Kapitel 1:
Was ist das World Economic Forum?
Das Weltwirtschaftsforum von Klaus Schwab hat sich erklärtermaßen das Ziel gesetzt, Beiträge zu einer besseren Welt zu leisten. Es arbeitet als gemeinnützige Organisation in Form einer Stiftung, hat sich indes im Lauf der Jahre zu einer Art Unternehmen entwickelt – allerdings steuerbefreit. Anfallende Gewinne gehen in das Stiftungskapital. »Im Grunde genommen sind wir ein KMU«, sagt Organisationschef Alois Zwinggi.3 In der Tat: Der Größe nach wäre das Weltwirtschaftsforum mit Einnahmen von zuletzt nahezu 230 Millionen Franken oder gut 200 Millionen Euro und einer Belegschaft von mehr als 600 Frauen und Männern (einschließlich der Standorte in New York, Beijing und Tokio) ein bedeutender Mittelständler.
Organisatorisch ist das World Economic Forum mit Sitz in Cologny vor den Toren der Stadt Genf allerdings etwas anders aufgestellt als eine typische Firma. Operative Schaltzentrale ist der neunköpfige Managing Board. Klaus Schwab amtiert hier wie allgemein im Forum als Founder and Executive Chairman. Platt formuliert kann man sagen, Schwab ist das Forum und das Forum ist Schwab. Daran hat sich seit dem Beginn im Jahr 1971 nichts geändert. »Ohne ihn bewegt sich keine Maus«, glaubt einer meiner Gesprächspartner.
Die weiteren Mitglieder des Vorstands sind Lee Howell, Jeremy Jurgens, Cheryl Martin, Adrian Monck, Philipp Rösler, Richard Samans, Murat Sönmez und Alois Zwinggi. Jurgens und Monck waren vor ihrer Berufung in die Führungsspitze schon mehrere Jahre für das Forum tätig und leiten die Abteilungen für Information und gesellschaftliches Engagement. Lee Howell, einst Berater des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge und der Hilfsorganisation USAID, ist Programmchef. Cheryl Martin, die zuvor für das amerikanische Energieministerium tätig war, koordiniert die globalen Industrien. Der ehemalige FDP-Politiker und Vizekanzler Philipp Rösler kümmert sich als eine Art »Außenminister« um die Regionen und Richard Samans, unter Clinton Senior Director for International Economic Affairs im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses, um das Centre for the Global Agenda. Der Software-Spezialist Murat Sönmez amtiert als Chief Business Officer in der Zentrale. Alois Zwinggi, zuvor Manager im Schweizer Zementkonzern Holcim, verantwortet gleich drei Schlüsselressorts; das ist ungewöhnlich für eine Firma dieser Größe. Zwinggi obliegt die gesamte Organisation. Daneben agiert er als Leiter für Finanzen und für Personal. In dieser dreifachen Rolle ist der bodenständige Eidgenosse zurzeit der wahrscheinlich zweitwichtigste Mann in Cologny.
Neben dem Führungskreis besteht eine Art erweiterter Vorstand, das Executive Committee. Man findet ein solches Gremium in manchen Unternehmen, doch im Forum umfasst es mehr als 40 Personen und ist damit außergewöhnlich groß. Der Vorstand des WEF berichtet an den Board of Trustees, den ehemaligen Stiftungsrat. Auch er ist mit 25 Mitgliedern ein relativ großes Gremium. Die Hälfte der Sitze sollen Unternehmensvertreter einnehmen. Der Board dürfte neben der Aufsicht zusätzlich der Anbindung wichtiger Vertrauensleute an das Forum dienen. Geführt wird dieses Gremium ebenfalls von Klaus Schwab, was dessen dominierende Stellung in der Organisation auch institutionell unterstreicht. Wer Trustee werden will, sollte in einem Unternehmen oder einer Organisation eine Spitzenposition innehaben. Zwangsläufig ist damit der Board ein Who’s who internationaler Prominenz, von B wie Nestlé-Präsident Peter Brabeck-Letmathe bis Z wie Min Zhu, Deputy Managing Director des IWF in Washington (seine Vorgesetzte Christine Lagarde gehört im Übrigen gleichfalls dieser illustren Runde an). Im Januar 2016 sind zu dem Gremium unter anderen der ehemalige amerikanische Vizepräsident und Umwelt-Champion Al Gore sowie Weltbankpräsident Jim Yong Kim hinzugestoßen, später im Jahr die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, MIT-Präsident L. Rafael Reif und der amerikanische Cellist Yo-Yo Ma. Die vollständige Namensliste findet der Leser in der entsprechenden Anlage.
Die Führungsstruktur des Weltwirtschaftsforums:
Klaus Schwab: Founder and Executive Chairman |
Board of Trustees | Managing Board |
25 Mitglieder, Chairman Klaus Schwab | 9 Mitglieder, President Klaus Schwab |
Beaufsichtigt die laufenden Geschäfte und wacht über die Ziele und Werte der Organisation. | Führt das laufende Geschäft und vertritt das Forum nach außen. |
| 43 Mitglieder, darunter Schwab-Sohn Olivier |
| Formuliert die strategischen Grundsätze für die wichtigsten Sachfragen |
Quelle: World Economic Forum. Jahresbericht 2015-2016. Eine weitere Führungsstruktur besteht im World Economic Forum USA.
