Es kommt im Leben immer anders als man denkt
Da plant man nichts ahnend eine Urlaubstour mit einem Mietboot in die Camargue in Südfrankreich und findet sich als Besitzer eines ehemaligen Charterbootes in der Franche-Comté wieder.
Auf was habe ich mich da nur eingelassen?
Aber langsam und alles der Reihe nach..
Es fing alles so harmlos an.
Den Winter über hatte ich mich damit beschäftigt, alte Fotos und Videoaufnahmen zu digitalisieren, um der Familie diese Erinnerungen für spätere Zeiten zu archivieren und zu erhalten. Dabei fielen einem auch viele längst vergessene Motive in die Hände und es wurden unzählige alte Erinnerungen geweckt.
Wie war das damals noch gleich gewesen? Wer war das noch einmal? Wann und wo war dieses Bild denn aufgenommen worden?
Viele Fragen traten dabei auf und oftmals konnte man aus der Erinnerung einige Dinge und Zusammenhänge zeitlich nicht mehr korrekt in die richtige Reihenfolge einordnen, dann wurde weiter in Fotoalben geblättert, gesucht, um die Erinnerungslücken zu füllen, und vielfach hatte man die fehlenden Lücken auch gefunden.
Meine Frau war vor einigen Jahren verstorben und so hatte ich keine zusätzliche Quelle der Erinnerungen, die ich mal eben kurzfristig befragen konnte.
Mit meiner neuen Lebensgefährtin zusammen hatten wir bei entsprechender Gelegenheit in alten Bildern und Videos aus meiner langen Zeit der Verbundenheit nach Frankreich gestöbert und je mehr man sich mit den alten Sachen beschäftigte, umso mehr baute sich bei mir auch so etwas wie ein wenig Wehmut und Heimweh auf. Ich vermisste die alten Zeiten, ich vermisste die Fahrten nach Frankreich, ich vermisste das Leben dort.
Mit meiner Frau und unseren beiden Söhnen hatten wir viele Jahre unsere Urlaube in Frankreichs Süden an der Cote de Provence verbracht, zwischen Marseille und Toulon, unweit vom Badeort Saint Cry sur Mer.
Meine neue Lebensgefährtin kannte weder diesen Bereich von Südfrankreich und der Provence noch hatte ihr Frankreich bisher überhaupt gefallen oder gereizt.
Eine einmalige Frankreichreise nach Paris einige Jahre zuvor hatte sie in keiner sehr guten Erinnerung gehalten, es hatte ihr dort überhaupt nicht gefallen. Die Leute in den Hotels und Restaurants seien ihrem Empfinden nach unhöflich und gar nicht freundlich gewesen, alles erschien ihr so teuer und viele Dinge mehr gaben den Ausschlag für ihr abneigendes Interesse, das Land erneut zu besuchen.
„Ja, Du warst ja auch in Paris, aber das ist doch nicht Frankreich!“
lautet meine Antwort an sie.
Und dann fing ich an zu erzählen und schwärmen und vertiefte mich in Geschichten über Land und Leute und wie das eigentliche Leben jenseits der großen Hauptstadt tatsächlich war. Wie man über die Dorfmärkte schlendert oder in einem Cafe sitzt und den Leuten auf der Strasse zusieht und auch zuhört, und wie der Franzose so viele Dinge im Leben einfach etwas lockerer sieht.
Und nicht nur Zeitabsprachen und Termine gehören dazu…
Ich hatte damit scheinbar ihr Interesse geweckt und unterstützt durch das Betrachten der Urlaubsbilder und Videos wurde der Entschluss gefasst, den gemeinsamen kommenden Sommerurlaub in Frankreichs Süden zu verbringen, um ihr etwas von Land und Leuten zu zeigen.
Nun galt es nur noch, die Region zu wählen und uns eine geeignete Unterkunftsart für unseren Aufenthalt auszuwählen.
Die Camargue wollte sie unbedingt besuchen und kennen lernen, die Aussicht auf die vielen dort zum Teil noch frei und fast wildlebenden Tiere in der Natur des Rhônedeltas, die wir auch auf Fotos betrachten konnten, hatten es ihr angetan.
Über die Anmietung eines Wohnmobils als geeignetes Gefährt wurde kurz beraten, aber auf Grund der horrorhaften Mietpreise in der Sommerzeit und der ähnlich hoch zu erwarteten Nebenkosten, mit denen wir alleine für das Gefährt zu rechnen hätten, wurde diese Idee als unakzeptabel abgelehnt und verschwand von unserem Plan.
Für unser Geld müssen wir immer noch hart arbeiten gehen.
Mit Ferienanlagen, wie man sie aus anderen Urlaubsländern her kannte, sah es in dieser Region auch deutlich schlechter aus.
Zum Glück. Denn aus Naturschutzgründen war das Bauen solcher Touristenanlagen hier weitestgehend tabu. Als Alternative gab es einzig ein paar Campingplätze abseits der Camargue entlang der Mittelmeerküste, die man als Quartier wählen konnte. Sich dort aber ein Bungalow oder einen Wohnwagen für den Aufenthalt anzumieten konnte mich aber auch nicht so richtig reizen und überzeugen.
