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Fresh-X im Dialog mit dem Pietismus. Die Förderung der 'mixed-economy' bei Chrischona International

AutorDavid Jäggi
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl107 Seiten
ISBN9783668041714
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Theologie - Historische Theologie, Kirchengeschichte, Note: 1,5, , Sprache: Deutsch, Abstract: Eine 'fresh expression of church' (Fresh-X) zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich als Ergänzung zur etablierten Kirche versteht und nicht als deren Ersatz. Durch kontextualisierte Formen von Kirche und Glauben will eine Fresh-X in spezifischen Milieus wirken, die von den institutionalisierten Kirchen nicht erreicht werden. Eine Fresh-X hört einerseits auf den Kontext vor Ort, andererseits auf die Tradition der Denomination, aus der sie entwächst. Aus dem fortwährenden Dialog zwischen diesen beiden Grössen entsteht Innovation. Kontext und Tradition bilden damit gewissermassen Leitplanken im Finden neuer Ausdrucksformen von Kirche. Dieses Verhältnis zwischen Bewährtem und Neuem wird mit dem Begriff 'mixed economy' umschrieben. Vorliegende Arbeit entstand aus der praktischen Tätigkeit in einer Fresh-X Gemeindepflanzung innerhalb des pietistischen Freikirchenverbandes Chrischona International in der Schweiz. Sie befasst sich im Zusammenhang der 'mixed economy' mit der Frage, welches Erbe Spittler als Pietist und Gründer der Pilgermission St. Chrischona vor 175 Jahren durch sein Wesen und Wirken hinterlassen hat und wie dieses Erbe im 21. Jahrhundert unter veränderten gesellschaftlichen und gemeindebaulichen Bedingungen im Rahmen einer Fresh-X neu fruchtbar gemacht werden kann. Zwei wesentliche Merkmale des pietistischen Erbes werden exemplarisch dargestellt, einer kritischen Würdigung unterzogen und die Frage nach der Adaption in die Gegenwart gestellt. Weitere Merkmale, die sich für eine vertiefte Reflexion anbieten und Fragen zur Weiterarbeit beinhalten, finden sich im Anhang der Arbeit. Ebenso beinhaltet der Anhang zwei ausführliche Interviews mit Karl Albietz als ehemaligem Direktor von Chrischona und Claudius Buser, Dozent für Kirchengeschichte am Theologischen Seminar St. Chrischona. Die Arbeit zeigt auf, dass sich Chrischona als pietistischer Verband für missionale Formen von Gemeinde von ihrem Ursprung her anbietet. Die Arbeit soll zudem anderen Fresh-X Pionieren Mut machen zum Experimentieren in ihrer eigenen Denomination. Sie soll eine Hilfe für Pioniere bieten, auf die Geschichte der je eigenen Tradition zu hören und diese im Heute fruchtbar zu machen.

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Leseprobe

4 Christian F. Spittler: Pionier und Pietist


 

Spittler ist Gründer und geistlicher Vater der Pilgermission St. Chrischona. Wann immer das Erbe der Pilgermission reflektiert wird, ist eine Rückbesinnung auf Spittler daher unumgänglich (Zimmermann 1965:65). Ziel des folgenden Abschnittes ist eine Zusammenfassung von Spittlers Anliegen und seiner Frömmigkeit.[7]

 

4.1 Spittlers Bekehrungserlebnis


 

Spittler (1782-1867) wuchs in einem pietistischen Elternhaus auf. Sein Vater war Pfarrer und Spittler wurde geprägt durch die Liebe seines Vaters zur Bibel, von seinem lebendigen Gebetsleben und seiner uneigennützigen Frömmigkeit (Kober 1887:3). Bis zum Alter von 18 Jahren war der Glaube für Spittler nicht viel mehr als eine fromme Tradition, die er geerbt hatte. Eine körperliche Krise, die schliesslich in einen Ohnmachtsanfall führte, erlebte Spittler als Lebenswende und Ruf von Jesus Christus zur persönlichen Nachfolge. Spittler wurde aus einem „äusserlich ehrbaren und gesitteten Menschen“ zu einem „wirklichen Kind Gottes (:12).