Aus Vorstand und Aufsichtsorgan dürfte sich auch die Übergangslösung rekrutieren, sollte dem Gründer etwas Unvorhergesehenes zustoßen. Schwab selbst hält sich in dieser Frage ungemein bedeckt.4 Dasselbe gilt für eine geregelte Nachfolge des Achtundsiebzigjährigen. Klaus Schwab und seine ebenfalls höchst aktive Frau haben zwei Kinder. Sohn Olivier arbeitet in einer verantwortungsvollen Position in der Zentrale. »Die Familie dürfte über Klaus Schwab hinaus im Forum eine wichtige Rolle spielen«, glaubt der Schwab-Kenner Bjørn Johansson, einer der führenden Managervermittler in der Welt, in diesem Zusammenhang.5 Ein erster Schritt bestünde in der Aufgabe des Doppelmandats an der Spitze von Managing Board und Board of Trustees. Hier beschied Schwab einmal einen Fragesteller wie zuvor andere mit dem knappen Satz: »Das wird einmal getrennt werden«. Er lasse sich da nicht treiben, fügte er in dem Interview hinzu.6
Getragen wird das Forum durch fünf Gruppen: Regierungen und internationale Organisationen, Partner und Mitglieder, Vertreter der Zivilgesellschaft, führende Experten in der Welt und vielversprechende Nachwuchskräfte. Wie kommt es zu seinen Einnahmen? Die gut 1000 Mitgliedsunternehmen bezahlen einen Jahresbeitrag von 60.000 Franken. Hinzu kommt die Gebühr für die rund 1600 nach Davos reisenden Firmenvertreter von jeweils 27.000 Franken. Zum Vergleich: 1984 zum Beispiel hatte sie noch 8800 Franken betragen. Richtig ins Geld geht es bei den Partnerschaften. Nach der allgemeinen Preiserhöhung zum Geschäftsjahr ab 1. Juli 2015 um 20 Prozent zahlt die Spitzengruppe der gut 100 strategischen Partner 600.000 Franken im Jahr; dies bei erhöhten Leistungen und inklusive der Teilnehmergebühren an allen großen Meetings, mit Ausnahme von Davos, wie sogleich nachgeschoben wurde. Natürlich wurde nach dem kräftigen Aufschlag hier und da gegrummelt. Aber vor Davos 2015 stellte Schwab fest, dass allen Strategischen Partnern angeboten wurde, aus den Top 100 in eine niedrigere Kategorie zu wechseln. »Das Resultat kennen Sie: Kein einziges Unternehmen hat diese Option gezogen. Stattdessen haben wir jetzt 122 Strategische Partner und eine lange Warteliste«.7
Neben den Chefs der Mitgliedsunternehmen pilgern eigens eingeladene Gäste aus Politik, Wissenschaft, den Medien und der Zivilgesellschaft an das Manager-Mekka in Graubünden. Sie tragen die Reisekosten und die (teure) Unterbringung selbst. Aber auf eine Teilnehmergebühr verzichtet Schwab. In Einzelfällen und auf Antrag trägt das Forum weitere Kosten für Experten, in erster Linie sind dies Universitätslehrer. »Die Firmenvertreter subventionieren also die anderen Teilnehmer. Das ist übrigens an allen Veranstaltungen des WEF so«, erläutert Organisationschef Zwinggi.8 Gemeint sind damit nicht zuletzt die Regionaltreffen, die auf das Jahr verteilt in den wichtigsten Weltgegenden stattfinden. Auf eine Einladung hoffen können nach seinen weiteren Worten diejenigen, die sich das Jahr über im Forum auf die eine oder andere Weise engagieren – und wohl auch diejenigen, deren Prominenz dem Jahrestreffen zur Zierde gereicht oder denen Gründer Schwab einen Zugang ermöglichen möchte.
Neben der Zentrale in Cologny unterhält die Organisation Ableger in New York, Beijing, Tokio und seit neuestem San Francisco. Die beiden Adressen in Asien sind Repräsentanzen, wobei Beijing als Sammelpunkt der Wachstumsunternehmen und Organisator der Treffen der »neuen Champions« einen speziellen Status besitzt. Das World Economic Forum USA, gegründet 2005, war zunächst eine eigene rechtliche Einheit. Nachdem die amerikanische Steuerbehörde IRS 2016 die Aktivitäten des WEF weltweit als gemeinnützig anerkannt hatte, löste das Forum die Doppelstruktur auf. Nicht zu vergessen sind die regelmäßigen Berichte, die Mitarbeiter des WEF mit Experten aus aller Welt verfassen, so der Welt-Risikobericht und allen voran der Global Competitiveness Report sowie der Global Gender Gap Report; jüngst sind Reports über wirtschaftliche Ungleichheit und die Job-Perspektiven weltweit hinzugekommen. Insbesondere das Echo auf die beiden Flaggschiff-Studien ist jeweils...