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E-Book

Fritz Wunderlich

Eine Biografie

AutorWerner Pfister
VerlagSchott Music
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl464 Seiten
ISBN9783795786120
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Als Fritz Wunderlich 1930 im nordpfälzischen Kusel geboren wurde, konnte niemand ahnen, dass einer der größten Sänger des 20. Jahrhunderts das Licht der Welt erblickt hatte. Seine ungewöhnliche musikalische Begabung, die schon früh von seinen Eltern gefördert wurde, ließ kaum einen Zweifel an seiner späteren Berufung aufkommen. Nach dem Gesangsstudium eroberte er innerhalb weniger Jahre die Opernhäuser und Konzertsäle Europas und wurde der bedeutendste deutschsprachige lyrische Tenor seiner Zeit. Zum 80. Geburtstag dieses viel zu früh verstorbenen Sängers wird die erfolgreiche Biografie von Werner Pfister in Überarbeitung neu als Taschenbuch aufgelegt. Es ist dank der objektiven, engagierten und kritischen Schilderungen noch immer das maßgebende Werk zu Wunderlichs Leben.

Werner Pfister studierte Germanistik, Musikwissenschaft und Literaturkritik und promovierte 1979 mit einer Arbeit über Hugo von Hofmannsthal und die Oper. Parallel dazu absolvierte er eine Gesangsausbildung, die ihn in der Saison 1982/83 dazu befähigte, als Mitglied des Opernstudios am Opernhaus Zürich aufzutreten. WernerPfister arbeitet als freiberuflicher Publizist, Autor und Herausgeber

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Leseprobe

Vorwort zur Taschenbuchausgabe

Dass eine Künstler-Biografie, die zum ersten Mal vor zwanzig Jahren erschien und seither in einer überarbeiteten Neuausgabe abermals aufgelegt wurde, nun auch noch in Taschenbuchform erscheint, ist wohl außergewöhnlich. Zurückzuführen ist das auf ihren außergewöhnlichen Gegenstand – auf Fritz Wunderlich und die unmittelbare Faszination, die auch jetzt noch von ihm ausgeht, wo der unvergessene deutsche Tenor seinen 80. Geburtstag feiern könnte. Neue CD-Veröffentlichungen, zum Teil von privaten Tondokumenten der Familie, zum Teil von Rundfunkmitschnitten oder alten, vermeintlich längst vergessenen Schallplatten-Einspielungen aus den Kindertagen der Stereo-Zeit, bezeugen es: Fritz Wunderlich ist medial präsent wie vielleicht nie zuvor. Wohl fast bis auf den letzten Ton, den er je vor Mikrofonen gesungen hat, ist heute alles zugänglich gemacht worden: von den populären Schnulzen, die der blutjunge Sängerstudent für ein paar Mark im Südfunk in Freiburg einspielte, über private Probenmitschnitte bis zu jenen Tenorschlagern, mit denen er sich in den sechziger Jahren ebenbürtig neben so große Vorbilder wie Jan Kiepura, Joseph Schmidt, Richard Tauber oder Peter Anders einreihte.

Angesichts seiner nur gerade einmal zehn Jahre lang dauernden Karriere erscheint uns Fritz Wunderlichs künstlerische Produktivität erst recht unglaublich. Ein Blick in seinen prall gefüllten Terminkalender macht uns auch heute noch staunen; und was in diesen wenigen Jahren damals an Schallplatten-Einspielungen zustande gekommen ist, zum großen Teil im Teamwork mit den bedeutendsten Kolleginnen und Kollegen, den renommiertesten Dirigenten und besten Orchestern, darf sich auch heute noch sehen lassen.

