IN ZWEI SCHRITTEN ZUM ZIEL
Sie möchten Ihre Ängste loswerden und sich wieder frei und sicher fühlen? Angst schwindet, wenn man sich ihr stellt und erlebt, dass sie zu bewältigen ist. Aber das sollte gut vorbereitet und auf sanfte Weise geschehen. Deshalb lernen Sie im ersten Schritt eine Atemtechnik, die Panik gar nicht aufkommen lässt. Im zweiten Schritt gehen Sie stufenweise zurück ins normale Leben.
DAS TIEFE ATMEN KENNENLERNEN
Vielleicht kennen Sie schon den Rat, bei einer Panikattacke tief durchzuatmen – nur funktioniert das in der Regel nicht. Denn den allermeisten Betroffenen gelingt eine ruhige und tiefe Atmung selbst im entspannten Zustand nicht. Das können Sie jetzt lernen.
TIEF EINATMEN
Sehr wichtig ist, dass Sie länger als bislang einatmen! Den Atemzug sollten Sie langsam und sanft (!) beginnen, sodass dieser etwa zwei bis drei Sekunden andauert.
Wie atme ich ein?
Atmen Sie bei dieser kleinen Übung durch die Nase ein und durch Mund oder Nase aus.
▶ Atmen Sie zunächst schnell ein – nur etwa eine Sekunde lang – und danach ebenso schnell wieder aus. Tun Sie dies ungefähr eine Minute lang.
▶ Spüren Sie dann in Ihren Körper hinein. Nehmen Sie Ihren Herzschlag wahr. Wie ruhig sind Sie innerlich?
▶ Nun atmen Sie langsam und sanft über zwei bis drei Sekunden ein und entsprechend länger aus, wieder eine Minute lang.
▶ Merken Sie den Unterschied? Allein durch das bewusste, langsame Einatmen sollten Sie spüren, wie Sie ruhiger werden.
In den Bauch atmen
Track 2
Das Ziel ist, die Lunge beim Einatmen ausreichend mit Luft zu versorgen. Das gelingt, indem Sie die Luft nicht nur in den Brustkorb, sondern hinunter bis in den Bauchbereich einströmen lassen. Die tiefe Atmung erhöht Ihr Atemvolumen entscheidend (>).
▶ Ziehen Sie bequeme Kleidung an. Bauch und Brust sollten nicht durch den Hosenbund oder BH eingeengt werden! Legen Sie sich auf Ihr Bett oder Ihre Couch.
▶ Experimentieren Sie nun ein bisschen: Legen Sie die eine Hand auf den Brustkorb, die andere auf den Bauch. So spüren Sie besser, ob und wie viel Luft Sie in diese Bereiche einatmen.
▶ Beim Einatmen dehnen Sie Brust- und Bauchbereich aktiv, aber sanft nach außen. Bei dieser aktiven Form des Einatmens hilft Ihnen Ihr Zwerchfell, mehr Freiraum für die Lunge zu schaffen, in den die Luft einströmen kann.
▶ Wenn Ihnen – wie vielen Patienten – das In-den-Bauch-Atmen nicht gleich gelingt, versuchen Sie einmal, nur in den Bauch zu atmen. Dehnen Sie nur den Bauch nach außen. Spüren Sie, dass nun etwas mehr Luft hineingelangt? So lernen Sie Ihren Bauchbereich besser kennen.
▶ Das Ziel ist, dass Sie in den Brust- und Bauchbereich einatmen. Öffnen Sie den Brustbereich weit für die einströmende Luft (aber ziehen Sie nicht die Schultern nach oben). Erweitern Sie dann den Raum über das Zwerchfell bis hinunter in den Bauch – jedoch nur in dem Maße, wie es Ihnen angenehm ist. Sie sollten sich also nicht vorkommen wie ein Kugelfisch!
Viele Menschen atmen gleichzeitig in Brust und Bauch, andere wellenartig – zuerst in den Bauch, dann in den Brustbereich. Tatsächlich bedarf es bei einigen Patienten einer längeren Übungszeit, bis sie komplett in die Tiefe, also in den Bauch atmen können.
▶ Sollte es Ihnen jetzt noch nicht gelingen, dann hören Sie erst einmal mit der Übung auf. Kein Stress bitte! Fürs Erste reicht es.
Unterstützende Übungen
Um sich das tiefe Atmen zu erleichtern, können Sie die Bauchbewegung übertreiben oder Übungen aus der Atemtherapie nach Ilse Middendorf (>) versuchen:
▶ Extraaktiv: Dehnen Sie Ihren Bauch übertrieben nach außen. Anschließend ziehen Sie ihn stark nach innen. Wiederholen Sie diesen Wechsel noch ein paar Mal. Üben Sie anschließend weiter wie oben beschrieben. So unterstützen Sie die Tiefenatmung anfangs mit Muskelkraft. Später passiert diese Bauchbewegung ganz automatisch.
