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E-Book

Von ganz unten zum King of Fashion

AutorChristian Audigier
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783864131363
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
ES IST EINE DER UNGLAUBLICHSTEN ERFOLGSSTORYS IN DER GESCHICHTE DER MODE: Christian Audigier, der in ärmlichen Verhältnissen in der Vorstadt von Avignon aufwuchs, herrscht heute über das erfolgreichste Modeimperium unserer Zeit. Als kleiner Junge schnitt er Fotos aus Modezeitschriften aus und träumte vom großen Geld. Mit 15 eröffnete er einen Kleiderladen in einer Garage, und ein Jahr später war er der jüngste Stylist der Welt. Er kam ohne Geld nach Amerika und fing nochmal ganz von vorne an. Er designte für Diesel, Levi's und Naf Naf und verhalf Von Dutch zum großen Durchbruch. Schließlich gründete er sein eigenes Label Ed Hardy. Damit wurde Audigier in kürzester Zeit zum King of Fashion.

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Leseprobe

1 SUSPICIOUS MINDS


»Sorgt dafür, dass der Traum euer Leben verschlingt und nicht das Leben euren Traum.«

Antoine de Saint-Exupéry

Suspicious Minds, Elvis Presley, Mark James, 1969

Bali ist ein Fest!

Ein Fest der Sinne, der Farben, der Düfte, der Klänge, der Traditionen, der Vermählung von Mutter Natur und Vater Ozean. Selbst der Tod bietet hier Anlass zu Freude, denn er existiert nicht. In der hinduistischen Religion macht sich die ewige Seele, befreit von ihrer leiblichen Hülle, auf zu einer großen Reise, um in anderer Reinkarnation wiederzukehren.

Ich habe mich bis über beide Ohren in die Insel der Götter verliebt. Vor drei Jahren bin ich hier gelandet, weil ich wieder das Sorgerecht für meine Tochter Crystal bekommen wollte, die mit ihrer Mutter Michèle von zu Hause weggegangen war. Obgleich ich also eigentlich in einer Notsituation steckte, hat mich diese mythische Station der alten Gewürzhandelsroute in ihren Bann geschlagen, denn sie hat etwas, das mich sehr an ... Haute Couture denken lässt, mit einem Hauch von Commedia dellArte.

Von allem gibt es hier zu viel: Die Sonnenuntergänge sind von einer farblichen Intensität, als seien sie von einem Maler retuschiert worden, und die Wellen, die unablässig an den beliebten Stränden von Padang Padang oder Uluwatu anbranden und auf denen Surfer mit athletischer Eleganz reiten, sind perfekt, schön und kraftvoll. Die vorherrschenden Farbtöne sind Rosa, Fuchsia-Purpur, Grün, Blau, Türkis. Die von maskentragenden oder stark geschminkten Gläubigen abgehaltenen Zeremonien sind von einer ungeheuren Intensität. Es ist eine Art irdisches tropisches Paradies, an das Galliano, Kenzo oder John Richmond Hand angelegt zu haben scheinen. Eine rauschhafte Szenerie inspirierter Schöpfergeister, überragt von majestätischen Vulkanen und terrassierten Reisfeldern, zerzaust von Passatwinden, die als Klangteppich den metallischen und synkopierten binären Rhythmus der Gamelan-Orchester1 mit sich tragen. Und dann ist da dieser betörende Duft der Räucherstäbchen, der sich mit den Gerüchen der Gewürze und dem der Gischt des Meeres vermengt. Kurz, ein einzigartiger Ort, dem man nicht unbeeindruckt wieder entkommt und den der Autor und Regisseur Marc Esposito in Toute la beauté du monde (Alle Schönheit dieser Erde) in seiner ganzen strahlenden Majestät filmisch einzufangen wusste. Die Insel der Verzauberungen ...

Bali ist ein Fest!