Dies alles einmal chronologisch zu erfassen, Schritt für Schritt den einzelnen Terminen, den Konzertauftritten und Opernvorstellungen von Fritz Wunderlich nachzuspüren und dabei gleichzeitig seine künstlerische Umwelt, seine Familie und seine Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen, das war die ursprüngliche Intention der vorliegenden Biografie. Eine Dokumentarbiografie also, die Fakten präsentiert, Material herbeischafft und Wunderlichs kulturelle Umwelt – die fünfziger und sechziger Jahre sind für uns ja längst historisch geworden – zumindest in Umrissen noch einmal nachzuzeichnen versucht. Nicht zuletzt sollte damit einer spekulativen Mythenbildung, wie sie spätestens nach Wunderlichs frühem, tragischem Tod da und dort die Runde zu machen begannen, entgegengewirkt werden.

Die Gefahr einer voreiligen Identifizierung mit dem Gegenstand war mir bei der Arbeit bewusst, und so erwies sich objektive Distanznahme als der gangbarste Weg, auch wenn sich selbst auf diesem Weg gewisse Aspekte einer Identifikation nie ganz vermeiden ließen. Ähnliches könnte man auch für den Anspruch nach Vollständigkeit geltend machen: Obwohl dieser nie restlos einlösbar ist, weil stets neue Materialen auftauchen, war er dennoch wegweisend.

Neu für viele Leser dürfte sein, dass Fritz Wunderlich nicht nur zusammen mit der australischen Primadonna Joan Sutherland gesungen hat, sondern ein einziges Mal auch mit der spanischen Operndiva Montserrat Caballé. Und zwar im Mai 1963 anlässlich des Festivals in Lausanne: Gegeben wurde Mozarts Zauberflöte, für Montserrat Caballé das Rollendebüt als Pamina; Mady Mesplé sang die Königin der Nacht und Gottlob Frick, einer der nächsten Künstlerfreunde Fritz Wunderlichs, den Sarastro. Trotz des Hinweises in der Biografie von Montserrat Caballé, dass eine der Aufführungen vom Rundfunk mitgeschnitten worden sei, konnte bis heute keine Bandkopie ausfindig gemacht werden.

Neu sind zudem Live-Mitschnitte aus Oper und Konzert, die in den letzten Jahren – meistens von der Deutschen Grammophon – zum ersten Mal anhand der Originalbänder und dadurch in optimaler Klangqualität veröffentlicht wurden. Dazu gehört die konzertante Aufführung von Händels Alcina von 1959 aus dem Kölner Funkhaus mit dem legendären »Traumpaar« Sutherland–Wunderlich; dazu gehört auch der deutsch gesungene Don Giovanni aus der Oper Köln vom März 1960. Die Hauptpartien waren mit prominenten Sängerpersönlichkeiten besetzt, vier von ihnen sangen ihre Rollen sogar zum ersten Mal: Hermann Prey (Don Giovanni), Franz Crass (Komtur), Edith Mathis (Zerline) sowie Fritz Wunderlich (Don Ottavio). Ergänzt wurde dieses vorzügliche Ensemble mit Elisabeth Grümmer, der damals zweifellos besten Donna Anna, und Hildegard Hillebrecht als Elvira. Am Dirigentenpult: Wolfgang Sawallisch.

Ebenso wertvoll ist ein Konzertmitschnitt von Giuseppe Verdis Messa da Requiem aus Stuttgart von 1960: das einzige Tondokument Wunderlichs von diesem Werk. Aus seinen Anfängerjahren an der Stuttgarter Oper stammen hingegen jene Einspielungen von Bachs Magnificat, des Oster-Oratoriums sowie der Osterkantate BWV 31, die Wunderlich unter dem Pseudonym Werner S. Braun veröffentlichen ließ, da er damals gleichzeitig beim Europäischen Phonoklub unter Vertrag war, und zwar exklusiv. Auch sie sind, übrigens im graphisch aparten Look der originalen LP-Hüllen von anno dazumal, neu aufgelegt worden wie auch die drei Populär-Platten, die Wunderlich für Polydor aufnahm: Ein Lied geht um die Welt, Du bist die Welt für mich und Wunderlich in Wien. Dasselbe gilt auch für die Weihnachtsmusik, die Wunderlich im Sommer 1966 mit dem Sängerkollegen Hermann Prey, mit Will Quadflieg, der die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium las, und einer Reihe befreundeter Musiker eingespielt hatte.

