Einleitung:
Mut und Hoffnung für den Start
Das Leben schrumpft und wächst proportional zum Mut.
Anaïs Nin
Alles, was in der Welt getan wird, ist ein Werk der Hoffnung.
Martin Luther
Dieses Buch handelt von Menschen, die krankhaft schüchtern sind. Doch was noch wichtiger ist: Es handelt von Mut und Courage. Sie werden auf diesen Seiten außerordentliche Menschen kennen lernen, die ihren ganzen Mut zusammengenommen und Dinge getan haben, die ihnen entsetzliche Angst einjagten – weil sie erkannten, dass ihnen sonst nur die Wahl blieb, sich in ein Loch zu verkriechen, sich vor dem Leben zu verstecken und das eigene Potenzial verkümmern zu lassen.
Das Buch handelt auch von Hoffnung, denn aus Hoffnung erwächst Mut. Manchmal beginnt es mit einem kleinen Hoffnungsfunken, aber mehr ist gar nicht nötig. Mit dem richtigen Werkzeug und der richtigen Einstellung wird aus dem Funken schnell eine Vision, wie das Leben sein könnte – ein Leben frei von lähmender Angst.
Auch Sie können die Fesseln sozialer Ängste abschütteln und Ihr Leben in die Hand nehmen. Und seien Sie versichert, Sie brauchen es nicht allein zu tun. Wir werden Sie dabei begleiten, Schritt für Schritt, und Sie auf dem ganzen Weg unterstützen. Lesen Sie einfach weiter. Lassen Sie sich von der Hoffnung in diesem Buch anstecken und wir können uns voller Mut und Zuversicht auf den Weg begeben.
Soziale Ängste – in diesem Buch auch »soziale Angststörung«, »soziale Phobie« oder häufig einfach »Sozialangst« genannt – sind sehr verbreitet. Zwar wird die soziale Angststörung oft als geringfügiges Problem heruntergespielt, doch ist sie das Gegenteil. Für diejenigen, die unter ihr leiden, ist die Lebensqualität dramatisch eingeschränkt. Sie neigen eher zu Depressionen und Drogenmissbrauch und auch das Selbstmordrisiko ist für sie höher.
Trotz ihrer weiten Verbreitung und der gewaltigen Zahl an Betroffenen ist der sozialen Angststörung bis vor kurzem nur geringe Aufmerksamkeit zuteil geworden. Eine Gruppe von Experten hat sie als »die vernachlässigte Angststörung schlechthin« bezeichnet. Tatsächlich gab es 1992, als ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen Cheryl Carmin, Alec Pollard und Teresa Flynn Dying of Embarrassment (Vor Scham sterben) schrieb, kein anderes Selbsthilfebuch für soziale Angststörungen auf dem Markt. Andrerseits gab es für fast jede andere Angstsymptomatik von Agoraphobie bis zur zwanghaften Persönlichkeitsstörung gleich mehrere Bücher. Menschen mit sozialer Phobie litten im Verborgenen und dachten, sie seien mit ihrer quälenden Störung allein.
Die enorme Nachfrage, die unser Buch auslöste, war uns eine große Bestätigung. Doch bleibt noch viel zu tun. Es ist weiterhin schwierig, jemanden im Gesundheitswesen zu finden, der überhaupt etwas von sozialen Angststörungen weiß. Und einen erfahrenen Therapeuten ausfindig zu machen kann sich in vielen Teilen der USA als nahezu unmöglich erweisen.
Zum Glück nähert sich unser Verständnis der sozialen Angststörung einer neuen Stufe. Bald wird sie nicht mehr »vernachlässigt« sein. Neue Forschungen überschlagen sich. Spezielle Kongresse werden abgehalten. Einschlägige Fachzeitschriften widmen ganze Nummern nur diesem Thema. Zeitungen und Zeitschriften warten mit den neuesten wissenschaftlichen Ergebnissen auf. Es spricht sich herum, dass das Phänomen der sozialen Angststörung deutlich unterschätzt wurde und dass es erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten dafür gibt. Mit diesem Buch wollen wir weitere Aufklärungsarbeit über die Natur der sozialen Angststörung leisten und zugleich den Lesern die neuesten Informationen an die Hand geben, wie sich ihre Sozial-ängste überwinden lassen.
Wem dieses Buch nützt
Im ersten Kapitel werden wir uns mit spezifischen Definitionen und Kriterien für die Diagnose beschäftigen. Doch zunächst genügt es, zu wissen, dass dieses Buch sich an jeden wendet, der in sozialen Situationen an unkontrollierbarer, quälender Angst leidet. Vielleicht haben Sie sich immer schon für schüchtern gehalten, dies aber als einen Teil Ihrer Persönlichkeit angesehen, an dem sich nichts ändern lasse. Oder vielleicht haben Sie Mühe, in Ihrem Beruf vorwärts zu kommen, weil Sie sich bei Besprechungen nicht zu Wort melden und davor zurückscheuen, sich öffentlich zu äußern. Möglicherweise haben Sie sogar schon einen Psychologen oder Psychiater aufgesucht und die Diagnose einer »sozialen Angststörung« oder »Sozialphobie« gestellt bekommen. Die Situationen gleichen sich nicht, doch die Ängste – die Angst davor, kritisiert und beurteilt zu werden, die Angst vor Missbilligung – sind die gleichen. Dieses Buch wurde geschrieben, um Ihnen dabei zu helfen, diese Ängste zu verringern, Selbstvertrauen zu erwerben und sich in sozialen Situationen wohler zu fühlen.
