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E-Book

Gebrauchsanweisung für die Pfalz

3. aktualisierte Auflage 2019

AutorChristian Habekost
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492990189
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Die deutsche Toskana, wie die Pfalz gerne auch genannt wird, lockt mit Pinien und Zypressen, Feigenbäumen und Mandelblüte - urdeutsch und mediterran, kosmopolitisch und provinziell zugleich. Der Kabarettist Christian »Chako« Habekost gewährt Einblicke in die Klischees der südwestdeutschen Region, nimmt den pfälzischen Hang zum Superlativ aufs Korn und befasst sich detailliert mit den Feinheiten des Dialekts - der »schännschde« Mundart überhaupt. Eine unterhaltsame Rundreise von der Gemüsepfalz zur Deutschen Weinstraße, vom Dom zu Speyer bis zum größten Weinfest der Welt und hinüber in die Kurpfalz nach Mannheim und Heidelberg. Er erklärt, wie musikalisch Handkäse wirklich ist, wie viele Schoppen Wein ein typischer Pfälzer täglich »petzt«, und verrät, wie Helmut Kohl seinen Saumagen am liebsten hatte. Ein amüsanter wie tiefgründiger Ausflug in eine lebenslustige Region, voller Biss, mit liebevollem Augenzwinkern und satirischem Abgang.

Christian »Chako« Habekost, geboren und aufgewachsen in Mannheim, ist Comedian, Kabarettist und Calypso-Sänger. Er studierte in Mannheim, London und Kingston/Jamaika und steht mit Solo-Programmen auf der Bühne, in denen er sich u.a. intensiv mit der Pfälzer Sprache befasst. Fernsehauftritte (u.a. in Ottis Schlachthof) machten ihn auch überregional bekannt. Er ist Autor zahlreicher Bücher; gemeinsam mit seiner Frau schreibt er die Pfälzer Krimireihe »Elwenfels«.

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Leseprobe

Schöne Klischees

Die Toskana Deutschlands

An so manchem Sonntag, wenn die Pfalz »brummt«, die Weinstraße hoffnungslos verstopft ist und die Auto- und Fahrradkarawane von einem Fest zur nächsten Weinprobierstube rumpelt, vorbei an Palmen(kübeln), Feigenbäumen, Zitronensorbetbechern und rotnasigen Eingeborenen, die im Schatten ihres Sandsteinhauses sitzen und mit ihren überschwappenden Schoppengläsern winken, könnte einem die Idee kommen, dass die Pfalz keine »normale« Region in Deutschland ist wie Franken, Vorpommern oder Ostwestfalen. Sie ist nicht besser oder schlechter, nicht mehr oder weniger. Sie ist anders. Annerscht, würde man auf Pfälzisch sagen. Und oft dermaßen annerscht, dass die dialektale Steigerungsform herhalten muss: Die Pfalz is annerschter!

Freizeitpark Pfalz

Eigentlich ist die Pfalz der größte Freizeitpark der Welt. Alles, was an ein »normales« Leben erinnert, ist in Wirklichkeit nur eine der vielen Inszenierungen innerhalb des »Holidayparks Palatina«: Menschen, die in großen Fabriken malochen und morgens und abends brav im Stau stehen; Hundertschaften, die in der brennenden Sonne Feldfrüchte einsammeln und in gestreiften Winzerkutten Trauben vom Rebstock pflücken. In Wirklichkeit sind all diese Leute nur Schausteller, um nach außen hin das Gesicht zu wahren – und die ohnehin schon ewig auf gutes Wetter und beste Rebensafterzeugnisse neidischen Nichtpfälzer davon zu überzeugen, dass hier alles in guter deutscher Ordnung ist, dass hier gearbeitet und die Doppelhaushälfte abbezahlt wird wie anderswo in Deutschland auch.

Und doch ist es ganz anders.

Im Prinzip haben alle hier nämlich nur einen und denselben Job: Bewohner des größten deutschen Freizeitparks. Bezahlt werden sie vom pfälzischen Fremdenverkehrsamt, und zwar in Naturalien. Deswegen sieht man überall diese großen Schoppengläser mit den freundlich grinsenden Eingeborenen dahinter.