Abgesehen von einigen Fehlerkorrekturen und einer gegenüber der Erstausgabe leicht veränderten Bildauswahl, erscheint diese Biografie in ihrer ursprünglichen Gestalt und mit derselben Zielsetzung wie damals: die einzelnen Stationen im künstlerischen Werdegang Fritz Wunderlichs sachlich nachzuzeichnen, um den zahllosen Bewunderern einen fundierten Zugang zu Wunderlichs Leben und seiner singulären Kunst zu ermöglichen. Denn eines, so scheint mir, ist in den zwanzig Jahren seit der ersten Veröffentlichung dieses Buches gleich geblieben, ja hat sich seither wohl noch verstärkt: das Staunen über Fritz Wunderlichs außerordentliche künstlerische Intensität, über sein untrügliches Stimmgefühl, gleichviel ob er Bachs Passionen oder Schlagerlieder vom Tage sang, sowie über seinen Stimmglanz, die auserlesene Schönheit seines Timbres.

»Fast erschrak ich beim Hören«, so fasste es Dietrich Fischer-Dieskau nach seiner ersten Begegnung mit Wunderlich zusammen, »denn diese Stimme hatte einen berückenden Schmelz und dabei doch das notwendige Gran Metall im Klang, wie es so von deutschen Tenören schon seit langem nicht mehr zu vernehmen war.« Man könnte weitere Sänger zitieren, Tenorkollegen wie Werner Hollweg: »In seinem Fach ist das für mich die Jahrhundertstimme.« Oder Peter Seifert: »Fritz Wunderlich bedeutet für mich die große Herausforderung im deutschen lyrischen Fach. Ich glaube, dass er etwas ganz Wesentliches geschafft hat: Er war richtungsweisend für eine neue Generation.« Hängt es wohl damit zusammen, dass Fritz Wunderlichs Gesang auch heute, nach fünfzig und mehr Jahren, in keinem Ton »alt« und »gestrig« klingt, sondern gegenwärtig und zeitlos wie damals?

Kein Zweifel, Fritz Wunderlich stand hinter jedem Ton, den er sang – ja mehr noch: Er stand mit gleichsam heiligem Ernst hinter seiner Arbeit, und das seit seinen entbehrungsreichen Studienjahren in Freiburg im Breisgau. Welch hohen Begriff er von der großen Verantwortung eines nachschaffenden Künstlers hatte, geht aus einem Brief an eine Schulfreundin in Kusel hervor, der er Anfang 1953 schrieb:

»Morgen beginnt also meine eigentliche Arbeit wieder. Meine Arbeit, die mich wieder ganz erfüllen wird, die mir über alle Sorgen und Kümmernisse des Lebens hinweghilft. Je mehr ich auf meinem Weg fortschreite, desto näher kommt mir das Wort Beethovens: ›Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie.‹ Wie recht hatte dieser große Musiker, und wie klein und erbärmlich kommt man sich vor, wenn man die Majestät einer Symphonie erlebt, wenn man die ganze Urgewalt fühlt, die das Wort Musik als Begriff in sich trägt. Die ungeheure Verantwortung, die wir jungen Musiker tragen müssen, nämlich die Schöpfungen unserer großen Meister zum Leben zu erwecken, muss uns heilig sein. Denn nur wer den Geist, das eigentliche der Kunst entdeckt, der ist von der Vorsehung berufen, Künstler zu sein. Viele scheitern daran, dass sie sich ablenken lassen vom Beifall, der sie umrauscht, dass sie sich an dem Gefühl freuen, gefeiert zu sein. Das ist der Anfang des Verfalls.

Aber ich will keinen Vortrag über Kunstauffassung halten. Ich möchte hineinführen in das unfassbare Geheimnis, das...

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