Zumindest versuche ich mir dies in diesem Augenblick einzureden ... Carolina, von der ich glaubte, sie sei die Frau meines Lebens, hat mich gerade verlassen, um zu ihrem Mann nach Brasilien zurückzukehren. Ich bin am Boden zerstört, todunglücklich, aber ich versuche, etwas dagegen zu tun. Auf meiner Klappermühle schlängele ich mich zwischen Dutzenden von Minibussen, Rädern, Motorrollern und Autos hindurch, die sich zwischen Seminyak, Legian und Kuta stauen, den drei Perlen der Badeorte an der Südküste Balis. Wir sind weit entfernt von den berühmten »vier Ks«, die reisende Hippies gerne ansteuern – Kath-
mandu in Nepal, Kabul in Afghanistan, Kuta Beach hier in Indonesien und Kailua auf Hawaii –, aber die Magie und Energie der Lebensweise sind hier lebendig. Hinter mir sitzt Sexy Lady, eine hübsche Italienerin, die ich vor einer Woche kennengelernt habe, und hält sich an meiner Hüfte fest ... Ich bin total flippig drauf: Am Stamm einer Palme habe ich meinen zehnten Joint des Tages ausgedrückt und dann den Stummel, den »Arsch der Alten« – das Beste –, in die Brusttasche meines Jeanshemdes gesteckt, einer Lee-Vintage-Reliquie der 1960er-Jahre, Souvenir eines anderen Lebens.

Nun rollt mal los, ihr kleinen Flitzer, Meister der Geschwindigkeit, düst ab zu einer Villa in der Nähe des »Double Six«, des kultigen Elektro-Pop-Schuppens am Strand von Legian. Heute Abend ist Spaghetti-Party angesagt, unter lauter Franzosen!

Juli 2000. Ein Samstagabend mitten in der Trockenzeit, der touristischen Hochsaison des Jahres. In Sachen illegaler Geschäfte, Straftaten, Stoff und Prostitution ist Kuta Beach das heimliche Zentrum der Insel. Sicher, kommt man in Tuban, am Flughafen Ngurah Rai, rund 15 Kilometer von Denpasar entfernt, an, sind die großen Schilder für niemanden zu übersehen:

DROGEN = TODESSTRAFE

Und natürlich bezweifelt keiner in diesem Land, in dem die Korruption Königin ist, dass die Dealer die wichtigsten Informanten der Bullen sind. Da ist ein machiavellistischer Geldkreislauf in Gang, eine monströse Kette, in der das Geld aus den Drogengeschäften und der Stoff selbst ungestraft und ad infinitum zirkulieren. Es ist dort bekanntermaßen der profitträchtigste Erwerbszweig. The Dealer is a Pusher2, wie Frank Zappa sang.

Wehe den Verlierern.

Wehe den Besiegten.

Wehe denen, die in die Falle gehen und keine Mittel haben, um sich auf einen Handel einzulassen.

Im Laufe von drei Jahren habe ich Hunderte von Geschichten gehört, eine grauenvoller als die andere, Geschichten, in deren Mittelpunkt allzu naive und leichtgläubige Touristen stehen, die sich rupfen lassen wie Hühnchen. Im besten Falle ... Denn viele von diesen Leuten versauern noch immer in den Gefängnissen von Denpasar, manchmal nur wegen ein paar Joints. Vorsichtig, wie ich bin, habe ich mich von heiklen Situationen stets Lichtjahre entfernt gehalten. Aber vor zwei Tagen haben es zwei Franzosen mit ihren Vergehen zu weit getrieben und dann auch noch wie wild gewordene Rumpelstilzchen tölpelhaft Spuren gelegt. Zuerst haben sie sich ihren Leih-Roller klauen lassen, dann haben sie Utensilien zum Koksen und Reste von Koks in ihrer Villa zurückgelassen. Schließlich, als Sahnehäubchen, haben sich die beiden Arschlöcher auch noch einen Stricher kommen lassen und ihm dann sein Honorar verweigert. Deshalb ist der Lude dann losgezogen, um sich beim banjan, dem Ortsvorsteher, zu beschweren, und hat ihm eine eigene Version dieser grandiosen Affäre verklickert und dabei schön ausführlich vom Koks erzählt ... Kurz – die Dinge nahmen ihren Lauf: Sämtliche Bullen der Südküste waren auf Alarmstufe eins und scharf darauf, die beiden Typen auf frischer Tat zu schnappen.