Selbst dann, wenn der Pfälzer bei Nahrungsaufnahme und Alkoholzufuhr über die Stränge zu schlagen droht, ist er dabei doch in erster Linie hart arbeitender Parkbewohner und tut genau das, was von ihm erwartet wird: die Vorzüge des heimatlichen Freizeitparks in vollen Zügen genießen und dies jederzeit laut und in unverständlichem Kauderwelsch jedem Auswärtigen ungefragt zu (v)erklären.

Daher rühren auch all die Klischees, die man über die Pfälzer so hören und pflegen mag. Sie existieren deswegen, weil die hiesige Belegschaft gewissenhaft die Erwartungen der Freizeitpark-Besucher erfüllt, also mit anderen Worten einen guten Job macht.

Nachdem das geklärt ist, können wir uns nun viel entspannter mit den Stereotypen auseinandersetzen, die den Pfälzern und ihrem Heimatland so angedichtet werden und oft genug nichts anderes als wahr sind.

Der Begriff Pfalz

Was fällt einem ein, wenn man »Pfalz« hört?

Bevor wir jetzt anfangen, vom gefüllten schweinischen Verdauungsorgan und damit vom kulinarischen Synonym für die Pfalz zu sprechen, wollen wir kurz klären, wo denn der Begriff historisch überhaupt herkommt.

Wenn die Pfalz immer wieder mal mit dem Vorurteil der Provinzialität zu kämpfen hat, die Herkunft des Wortes ist mitnichten provinziell. Pfalz, englisch Palatine, ist vom lateinischen palatium (Palast) hergeleitet, in Anlehnung an den Palatin, einen der sieben Hügel Roms, auf dem einst Kaiser Augustus residierte. Hier mag der geneigte Leser das erste Mal einen historischen Beleg entdecken für die Verbindung von Pfalz und mediterranen Welten.

Als Königspfalz bezeichnete man im Früh- und Hochmittelalter die über das ganze Land verteilten Stützpunkte der Regierungsverwaltung. Das Reich war einfach zu groß, um es von einer Hauptstadt aus zu beherrschen. Also blieb dem König zu diesen Zeiten nichts anderes übrig, als mobil zu sein, um seinen Untertanen und Beamten ab und zu mal zu zeigen, wo de Barddel de Moscht holt, also wer der Chef ist.

Noch heute gibt es auch in anderen deutschen Regionen Plätze, Orte und Namen, die den Begriff Pfalz tragen. Die Kaiserpfalz in Goslar beispielsweise, ein großes Areal im Süden der Stadt, auf dem allerlei kaiserlische Bauten stehen. Oder die Oberpfalz, ein bayerischer Regierungsbezirk, der wirklich dereinst von der pfälzischen Linie der Wittelsbacher von Heidelberg aus regiert wurde, um dann 1620 letztendlich von den Bayern besetzt zu werden – womit nun auch das erste Mal die Verbandelung der Pfalz mit Bayern erwähnt sei. Die historischen Verwicklungen dieser beiden deutschen Stämme wird uns noch ein paarmal beschäftigen. Dabei wird es unter anderem, aber nicht nur, darum gehen, dass beide Volksgruppen ein zu Extremen neigender Durst verbindet, was zur Folge hat, dass sie ihr jeweils bevorzugtes alkoholisches Getränk gerne aus größeren Trinkgefäßen zu sich nehmen, als andere Menschen dies tun würden.

Dialekt

Was fällt einem also ein beim klangvollen Klingeln des Namens Pfalz?

Der Dialekt!?

Ja, sicher spielt die Art, wie pfälzische Eingeborene ihre Gosch mitsamt der darin verbauten Sprechwerkzeuge gebrauchen, eine Rolle im Gesamtbild des Stereotypen Homo palatinus. Der hiesige Dialekt kommt vom Klang weder bescheiden noch einfühlsam daher. Er ist das direkte Sprachrohr der pfälzischen Mentalität. Und die ehrliche, unverstellte Art der Pfälzer findet ihre Ent-sprech-ung in einer lautmalerischen Mundart, die – ja genau! – laut und malerisch mit ihrer Umwelt kommuniziert. Manche komplett Hochdeutsch-Sozialisierten, die glauben, etwas besser zu können, weil sie einen Dialekt nicht beherrschen, sogenannte Oxford-Deutsche, fühlen sich in solchen Situationen in all ihren Vorurteilen bestätigt: wer solche Töne produziert und selbst beim Flüstern noch schreit, der kann ja gar nicht anders als aus Blumenvasen Wein trinken.

