Freiheitsdressur
Wenn du etwas liebst, so lass es frei!
Kehrt es zu dir zurück, dann ist es für immer Dein.
Wenn nicht, dann hat es dir nie gehört.
(Aus China)
Einstieg in die Freiheitsdressur
Auch wenn es bei den „Großen“ wie reine Magie aussieht – eine gute Freiheitsdressur ist vor allem eines: viel Arbeit! Als Grundvoraussetzung für diese Arbeit sollten Sie und Ihr Pferd bereits mit der Round-Pen-Arbeit und der Bodenarbeit solide Grundsteine für eine funktionierende Beziehung gelegt haben. Denn wenn Ihr Pferd nicht mit Ihnen arbeiten möchte, Sie nicht als Chef respektiert und Ihnen nicht vertraut, dann ist Freiheitsdressur nicht möglich.
Appell
Das Erste, was ich meinen Pferden noch im Round Pen beibringe, ist der Appell. Dies bedeutet, dass die Pferde lernen, auf eine bestimmte Bewegung, gekoppelt mit einem bestimmten Pfiff, jederzeit, aus jeder Gangart sofort auf mich zuzukommen. Ist diese Lektion wirklich fest etabliert, kann sie während einer Show auch als „Notanker“ funktionieren, um das unaufmerksame oder ängstliche Pferd wieder zu sich heranzuholen.
Der Anfang ist einfach und unspektakulär. Er beginnt mit dem Halfter, einem langen Bodenstrick und einer Bogenpeitsche. Die ersten Versuche finden im Round Pen oder einem anderen entsprechend kleinen Areal statt. Grundvoraussetzung für diese Lektion ist, dass Ihr Pferd bei der Bodenarbeit gelernt hat, mindestens zehn Sekunden genau dort stillzustehen, wo Sie es „geparkt“ haben.
Der Appell bildet neben dem Stillstehen die Basis der Freiheitsdressur und ermöglicht auch bei sehr „umweltorientierten“ Pferden, diese immer wieder auf ihre Arbeit mit dem Menschen zu besinnen.
Stellen Sie das Pferd ruhig hin und gehen Sie rückwärts von ihm weg, bis Sie nur noch das Ende des Drei-Meter-Stricks in der Hand haben. Dann geben Sie einen vorher festgelegten Pfeiflaut von sich, ducken sich leicht, ziehen vor sich die Spitze der Bogenpeitsche über den Boden und drehen dem Pferd die Schulter zu. Aus der Round-Pen-Arbeit kennt Ihr Pferd die Bedeutung des Schulterdrehens und wird so einen zögerlichen Schritt auf Sie zugehen. Jetzt können Sie ermutigend vorsichtig am Strick zupfen. Pfeifen Sie nochmals und holen Sie das Pferd sanft zu sich. Dann loben Sie, gehen eine kleine Runde zum Nachdenken und wiederholen die Übung, bis Sie eine kleine Besserung feststellen, aber maximal dreimal!
Klappt das am Strick mit Halfter, üben Sie am Halsring mit angehängtem Strick. Gelingt auch das, können Sie es ohne Strick versuchen. Wenn auch das funktioniert, schicken Sie das Pferd wieder auf den Hufschlag im Round Pen und pfeifen Sie es samt Gertenbewegung in den Appell. Wenn es nun zögert, haken Sie einfach zur Unterstützung eine Longe an das Halfter. So steigert man sich langsam, bis man den Appell im Round Pen frei in allen Gangarten abrufen kann. Dann kann man es auch auf einem größeren Platz versuchen.
Freies Mitlaufen
Wenn der Appell in allen Gangarten sicher ist, beginnen wir mit der nächsten Basislektion der Freiheitsdressur: das freie Mitlaufen. Hier lernt das Pferd in allen Gangarten, beginnend im Schritt, sich stets an Ihrer Seite zu halten. Damit mein Pferd diese Lektion und das „normale“ Führen unterscheiden kann, benutze ich zum einen die Gerte, zum anderen erlaube ich dem Pferd, mit mir Schulter an Schulter zu gehen. Freies Mitlaufen bedeutet aber nicht, dass das Pferd einfach nur hinterherläuft – das wäre dann das „Fangenspielen“.
Das freie Mitlaufen beginnt, wie die meisten Lektionen der Freiheitsdressur, im Round Pen mit Halfter, Strick und Gerte. Legen Sie die Gerte Ihrem Pferd an den Hals, geben Sie ihm ein Stimmkommando zum Antreten, tippen Sie es mit der Gerte einmal am Hals vorsichtig an und gehen Sie dann mit ihm Schritt. Ermutigen Sie es hierbei, auch wirklich auf Ihrer Schulterhöhe zu gehen.
Zum Anhalten nehmen Sie die Gerte vom Hals weg und geben Ihrem Pferd das gewohnte Stimmsignal zum Anhalten. Im Lauf des Trainings versuchen Sie, das Antreten und Anhalten so zu verfeinern, dass das Pferd am Ende nur noch auf das Signal der Gerte und Ihre Stimme reagiert und der Strick zweitrangig wird.