Die Party ist in vollem Gang. Ich flirte mit Sexy Lady ...

Knapp eine Stunde bevor wir die Villa betreten haben, haben wir noch zwei Ecstasy-Pillen geschluckt. Auf balinesische Art. Knutschend. Die Zungen berühren sich, die kleinen Glückspillen wechseln von einem Mund in den anderen ...

Ich schwebe. Ich tanze. Ich schließe die Augen.

Ich mache sie wieder auf ...

Das ist nicht mehr meine Italienerin, die sich da mit vorgereckten Brüsten, fordernden Lenden und erhobenen Armen lockend vor mir windet ... ich sehe Carolina. Du hast mich einfach stehen lassen und mir das Herz zerrissen, Carolina. Ich war so naiv zu glauben, alle Finessen der Liebe bereits zu kennen, aber du warst eine sexuelle Offenbarung. Du hast mich angemacht. Es war die völlige Verschmelzung zweier Wesen, eine subtile Alchimie der Pheromone.

Warum haben mich ausgerechnet jene Frauen, die ich am meisten liebte, am brutalsten fallen lassen?

14 Franzosen sind im gleichen Zustand wie wir, schweben auf einer herzförmigen rosa Wolke. Es sind allesamt Leute, die mit Mode zu tun haben oder in Paris im Showbusiness arbeiten. La Vérité si je mens3 auf Bali!

Von ihnen allen kenne ich nur einen. Aus Gründen der Diskretion werde ich ihn nur Mister Good Guy nennen. Er ist cool, lebenslustig und besucht mich regelmäßig hier im Paradies. Er hat ein intelligentes und originelles Konzept entwickelt, und seine Modemarke verkauft sich gut.

14 Franzosen der Generation Benetton: Alle Hautfarben, alle Rassen und die unterschiedlichsten Religionen sind vertreten. Das unterscheidet sich nicht von meinem gewohnten Universum: Ich bin in Avignon geboren, in einer der ersten Arbeitervorstädte, mehr als 30 Jahre habe ich als Modedesigner gearbeitet, mein Metier bei Juden gelernt, und meine Freunde sind mehrheitlich Zigeuner, Araber, Schwarze oder Asiaten. Ich bin ein Wandervogel, einer aus dem Süden, in allen südlichen Gefilden und unter allen Sonnen zu Hause. Ein Weltbürger.

Plötzlich herrschen zwischen zwei Titeln der Stones ein paar Sekunden Stille.

Das Flügelschlagen von Vögeln, die aus Bäumen auffliegen, ist zu hören, Hundegeheul, das Knacken zerbrechender Äste. Nicht umsonst werde ich »Vif« genannt, und als solcher4 vermag ich Alarmsignale vor allen anderen zu erspüren und wahrzunehmen.

Blitzartige Erkenntnis: Jemand hat uns verpfiffen!

Ich brülle: »Die Bullen!« Sofort schmeißen all die Typen illegales Zeugs aus ihren Taschen. Innerhalb von zwei Sekunden ist der Boden von bunten Pillen und unterschiedlichsten Tütchen bedeckt: LSD, Ecstasy, halluzinogene Pilze, Marihuana, Koks ... Die komplette psychedelische Underground-Apotheke des Dr. Feelgood.

Während ich noch verblüfft auf den Boden gucke, springen mir zwei schwarz gekleidete Ranger eines Zivilbullen, der gerade über die Umgrenzungsmauer gestiegen ist, an die Kehle. Für den Rest meines Lebens werde ich dieses Bild vor Augen haben, eine Szene wie ein stark symbolisch aufgeladenes Stillleben: hier die aggressiv auftretenden Kampfstiefel, da die Drogen.

Ordnung und Chaos. Gut und Böse.

Diese Sequenz habe ich in...

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