Im deutschen Lebensmittelrecht greifen verschiedene Rechtsordnungen ineinander. Auf internationaler Ebene bestehen Richtlinien, Normen und Empfehlungen seitens der Welthandelsorganisation (WHO) und von der WHO gegründete Codex Alimentarius Kommission mit dem Ziel, den Gesundheitsschutz im Sinne des Verbrauchers zu sichern und Handelshemmnisse zu beseitigen. Jedoch sind diese Erlasse auf nationaler Ebene erst rechtsbindend, wenn diese vom nationalen Gesetzgeber auch übernommen werden. (Kügel, 2010) Das Lebensmittelrecht in Deutschland ist eng an das Lebensmittelrecht in Europa geknüpft. Bis auf wenige Ausnahmen werden lebensmittelrechtliche Angelegenheiten auf europäischer Ebene in Form von Verordnungen, Richtlinien und Empfehlungen entschieden. (Hagenmeyer, 2014) Verordnungen sind für die EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar bindend. Richtlinien und Empfehlungen hingegen müssen von den Mitgliedstaaten erst in nationales Recht umgesetzt werden. (Kügel, 2010)
Es existiert derzeit keine rechtlich bindende Definition für FLM, sodass diese auch keine eigene rechtlich legitimierte Lebensmittelkategorie darstellen. Auch die Rechtsprechung hat in Bezug auf Lebensmittel, die einen funktionellen Nutzen aufweisen, keine inhaltlichen Regelungen erarbeitet oder festgelegt. (Kügel, 2010) In der EU und in Deutschland bestehen somit derzeit keine klaren gesetzlichen Regelungen für FLM (Stand Januar 2015), die über das allgemeine Lebensmittelrecht hinausgehen. (Hagenmeyer, 2014)
FLM fallen somit als Lebensmittel in erster Linie unter die Lebensmittelbasisverordnung (siehe Kapitel 4.1) und das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (siehe Kapitel 4.2). (Pütz, 2012) In Bezug auf Werbeversprechen der Ernährungswirtschaft über gesundheitliche und nährwertbezogene Angaben für FLM gilt seit dem 01. Juli 2012 EU-weit die Health-Claims-Verordnung (1924/2006). Die Health-Claims-Verordnung heißt übersetzt „Gesundheitsbehauptungen-Verordnung“. (Verbraucherzentrale Sachsen, 2014) Ist eine Abgrenzung von FLM zu anderen Lebensmitteln (Novel Food, diätischen Lebensmittel und nährstoffangereicherten Lebensmitteln) nicht hinreichend möglich, kann die Novel-Food-Verordnung, die Anreicherungsverordnung oder die Verordnung über diätetische Lebensmittel greifen. (Pütz, 2012)
Nachfolgend werden die wichtigsten gesetzlichen Regelungen in Bezug auf FLM aufgeführt. Auf die Novel-Food-Verordnung und die Verordnung über Diätische Lebensmittel wird in dieser Arbeit kein Bezug genommen.