Als nächsten Schritt versuchen Sie das Ganze im Trab. Dabei ist es sehr wichtig, dass Sie zwar die ersten Schritte mitjoggen, dann aber selbst wieder Schritt gehen. Das werden Sie später für den Pferdetanz brauchen. Zum Trab nehme ich ein anderes Stimmsignal als für den Schritt und tippe das Pferd zweimal am Hals an. Üben Sie das Mitlaufen nun auch im Trab auf beiden Seiten und führen mal rechts und mal links vom Pferd.
Dann ist es Zeit, Halfter und Strick mit dem Halsring zu ersetzen. Mit dem Halsring haben Sie immer noch einen kleinen „Notgriff“ am Pferd, um es notfalls ein wenig korrigieren zu können. Versuchen Sie es zunächst auch mit dem Halsring in Schritt und Trab im Round Pen. Wenn das gut klappt, können Sie sich auf einen größeren Platz wagen. In der Übergangsphase vom Round Pen zum Reitplatz rate ich, die ersten Male doch wieder Halfter und Strick einzuhängen, aber Korrekturen zuerst am Halsring vorzunehmen.
Fangen spielen
Zum Fangenspielen gleich ein Warnhinweis vorab: Diese Übung kann gerade bei Hengsten und dominanten Stuten ein gewisses Aggressionspotenzial freilegen. Daher sollte man unbedingt vorher das freie Mitlaufen üben und sein Pferd dabei genau beobachten. Versucht es dabei schon, die Rangfolge infrage zu stellen, ist es noch zu früh für dieses Spiel.
Das Fangenspielen entwickelt sich aus dem Nachlaufen, das man am Ende der üblichen Round-Pen-Arbeit kennt. Dieses einfache Nachlaufen kombiniere ich dann mit dem zuvor ebenfalls erlernten Appell aus allen Gangarten: Ich gehe meinem Pferd erst „ganz normal“ im Schritt voran, habe jetzt aber meine Bogenpeitsche dabei. Mit ihr ziehe ich hinter mir über den Boden, pfeife wie zum Appell, gehe etwas schneller und nehme eine Schulter etwas vor. Das Pferd wird durch das Signal des Appells zu mir „hergezogen“ und der Spieltrieb wird geweckt.
Wenn diese erste Stufe funktioniert, drehen Sie sich zu dem Pferd um, heben die Hand, spannen ein wenig die Rückenmuskeln an und sagen deutlich „Schluss“. Das Pferd sollte nun vor Ihnen stehen bleiben. Loben Sie es ausgiebig, gern auch mit einer Leckerei. Dann können Sie die Übung wiederholen und eventuell ein Stückchen weiter gehen.
Das freie Führen bildet die Basis für viele Lektionen aus dem Pferdetanz.
Starlight dreht sich in der Volte auf Gertensignal hin zuerst weg,
… dann folgt er meinem Gerten- und Stimmsignal wie bei der Round-Pen-Arbeit in eine Wendung nach innen
Wichtig ist beim Fangenspielen, gerade zu Beginn öfter abzuwenden und die Richtung zu wechseln, damit das Pferd konzentriert bleibt und Spaß an der Sache hat. Shadow liebt es zum Beispiel, wenn wir zusammen eine Art Cutting spielen: Ich täusche an, springe zur Seite und spurte in eine unerwartete Richtung davon.
Man muss aber sehr darauf achten, dass das Pferd lernt, das „Schluss“ zu akzeptieren. Shadow weiß genau: Sobald ich die Hand hebe, ihn ansehe und „Schluss“ sage, ist das Spiel vorbei. Natürlich ist er nicht immer begeistert, wenn das lustige Spiel zu Ende ist. Aber für die eigene Sicherheit ist es absolut zwingend notwendig, dass der Mensch das Spiel einleitet und auch wieder beendet.
Walzé/Freie Volte
Der „Walzer“ ist eine Kombination aus der Wendung nach außen und innen vom Round Pen und dem Appell aus der Freiheitsdressur. Hierbei ist das Timing das Geheimnis. Beginnen Sie diese Lektion wieder im Round Pen und im Schritt. Nehmen Sie hierzu zwei Bogenpeitschen oder alternativ eine Bogenpeitsche und eine Dressurgerte.
Bitten Sie das Pferd auf dem Hufschlag, wie in der „normalen“ Round-Pen-Arbeit nach außen ruhig abzuwenden. Hierzu heben Sie die Bogenpeitsche, die dem Kopf des Pferdes am nächsten ist, an, gehen einen Schritt auf den Kopf des Pferdes zu und geben das dem Pferd bekannte Stimmsignal. Die zweite Peitsche halten Sie senkrecht hoch. Sobald das Pferd in die Wendung geht, geben Sie zusätzlich das Stimmkommando „Volté“ oder „Walzé“.
… und vollendet damit die freie Drehung.
Jetzt kommt der schwierige Part. Denn während das Pferd nun nach außen wendet, bleibt die eine Gerte weiterhin gerade erhoben, während die andere gesenkt wird und Sie mit Ihrer Körpersprache und dem Appellsignal der freien Gerte das Pferd sozusagen eine Vierteldrehung nach innen „ziehen“.
Wenn das Pferd dann frontal zu Ihnen steht, wird es mit der erhobenen Gerte wieder in einer Wendung in die neue Richtung geschickt. Sobald es auf den Hufschlag kommt, wird die „Voltegerte“ wieder senkrecht hochgehoben, die Gerte am Kopf des Pferdes gibt das Signal für eine Wendung nach außen – und voilà, die Volte ist fertig!
Diese...