Alles Weitere zu diesem lauten Thema wird in einem eigenen Kapitel weiter unten einfühlsamst abgehandelt.

Das Füllhorn-Erlebnis

Auch viele lokalpatriotische Einwohner hätten es am liebsten, dass die Außensicht auf ihr gelobtes Land nur dominiert würde von mediterranen Bildern, die sich auf das milde Klima, die Existenz südländischer Pflanzen in freier Wildbahn, italienische Landschaftsvergleiche und die nicht nur geografische Nähe zu Frankreich beziehen: Provence, Toskana, Feigen, Mandeln, Spargel, Esskastanien, savoir-vivre, la dolce vita, liberté, égalité, hab-einer-im-Tee, undsoweiterundsoschön. Dazu der Wald, die Wanderwege, die Burgen, die Weingärten, wie sie sich an die sanft geschwungenen Hügel schmiegen … Viele Touristen, die die Pfalz besuchen, kommen wohl auch genau deswegen hierher und finden ihre Erwartungen dann weitestgehend erfüllt.

Wenn es dann aber mal den ganzen Mai durchregnet und auch das pfälzische Thermometer an einem Sommertag nicht über 15 Grad Celsius hinauskommt, dann lösen sich auch die schönsten südländischen Klischees im mitteleuropäischen Kontinentalklima auf. Denn letztendlich liegt die Pfalz halt doch in Deutschland.

Und weil Bezeichnungen wie Provence und Toskana nicht geschützt und nicht vom Pfälzer Touristenverband gecopyrighted sind, machen frecherweise auch andere deutsche Regionen wie Südbaden oder Rheinhessen von ihnen Gebrauch.

Was sagt der Pfälzer dazu? »Jo alla, blas die Backe net so uff!«

Zugegebenermaßen gibt es auch in anderen süddeutschen Regionen ein gewisses Maß an undeutschem Flair und warmem Klima. Aber nirgendwo kommt es geballter und füllhorniger daher als in der Pfalz.

Wenn man an einem heißen Sommertag vom Rhein kommend in einem Cabriolet auf die Hügelkette der Haardt zufährt, wie der Beginn des Pfälzerwaldes hier genannt wird, und eintaucht in den Zauber von grünen Weinbergreihen, pittoresken Dörfern mit Fachwerkhäusern und Barockfassaden …

Wenn man vorbeifährt an Zypressen-bestandenen Auffahrten zu Weingütern und Weinstuben und Vinotheken, Weinfesten und Straßencafés und Ambiente-Shops …

Wenn man zwischen zwei Orten der Weinstraße nur noch mit 15 Stundenkilometern vorwärtskommt, weil der »Winzer-Express«, ein von einem Traktor gezogener Planwagen mit Tisch und Bänken und (in doppeltem Wortsinn) voll besetzt mit einer Touristengruppe aus Osnabrück, die ein vielstimmiges »Wir sind die Tramps aus der Pfalz, uns steht das Wasser immer bis zum Hals!« in die Landschaft hinausgrölt …

Wenn man in einer Weinstube keinen freien Tisch mehr findet und plötzlich neben lauter Eingeborenen Platz nehmen muss (»Kumm do, hock dich her!«), die einen dann nicht nur mit ihren gefüllten Schoppengläsern, sondern auch mit ihrem Kauderwelsch ganz besoffen machen …

… dann ist man mittendrin: im Wunderland Pfalz, das so laut, direkt, feuchtfröhlich und lebenslustig, südländisch, mediterran undeutsch ist, wie eine Region innerhalb Deutschlands nur sein kann, ohne ihr Bleiberecht zu verlieren.

Hier sind die Teller (meistens) noch voller als anderswo, der Wein flüssiger, die Winzer freigiebiger und die Eingeborenen zwar laut und heftig, aber gutmütig und meistens auch gastfreundlicher als anderswo. Hier kann man locker oszillieren zwischen Provinz und Haute Cuisine, tiefem Wald und mediterranem Flair, zwischen Acker und Großem Gewächs, zwischen authentischer Gemütlichkeit und jugendlicher Lockerheit, zwischen traditioneller Weinstubenromantik und hippem Vinotheken-Design.

Weinfeste

Trotz aller...

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