Nicht nur Erwachsene empfinden in sozialen Situationen Angst. Kinder können ebenso mit Schüchternheit zu kämpfen haben oder an einer sozialen Angststörung leiden. Melissa, die in die dritte Schulklasse geht, ist hierfür ein gutes Beispiel. Obgleich sie eine intelligente Schülerin ist, schafft sie es nicht, sich zu melden, um eine Frage zu beantworten, noch kann sie sich an Diskussionen in der Klasse beteiligen. Jedes Mal, wenn sie von ihrem Platz aufsteht, kommt sie vor Verlegenheit fast um. Das heißt, sie spitzt ihre Stifte nicht, wirft Abfall nicht in den Papierkorb und geht nicht auf die Toilette. Das vorliegende Buch sagt Eltern und Lehrern, wie sie solchen Kindern helfen können, ihren Panzer zu durchbrechen und ihr Potenzial voll zur Entfaltung zu bringen.
Zusätzlich wird dieses Buch für diejenigen Familienmitglieder hilfreich sein, die oft den primären sozialen Kontakt für jemanden mit Sozialphobie darstellen. Es zeigt ihnen, wie sie ihrem nahen Angehörigen wirklich helfen können. Auch Ärzte, Pfleger, Therapeuten und Pfarrer, die mit krankhaft schüchternen Menschen umgehen, können schließlich profitieren, wenn sie dieses verbreitete Problem besser verstehen.
Zur Benutzung dieses Buchs
Jeder Mensch lernt auf seine eigene Weise: Also folgen Sie bei der Lektüre dieses Buchs ganz Ihren Bedürfnissen. Wir möchten kurz den Aufbau des Buchs erklären und ein paar Vorschläge machen, die Sie befolgen können, wenn sie Ihnen sinnvoll erscheinen.
Teil I beschäftigt sich mit Sozialängsten in all ihren verschiedenen Ausprägungen und gibt Antworten auf grundsätzliche Fragen, die ein besseres Verständnis dieser psychischen Störung ermöglichen. Sie erhalten Antworten auf die Fragen:
Worin unterscheiden sich Schüchternheit und Sozialangst?
Worin gleichen sie sich?
Wie definieren Psychologen soziale Angststörungen?
Wie verbreitet ist Sozialangst?
Wer ist davon betroffen?
Warum ist so wenig über soziale Angststörungen bekannt?
Und Sie werden einige der Theorien kennen lernen, die sich mit den Ursachen krankhafter Sozialangst befassen. Mit einem Wort: Die beiden ersten Kapitel schaffen die Grundlage für den Rest des Buchs.
Teil II enthält die neuesten Methoden, mit denen Sie Sozial-ängste in fast jeder Situation meistern können. Zwar werden sie schrittweise aufeinander folgend dargestellt, wie wir es für sinnvoll hielten, doch kann zum Beispiel ein Leser, der eine Frage zu Medikamenten hat, direkt in Kapitel 9, »Wie Sie mit Medikamenten richtig umgehen«, nachschlagen.
Viele Kapitel in diesem Teil enthalten Übungen, die die jeweils vorgestellten Ideen einprägsam unterstützen und Ihnen helfen sollen, sich in sozialen Situationen wohler zu fühlen. Möglicherweise profitieren Sie bereits schon vom bloßen Lesen, aber wir glauben, dass Sie einen deutlich größeren Nutzen haben, wenn sie alle Übungen ausführen und sie regelmäßig wiederholen. Es kann natürlich auch sein, dass sie nicht jede Übung ausführen müssen, um Ihre Sozialangst zu überwinden. Manche passen vielleicht nicht zu Ihrer spezifischen Situation. Noch einmal: Gehen Sie nach Ihren eigenen Bedürfnissen vor und tun Sie, was Ihnen sinnvoll und nützlich erscheint.
Der letzte Teil des Buchs enthält einen Anhang mit Kapiteln über Begleitprobleme wie Depressionen und Drogenmissbrauch und über Sozialangst im Zusammenhang mit körperlichen Krankheiten sowie Kapiteln für Eltern und Lehrern mit eine Vielzahl praktischer Ratschläge.
Die Grundlagen dieses Buchs
Die Informationen und Behandlungsmethoden, die in diesem Buch vorgestellt werden, basieren sowohl auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen wie auf klinischer Erfahrung. Wie oben schon erwähnt, hat die Forschung über soziale Angststörungen in den letzten Jahren stark zugenommen und über die Ergebnisse dieser Forschung wird in einschlägigen Fachzeitschriften und auf Kongressen berichtet. Doch ein großer Teil dieser Informationen ist dem breiten Publikum unzugänglich und die meisten Therapeuten können nicht an jedem Kongress teilnehmen oder jede Fachzeitschrift lesen. Deshalb ist eines der Ziele, die wir mit diesem Buch verfolgen, Ihnen die neuesten Erkenntnisse in einer praktischen und leicht verständlichen Form nahe zu bringen. Wir hoffen darüber hinaus, dass Psychologen und Therapeuten dieses Buch als Hilfsquelle in ihrer Arbeit nutzen.
Frei von Angst und Schüchternheit basiert außerdem auf unserer eigenen klinischen Arbeit. Greg und ich verfügen beide über eine umfassende Ausbildung und Erfahrung im Umgang mit Menschen, die unter Angststörungen leiden. Wir staunen immer wieder über den Mut und die Ausdauer unserer Klienten....