 

4.2 Anfänge bei der Christentumsgesellschaft


 

Im Alter von 19 Jahren wurde Spittler 1801 zum Sekretär der Christentumsgesellschaft in Basel berufen. Die Gesellschaft wurde 1780 gegründet um dem Rationalismus und der Entkirchlichung zu wehren. Sie kann als Nachahmung der Sozietäten in Grossbritannien verstanden werden, welche Missions-, Traktat- und Bibelgesellschaften unterstützten (Brecht 2000:622). Die Gesellschaft in Basel übernahm die Ziele des Frühpietismus, wollte die „reine Lehre“ und wahre Frömmigkeit fördern zur „Pflanzung und Pflege lebendigen Christentums“ (Pilgermission 1885:85). Durch intensive Vernetzungsarbeit sollten bibelgläubige Kreise gestärkt und diakonische, sowie missionarische Projekte finanziert werden (Hauss 1968:463).

 

Als Sekretär dieser Gesellschaft musste Spittler ein weit verzweigtes Werk in Gang halten. Er stand in intensivem Briefwechsel, vermittelte zwischen den einzelnen Anstalten und Gesellschaften und verfasste Berichte. Aufgrund seiner Erfahrungen, die er bei der Christentumsgesellschaft sammeln konnte und durch das Anliegen, welches sich bei seiner Tätigkeit entwickelte, wird die Christentumsgesellschaft als „Mutter der Pilgermission“ (Veiel 1940:7) bezeichnet.

 

4.3 Den Nöten der Zeit begegnen


 

Im Jahr 1812 kaufte Spittler in Basel ein altes Augustinerkloster, das Fälkli. Schon früh nahm er einsame und heimatlose Menschen auf. Das Fälkli wurde rasch zum Zufluchtsort für Verfolgte und Einsame. Spittler lebte Gastfreundschaft für Gläubige, suchende Studenten und alte Menschen (Hauss 1968:463; Schick & Haag 1982:29). Mit dem Fälkli entwickelte sich das diakonische Anliegen von Spittler, der rasch zu einem „Magneten für die Unglücklichen und die in Not Geratenen“ wurde (Rennstich 1987:149). Bereits 1813 gründete er eine Armenherberge für Lazarettkranke und verteilte dort Bibeln und Traktate. Während seinem Leben hat Spittler rund 30 missionarisch-diakonische Werke ins Leben gerufen.[8] Er legte Hand an, wo immer er eine Not sah. So konnte Spittler sagen:

 

„Was hilfts, wenn wir beim warmen Ofen und einer Pfeife Tabak - (er selbst war übrigens ein abgesagter Feind des Rauchens) - die Notstände der Zeit bejammern, handanlegen müssen wir und sei es auch ganz im Kleinen(Pilgermission 1885:192, Hervorh. i.O.).

 

Spittler besass eine Gabe, die Not im Volk und in der Kirche wahrzunehmen und darauf zu reagieren (Haag 1995:22). Diese diakonische Lebenshaltung bestimmte Spittlers gesamte Lebensweise. Unterschiedlichste Leute fanden bei ihm Trost und konnten ihr Herz ausschütten. So war Spittler bekannt als Freund der Armen und Randständigen (Graf 1994:77). Kraft für sein diakonisches Engagement fand er in seinem Glauben. Die Liebe zu Gott weckte in Spittler die Liebe zum Nächsten:

 

„Es war der Zug erbarmender Liebe für Verlassene, Arme, Elende; der sich mit der Zeit durch Gottes Gnade so weit ausbildete, dass es bei ihm hiess: niemand und nichts aufgeben.(Pilgermission 1885:32, Hervorh. i.O.)

 

Für seine aktive und umtriebige Art erntete Spittler nicht nur Lob. Der ebenfalls bibeltreue J.T. Beck, dannzumal Professor an der Universität Basel, übte harsche Kritik am Basler Pietismus und dem „Handanlegen“ Spittlers. Beck vertrat die Einstellung, dass das Reich Gottes nicht gebaut werden kann, sondern sich ereignet. In den Gründungen Spittlers sah Beck menschliche Eigenwilligkeit am Werk (Schick & Haag 1982:64–67). Diese Kritik traf Spittler tief, hielt ihn aber nicht von weiteren Aktivitäten ab, denn Spittler hatte ein anderes Reich-Gottes Verständnis: Weil Gott in der Welt wirksam ist, soll auch der Mensch Verantwortung für die Welt übernehmen (Rennstich 1987:125).

