbedingt hören!«. Wie erreichen Sie nun diesen guten Willen derjenigen, zu denen Sie sprechen, Ihnen zuzuhören? Durch Ihr partnerfreundliches Verhalten. Sie selbst müssen sich den Hörern, zum Beispiel Ihren Mitarbeitern, so angenehm, vorteilhaft und Sympathie erweckend wie nur möglich präsentieren, partnerfreundlich nämlich. Nur so können Sie Störungen der Zuhörbereitschaft minimieren, die durch Ihre Person, durch das, was Sie sagen, also den Inhalt, dadurch, wie Sie es sagen, also Formulierung und Ton, sowie Ihr Verhalten hervorgerufen werden können.
Sie gewinnen durch partnerfreundliches Sprechen nicht nur das Ohr, sondern auch das Wohlwollen Ihrer Zuhörer und Gesprächspartner. Und Sie erhalten dadurch – was nicht zu unterschätzen ist – einen merklichen Autoritätszuwachs.
Es geht beim partnerfreundlichen Sprechen darum, die Hörer dauerhaft »bei der Stange« zu halten, deren Zuhörbereitschaft aufrechtzuerhalten. Kommunikationsstörungen verhindern nicht nur, dass Sie Ihre inhaltlichen Ziele erreichen, sie bergen auch eine große Gefahr für die Entwicklung der Beziehungsebene. Warum? Weil das Zuhören anstrengend wird (was dann schließlich zum Abschalten führt) und das den Zuhörer (unbewusst) ärgert, denn fast niemand strengt sich gerne an.
Störungen der Zuhörbereitschaft können Sie sich nicht leisten, wenn Sie Ihr Anliegen durchsetzen wollen. Mögliche Störungen dieser Art können dadurch bedingt sein, dass die Hörer
• Ihre Ausführungen als unangenehm aggressiv empfinden,
• Sie nicht leiden können,
• den Klang Ihrer Stimme nicht mögen,
• Ihre Formulierungen langweilig finden,
• Ihr Aussehen als befremdlich erleben,
• Sie akustisch nicht oder nur schwer verstehen,
• sich für die Inhalte, die Sie vortragen, nicht interessieren,
• das, was Sie sagen, peinlich oder unangenehm finden,
• Ihre Äußerungen inhaltlich schwer oder gar nicht verstehen.
Da Sie etwas von Ihren Hörern wollen, sind Sie daran interessiert, dass möglichst viele möglichst gut zuhören. Sie müssen sich also bemühen, Störungen der Zuhörbereitschaft auszuschalten oder ihre Zahl klein zu halten. (Paradebeispiel: Sie lesen vor Mitarbeitern eine Liste derer vor, die eine Gehaltserhöhung bekommen sollen. Da beträgt die Zuhörbereitschaft ganz ohne Ihr Zutun 100 Prozent! Aber so interessant ist ja sonst fast kein Thema.)
Ich komme jetzt zu den einzelnen Störungen.
Aggressionen niemals lohnen
Das partnerfreundliche Verhalten wäre für alle Menschen viel leichter zu praktizieren, wenn nicht die Aggressionsbereitschaft unserer Steinzeit-Vorfahren bei jedem von uns fest verankert im Gehirn säße und es uns oft fast unmöglich machte, eine uns widerwärtige Meinung zu respektieren. Unsere urzeitliche Angst sagt uns: »Dieser Mensch ist gefährlich, er muss schnell beseitigt werden …«
Wie
unkontrollierte
Aggressionen
entstehen
In grauer Vorzeit war solch ein aufbrausendes Temperament oft der entscheidende Vorsprung, um zu überleben. Heute ist das anders. Wir können niemand mehr durch die Schnelligkeit oder Unvorhersehbarkeit unserer Emotionen ausschalten. (Die Keule ist längst aus der Mode gekommen.) Deshalb kann unsere unkontrollierte Aggressivität unangenehme Folgen haben, weil sie Menschen, auf die wir angewiesen sind, zu unseren Feinden macht. Unser Verstand weiß recht gut, dass es gescheiter wäre, nicht auszurasten, sondern zu versuchen, den oder die anderen für unsere Auffassung zu gewinnen. Aber unser Gefühl ist stärker als unser Verstand. Das sollten wir wissen, da es viele unserer uns selbst oft unverständlichen aggressiven Reaktionen erklärt, mit denen wir so manches Porzellan zertrümmern. Viele von uns empfinden nämlich so: »Jemand, der eine andere Meinung hat als ich, der ist ein ›Feind‹. Ein Feind muss bekämpft werden.« Dann tut der Mandelkern (ein Gehirnteil, in dem unsere ererbten Gefühle gespeichert sind) seine Pflicht und zwingt uns, den »Feind« zu besiegen, ehe er uns besiegt. In Urzeiten (daher stammen ja die Mandelkern-Erfahrungen) waren es Fäuste und Waffen, heute sind es aggressive Worte, mit denen gekämpft und »gesiegt« wird.
Innerlich »Stopp«
rufen
Wie können wir wenigstens im Ansatz diese spontanen Vorabreaktionen des Mandelkerns verhindern?
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