Die Lebensmittelbasisverordnung (Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates) regelt das Lebensmittelrecht auf europäischer Ebene. In Bezug auf FLM ist die Lebensmittelbasisverordnung von essenzieller Bedeutung, da FLM als Lebensmittel gelten und sie somit unter diese Verordnung fallen. (Hagenmeyer, 2014) Das europäische Lebensmittelrecht wird in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in drei wesentliche Bereiche unterteilt:
allgemeine Grundsätze des Lebensmittelrechts
die Einrichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)
Regelungen über ein Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (Meyer I. A., 2007)
Zudem ist in diesem Regelwerk die rechtlich bindende Definition von Lebensmitteln aufgeführt. Diese gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union. (Hagenmeyer, 2014)
Nach der Lebensmittelbasisverordnung sind Lebensmittel wie folgt definiert:
„alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu ,Lebensmitteln‘ zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe — einschließlich Wasser —, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden.“ (Verordnung (EG) Nr. 178/2002, Artikel 2, 2002, S. L31/7)
Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) ist am 7. September 2005 in Deutschland in Kraft getreten und löste das seit dem Jahre 1974 geltende Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz ab. Das LFGB ergänzt auf nationaler Ebene alle rechtlichen Belange, die nicht in der Lebensmittelbasisverordnung geregelt sind. Für FLM sind die Paragrafen § 12 LFGB (Krankheitswerbeverbot) und § 11 LFGB (Schutz vor Täuschung und Irreführung) von besonderer Relevanz. (Pütz, 2012) (Hagenmeyer, 2014);
Die Health-Claims-Verordnung ist eine europäische Verordnung mit dem Namen:
„Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel.“
Die Verordnung ist am 1. Juli 2007 in Kraft getreten und bezieht sich im Wesentlichen auf nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (Health-Claims) bei der Aufmachung, Kennzeichnung und Werbung für Lebensmittel. (Hagenmeyer, 2014) Die Verordnung gilt nicht für Nahrungsergänzungsmittel. Durch diese Verordnung sollen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in den Mitgliedstaaten harmonisiert werden, um eine einheitliche Regelung für den europäischen Binnenmarkt zu gewährleisten. Zudem soll diese Verordnung ein hohes Verbraucherschutzniveau innerhalb der EU sichern. (Health-Claims-Verordnung, 2006).
Da FLM über ihren normalen ernährungsphysiologischen Wert hinaus noch einen gesundheitlichen Zusatznutzen besitzen, wird dieser auch zumeist von der Ernährungswirtschaft kommerziell beworben. (Dustmann H. , 2014) In diesem Kontext ist die Health-Claims-Verordnung in Bezug auf Kennzeichnung, Werbung und Beschreibung von FLM für die Ernährungswirtschaft essenziell.
Die Health-Claims-Verordnung regelt die nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben durch das Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt. Wenn eine Angabe nicht zugelassen ist, dann darf diese auch nicht verwendet werden. Verallgemeinert heißt dies: „was nicht erlaubt ist, ist verboten“. Die nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben werden in Form eines sogenannten Positivkataloges angegeben. (BVL, IV, 2015)
Nach Artikel 12 gilt ein generelles Verbot über Angaben, die Folgendes suggerieren:
dass beim Verzicht eines bestimmten Lebensmittels die Gesundheit beeinträchtigt wird
Angaben über Ausmaß und Dauer einer Gewichtsabnahme
Empfehlungen einzelner Ärzte und/oder Personen anderer medizinischer Berufe (Health-Claims-Verordnung, 2006)
Die Europäische Kommission betreibt ein öffentliches Gemeinschaftsregister (EU Register of nutrition and health claims made on foods) über die nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben. In diesem Gemeinschaftsregister, auch Unionsregister genannt, sind alle zugelassenen und abgelehnten Angaben (Claims) öffentlich über die Webseite der Europäischen Kommission einsehbar. (European Comission; I, 2015)
Nachfolgend werden nährwertbezogene Angaben, gesundheits- und krankheitsbezogene Angaben der Health-Claims-Verordnung näher erläutert.
Eine nähwertbezogene Angabe ist nach Artikel 2 Absatz 2 Nummer 4 „jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt“, und zwar im Hinblick auf den Brennwert (der Energie), die Nährstoffe und andere Substanzen[4]. (Health-Claims-Verordnung, 2006)
Nach Artikel 8 sind nähwertbezogene Angaben nur erlaubt, wenn sie auch im Anhang (Nährwertbezogene Angaben und Bedingungen für ihre Verwendung, L404/23) der Health-Claims-Verordnung aufgelistet sind und den festgesetzten Bedingungen entsprechen. (Health-Claims-Verordnung, 2006) Dies erfolgt in Form eines Positivkataloges, der regelmäßig aktualisiert wird. (Meyer, III, 2008)
Tabelle 1 zeigt einen Auszug der nährwertbezogenen Angaben aus dem Anhang der Health-Claims-Verordnung.
Tabelle 1: Ausschnitt aus dem Anhang der Health-Claims-Verordnung (Health-Claims-Verordnung, 2006)
Gesundheitsbezogene Angaben sind nach der...