 

Spittler steht als Beispiel für einen Pietisten, der sich nicht von der Welt zurückzog. Rennstich bemerkt: „Sein ganzes Leben ist ein Dokument der Einmischung in die Welt“ (1987:69). Den sozialen Nöten in der Gesellschaft begegnete Spittler ebenso, wie den geistlichen Nöten seiner Zeit. Er stellte seine Kräfte und Gaben ganz in den Dienst Gottes und wusste missionarisches und diakonisches Handeln zu verbinden, was ihn in Basel zu einem Vertreter eines „aktiven Neupietismus“ machte (Haag 1994a:1884).

 

4.4 „Lieblingswerk“ Pilgermission St. Chrischona


 

Im Jahr 1840 rief Spittler sein „Lieblingswerk“ Pilgermission ins Leben (Schick & Haag 1982:44). Der Pilgermission stand Spittler bis zu seinem Lebensende mit viel Leidenschaft vor. Das Werk sollte verstärkt den geistlichen Nöten begegnen. Spittler hatte eine Sicht für Leute, die von der Kirche nicht mehr erreicht wurden und gerade darum das Evangelium dringend nötig hatten. (Veiel 1940:16).

 

Um diesem Anliegen zu begegnen, gründete er mit der Pilgermission eine Schule, welche junge Männer, die nicht Theologie studieren konnten, vorbereiten sollte auf ihre künftige Aufgabe als „Pilgermissionare“. Durch ein einfaches und schlichtes Leben auf Wanderschaft (Pilger) sollten die Männer durch ihren Beruf Geld verdienen und dabei Zeugen sein (Missionare) für Jesus Christus (Frische 1994:84). Ziel von Spittler war es, das Bibelwort im Sinne von Spener „reichlicher unter die Leute zu bringen“ (Spener 1964:55).

 

Spittler wollte mit der Pilgermission weder ein strukturiertes Gemeindewerk, noch eine neue Denomination ins Leben rufen. Immer ging es ihm vorrangig um den Menschen und weniger um die Organisation. Die ersten Pilgermissionare verrichteten ihren Dienst in Synergie mit anderen Gesellschaften und zeichneten sich durch ein erfolgreiches Networking aus (Aeschlimann 1990:55). Die Entwicklung der Pilgermission zur freikirchlichen Arbeit fand erst unter Spittlers Nachfolger Rappard am Ende des 19. Jahrhunderts statt.

 

4.5 Spittlers Frömmigkeit


 

Spittler pflegte eine tiefe pietistische Volksfrömmigkeit (Buser 2015:10). Ein intensives Gebetsleben war zentral für seine Spiritualität. Spittler berichtet in seinen Aufzeichnungen von „inbrünstigem“ Gebet, erneuter Lebenshingabe, einen „einfältigen Kindersinn“ und dem Gebet um Weisheit und Offenbarung von Gott (Sarasin o.J.:134–135). Jeden Morgen nahm er seine Arbeit erst auf nach halbstündiger Gebetszeit.

 

Gebet und Bibelstudium am Morgen, vor dem Beginn des Tagewerks, war ihm ein wichtiges Anliegen. So schrieb Spittler: „Es ist nicht gut, spät aufzustehn; man kürzt am Gebet und Bibellesen ab, und dies muss man den ganzen Tag büssen (Pilgermission 1885:187). Ebenso folgte auf das Abendessen eine weitere Andacht. Morgens las Spittler ein Kapitel im Alten, am Abend ein Kapitel im Neuen Testament.

 

Was Spittler tat, tat er im Vertrauen auf Gott und sein Wort: „Liebe zum HErrn [sic] und seinem Wort, Liebe zu den Brüdern, und Liebe zu allen Menschen, war der Grundtrieb seines Lebens (:385). Zimmermann beschreibt die Frömmigkeit von Spittler als Glaubenstreue, verbunden mit dem Biblizismus von Bengel und der Herzensfrömmigkeit von Teerstegen. Die Schriften „vom wahren Christentum“ von Arndt gehörten ebenso zu Spittlers täglicher Lektüre wie der kleine Katechismus Luthers, den er auswendig konnte. Jeden Sonntag las er zudem eine Predigt von Ludwig Hofacker (:391).

 

Spittlers Frömmigkeit war wie für den Pietismus üblich, stark christozentrisch geprägt. Durch seine persönliche Spiritualität konnte er in den Herausforderungen seines aufreibenden Arbeitsalltages bestehen, still sein und warten bis Gott ruft um dann dorthin zu gehen, wohin Gott ruft. Aufgrund seiner Frömmigkeit wurde Spittler von seinem Freund C.G. Barth als...

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