Durch das ansehen der vielen alten Videofilme und Fotos kam dann auch irgendwann leise das Thema Mietboot zum Gespräch, da ich so eine Mietbootanmietung in Südfrankreich in der Vergangenheit bereits zweimal mit der Familie gemacht hatte.
Das Thema war total neu für sie und hatte ihr Interesse geweckt, obwohl sie unsicher war, ob sie das Geschaukel in einem Boot aushalten würde. Die Preise wurden im Internet nachgesehen und waren kaum höher als für die Wohnwagenmiete auf einem Campingplatz in der Saison.
So wurde dann im Frühjahr 2010 der Entschluss gefasst, im Spätsommer eine Woche auf einem Mietboot den Urlaub zu verbringen.
Von St.Gilles aus, südlich von Arles und Avignon gelegen, sollte es über den Canal de Rhône a Sète und entlang der Camargue hinüber bis zum Canal du Midi gehen, je nachdem wie weit wir in dieser Woche kommen würden und wie es uns dort gefallen sollte.
Erneut gab es für uns Arbeit und es wurden dann im Internet zahlreiche Angebote studiert, online recherchiert und alles genauestens geplant, damit auch nichts schiefgehen würde.
Wir wollten nur mit zwei Personen auf die Bootstour gehen, dadurch war uns die Auswahl des geeigneten Bootes nicht so schwergefallen, da nur ein kleineres Boot von Größe und Preis für uns in Frage kam. Ruckzug war das passende Boot ausgewählt worden und für den Zeitpunkt unseres geplanten Urlaubes gebucht, ebenfalls Online, versteht sich.
Alles problemlos und kinderleicht.
Ich war doch schon ordentlich gespannt, wie ihr es gefallen würde, da Sie mit einem Urlaub auf einem Boot keinerlei Erfahrung hatte, für mich war es das berühmte gute dritte Mal.
Hatte das etwas zu bedeuten?
Die Reise wurde wie in der Buchung erwünscht pünktlich angezahlt und es ging als nächstes daran, aktuelle Reiseführer der Region für unsere Fahrt dorthin zu besorgen. Wir warteten in den folgenden Tagen auf die Buchungsbestätigung und derweil wurden bereits Alternativen besprochen, wie und wo wir auf Hin- und Rückreise noch zusätzliche Urlaubstage verbringen könnten, Frankreich ist groß und es gibt soviel zu sehen und zu besichtigen, es gab genug Orte auf der Anreisestrecke, die uns etwas zu erzählen hatten und bei denen sich ein Halt sicher lohnen würde. Von Düsseldorf aus in den Süden war es eine lange Strecke und wenn wir schon auf Hin- und Rückfahrt Übernachtungen einlegen mussten, dann konnte man das sicher mit einer Stadtbesichtigung oder etwas anderem interessanten Verbinden.
Aus irgendeinem Grunde hatte ich mich zu dieser Zeit aber nicht weiter damit beschäftigt, dies zu planen und zu organisieren, obwohl das eigentlich nicht so meine Art war, aber wir hatten ja noch reichlich Zeit vor uns.
Die nächsten Tage und Wochen vergingen und endlich lag auch nach geraumer Zeit unsere Buchungsbestätigung im Briefkasten, so wie erwartet und gebucht und so wie es sich auch gehört. Alle Daten wurden mit der Bestellung verglichen, alles war korrekt.
Der Brief enthielt neben den erwarteten Unterlagen zu unserer Reisebuchung weiteres Informationsmaterial für Anreise und Aufenthalt vor Ort, die Lage der Basis und deren Öffnungszeiten und eine Liste mit Dingen, die man mitbringen sollte, aber auch einen Prospekt, der dann später unser Leben verändern sollte.
Haben Sie schon einmal daran gedacht, ihr eigenes Boot zu besitzen?
So harmlos stand es dort auf dem Flyer gedruckt, der unserer Buchungsbestätigung beilag und auch noch Beschreibungen und Preise einer kleinen Auswahl an möglichen Booten an verschiedenen Standorten in Frankreich enthielt.
Aber anstatt den Flyer ins Altpapier zu geben, lag er dann einige Tage auf meinem Schreibtisch und lächelte mich an.
Und ich lächelte zurück.
Frankreich.
Wenn ich früher mit meiner Familie nach Frankreich in Urlaub fuhr war das in all den Jahren immer so etwas wie nach Hause kommen für mich.
Seit meiner Jugend hatte ich im Süden an der Cote de Provence meine Ferien verbracht. Zuerst in den Schulferien mit den Eltern in einem Wohnwagen, den wir bei einem befreundeten Weinbauer am Rande eines Weinberges stehen hatten, später dann zogen wir damit auf einen Campingplatz ins Hinterland, als das Weinfeld aus Altersgründen des Weinbauers verkauft wurde. Darauf folgten Jahre in einem eigenen Wohnwagen als Dauercamper auf einem Campingplatz nahe bei den Freunden, die wir im Laufe der langen Zeit dort kennen lernen konnten.
Im Umfeld der vielen Freunde und Bekannten wuchsen dort auch meine beiden Söhne in den Ferien auf, bis wir nach unzähligen Jahren, als die Söhne größer wurden und sich abnabelten, den Wohnwagen aufgaben und verkauften...