▶ Drücken Sie Ihre Zungenspitze sanft an den hinteren Gaumen direkt vor dem Zäpfchen. Lassen Sie die Zunge dabei locker. Wie verändert sich Ihre Atmung?
▶ Legen Sie Ihre Hände auf die Hüftgelenke. Streichen Sie von dort über die Außenseiten der Oberschenkel bis zu den Knien –und wieder an den Außenseiten der Oberschenkel entlang zurück bis zu den Hüften. Wiederholen Sie dies mehrfach. Spüren Sie, wie tief die Atmung nun geht?
GANZ AUSATMEN
Anspannen und loslassen
Track 3
Nach dem Einatmen folgt – wer hätte das gedacht – das Ausatmen. Was lässt sich dazu schon viel sagen, werden sich nun einige denken. Dabei kommt jetzt der wahrscheinlich wichtigste und entscheidendste Abschnitt des ganzen Buchs! Sind Sie bereit zu einer weiteren Übung?
▶ Die bequeme Kleidung haben Sie noch an? Setzen Sie sich bitte auf einen Stuhl oder Ihr Sofa, und achten Sie darauf, dass vor Ihnen etwa ein Meter freier Platz ist.
Lassen Sie sich zwischen den einzelnen Schritten etwas Zeit, um die Anspannung bewusst zu fühlen und wirken zu lassen.
▶ Spüren Sie in sich hinein. Können Sie fühlen, welche Körperbereiche angespannt sind? Wie schätzen Sie Ihre Anspannung auf einer Skala von 1 (entspannt) bis 10 (verspannt) ein? Merken Sie sich diese Zahl.
▶ Nun spannen Sie Ihre Füße an. Richtig: nicht entspannen, sondern anspannen. Krallen Sie alle Zehen bitte ganz fest zusammen!
▶ Spannen Sie zusätzlich die Waden an.
▶ Nun kommen die Oberschenkel dazu, sodass die Beine von oben bis unten angespannt sind.
▶ Jetzt spannen Sie auch Ihr Gesäß an.
▶ Ballen Sie die Hände zu Fäusten – Sie können sie auf die Oberschenkel pressen.
▶ Nun die Unterarme …
… und die Oberarme. Beine und Gesäß bleiben weiterhin angespannt!
▶ Jetzt zusätzlich Ihren Bauch …
… und den Brustbereich
… und die Schultern.
▶ Am Schluss noch der Kopf: Beißen Sie die Zähne aufeinander, ziehen Sie Ihre Augenbrauen fest zusammen, runzeln Sie die Stirn.
▶ Jetzt ist alles von den Zehen bis zum Kopf angespannt! Wenn Sie es kaum noch aushalten können, ist es genau richtig.
▶ Falls Sie können, versuchen Sie jetzt, das Ganze noch ein bisschen zu steigern: Atem anhalten und innerlich pressen.
Ich weiß, dass Sie jetzt ein sehr unangenehmes Körpergefühl haben.
▶ Nun kommt das Entscheidende! Spreizen Sie Ihre Beine etwas. Holen Sie einmal ganz tief Luft … Wenn Sie ausatmen, lassen Sie Ihren Oberkörper einfach nach vorn zwischen Ihre Beine fallen! Geben Sie dabei jegliche Muskelspannung auf, und lassen Sie beim Ausatmen vollständig los! Jetzt!
Wiederholen Sie die Übung nun noch einmal ganz kurz:
▶ Richten Sie sich dazu wieder auf, spannen Sie alles gleichzeitig an, und halten Sie die Anspannung etwa fünf Sekunden lang.
▶ Spreizen Sie Ihre Beine etwas – und stellen Sie sich darauf ein, sich gleich beim Ausatmen richtig fallen zu lassen. Achten Sie darauf, ob Sie wirklich Ihre »Haltung« aufgeben. Jetzt! Atmen Sie am besten mit offenem Mund und einem lauten Seufzer aus, und lassen Sie sich nach vorn fallen!
▶ Lehnen Sie sich bitte entspannt zurück. Atmen Sie ganz ruhig und tief. Wie geht es Ihnen? Wie schätzen Sie Ihre körperliche Anspannung auf einer Skala von 1 bis 10 ein?
Die allermeisten Patienten fühlen sich nun wesentlich entspannter. Sie auch? Die Übung sollte Ihnen zeigen, was mit Loslassen gemeint ist.
Seufzen hilft loszulassen
Viele meiner Patienten können sich auf Anhieb fallen lassen und dabei wie beabsichtigt alle Anspannung völlig loslassen. Andere hingegen beugen sich anfangs nur langsam und kontrolliert nach vorn. Für alle, die sich noch ein wenig schwertun mit der Vorstellung oder dem Vorgang des Loslassens beim Ausatmen:
▶ Stöhnen oder seufzen Sie mal kurz, und achten Sie dabei auf Ihren...