Jocelyn Fastner: Kuba. Und wie ich beinahe gestorben wäre.
Zwischen dem amerikanischen Festland bei Key West und Kuba fließt der Golfstrom. Hier entstehen bei Wind gegen Strom Kreuzseen, die lebensbedrohlich werden können.
„Sollen wir umkehren?“
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und blickte in das, was ich von seinen besorgten Augen im Dunkeln sehen konnte. Ich sah seine Hände, die das Steuerrad fest umklammerten, seine Muskeln an den Spitzen seiner gebräunten Arme strafften sich. Sein Körper schwang hart hin und her, als das Boot wild schaukelte. Sein Hemd, das hellblaue Hemd, das zu seinen Augen passte, mit Neptun und einem Triton darauf, peitschte im Wind.
„Auf keinen Fall“, sagte ich und hielt mich an der Reling fest, als das Boot aggressiv bockte. Dann fügte ich schnell hinzu: „Ich meine, ich will nicht.“ Ich war Teil eines Teams. Aber ich hielt es mit dem Wahlspruch, den mir meine Mutter kurz vor unserer Abreise auf ein Kissen gestickt hatte: „Eine ruhige See macht keinen guten Seemann.“
Ich sah zu Bill hinüber, unserem meist furchtlosen Dritten an Bord. Ich war mir nicht sicher, wie er sich entscheiden würde. Er blickte für ein paar Sekunden zu Boden und sagte dann: „Nee, lass uns nach Kuba segeln.“
Während wir von Key West lossegelten, war die Stimmung gedrückt. Rückblickend – so scheint mir – wussten wir vielleicht instinktiv, dass da etwas auf uns zukam. Der Himmel verriet nichts von all dem. Er war von einem tiefen, entwaffnenden Blau, gefolgt von einem strahlenden Sonnenuntergang, dessen Rosa-, Grün- und Orangetöne jede Postkarte geziert hätten.
Die Wettervorhersage sah vernünftig aus.
Ein Grund für die gedämpfte Stimmung an Bord war die Erschöpfung der beiden Jungs. Bill war für den Flug hierher vor 26 Stunden aufgestanden und hatte mit Adam die 34 Fuß des Rumpfes unserer Talisman, einer zehn Meter langen Hunter 34, von Bewuchs befreit. Es ist ein undankbarer, anstrengender Job, den ich eigentlich erledigen sollte, aber ich fürchte mich vor Barry, dem ungewöhnlich neugierigen Barrakuda, der unter unserem Boot lebt. Er greift nie an, aber er beobachtet alles. Beunruhigend.
Adam, mein Mann, war erst ein paar Tage vor unserer Abreise nach Hause gekommen und hatte bis dahin kontinuierlich am Boot gearbeitet. Vielleicht war es nicht klug, bei Nordostwind in der Nacht zu einer zwanzigstündigen Fahrt durch den Golfstrom aufzubrechen, vor allem da zwei Drittel der Besatzung erschöpft waren.
Kurz nach Sonnenuntergang appellierten wir an Bill, dem bereits die Augen zufielen, sich auszuruhen. Wir hatten alle Segel gesetzt und kamen gut voran. Das Boot schaukelte gemächlich hin und her. Die ersten 25 von geplanten 90 Meilen Route lief alles gut.
Dann erreichten wir den Golfstrom.
Es fühlte sich an, als wären wir gegen eine Wand gefahren. Der Wind drosch unvermittelt auf uns ein und das Boot begann sofort zu bocken. Bill streckte seinen Kopf aus dem Niedergang, umklammerte dabei mit beiden Händen die Haltegriffe. Seine Augen stellten Fragen. Es war dunkel draußen. Sehr dunkel. Wir konnten die Wellen nicht sehen. Nur ein paar Sterne lugten hinter den Wolken hervor. Wir drei saßen zusammen im Cockpit, ein unheilvolles Gefühl wie ein düsteres, nasses Tuch machte sich breit. Jemand sagte leise: „Jetzt fängt es an.“
Adam, ganz der demokratische, sicherheitsbewusste Skipper, fragte, ob wir nicht umkehren wollten. Wenn der gestandene Seemann unter uns zögerte, weiterzumachen, hätten wir da nicht besser das Unternehmen abblasen sollen? Wir taten es nicht. Der Augenblick verstrich. Es gab Dinge, auf die man sich konzentrieren musste. Wichtiges Zeug.
Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, nie hätte ich den Mut aufgebracht, weiterzumachen.
Also kämpften wir uns mit unserem kleinen Boot voran. Die Wellen und der Wind wurden immer stärker. Die ganze Nacht über kamen die Wellen aus allen Richtungen: aus steuerbord, backbord und von achtern. Es war die verwirrteste See, die ich je gesehen habe. Die Fibonacci-Sequenz trat uns für mehr als 15 Stunden in den Hintern. Wir konnten nicht ausruhen, nicht einmal für eine Sekunde. Mit jeder siebten Welle wurde unser Boot so gewaltig umhergeworfen, dass es bis zur Fußreling ins Wasser eintauchte, sich wieder aufrichtete, nur um dann wieder auf die andere Seite zu rollen. Wer auch immer am Steuer saß, kämpfte darum, die Kontrolle über das Schiff zu behalten. Alles, was ich so sorgfältig verstaut hatte, stürzte unten aus den Schapps, bis der Salon unpassierbar war.
Später trafen wir eine Familie, die ein oder zwei Tage vor uns die gleiche Überfahrt gemacht hatte, in einem Boot, das stabile 12 Fuß, also fast 4 Meter, länger war.
„Ihr kommt auch aus Key West?“
„Ja, gestern.“
Der Skipper pfiff durch die Zähne, seine Frau sah uns an. „Fuck that“, sagte sie und schüttelte ihren kurzen blonden Bob so kräftig hin und her, dass ihre große Brille Mühe hatte, sich auf ihrer Nase zu halten. Sie umklammerte eine silberne Thermoskanne mit einem Segelboot darauf, als wäre sie ein Rettungsring, und starrte dabei auf den Boden. Ihre großen glänzenden Augen zeigten uns mehr als alles andere, wie ängstlich sie gewesen war.
„Wie groß ist euer Boot?“, fragte der Skipper und legte seinen Arm schützend um seine Frau.
„34 Fuß“, antworteten wir unisono.
Er riss seine Augen zufriedenstellend weit auf. „Jesus“, zischte er gepresst. Und ich sah aus den Augenwinkeln, wie meine Männer ihr Kinn etwas höher hoben.
Unser Kater. Zu diesem Zeitpunkt habe ich ihn betäubt und in einen Schrank gesperrt. Und ich bin dankbar, dass ich es getan habe. Der Gedanke, mich bei diesem Seegang auch noch um meinen aggressiven, angepissten, seekranken Kater zu kümmern, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Im Schrank ging es ihm gut. Und er war dort sicher. – So sicher wie jeder von uns.
Bill hatte sich nach unten verzogen und schließlich sagte ich Adam, dass er wenigstens versuchen solle, auch etwas zu schlafen. Ich überschätzte meine Segelfähigkeiten enorm. Er auch. Er gab nur zu gerne das Steuer an mich ab und kletterte den Niedergang hinunter, um sich dort unten umherwerfen zu lassen und dabei einen Augenblick Ruhe zu finden.
Also steuerte ich ein paar Stunden ... allein. Der Wind war grauenvoll, stark böig und ständig wechselnd. Ich konnte nur mit einem engen Spielraum von etwa 15 Grad halbwegs gefahrlos steuern, ohne durch die Wellen und den Wind zu unfreiwilligen Manövern gezwungen zu werden. Einzig positiv war, dass der Kurs, den wir steuern konnten, zufälligerweise genau der Kurs war, den wir steuern mussten. Von diesem Kurs abzuweichen hätte katastrophale Folgen gehabt. Die Wellen und der Wind könnten unser kleines Boot in einem Augenblick verschlingen. Ich konnte mich an ein paar Sternen orientieren, aber meine Aufmerksamkeit durfte nicht eine Sekunde nachlassen.
Und dann tat sie das. Für eine Sekunde.
Die Böen kamen aus Nordost. Sie trafen uns leicht achterlich von Steuerbord. Wir steuerten also auf einem Raumschotkurs, hatten aber vorsorglich einen sogenannten Bullenstander ausgebracht, eine Leine, die vom hinteren Ende des Baumes nach vorne an den Bug gebunden wird, um eine unbeabsichtigte Halse zu verhindern, in welcher der Wind oder das Wasser das Heck durch den Wind schiebt und der Baum mit gefährlicher Wucht über das Boot schwingt. Dabei kann viel passieren, der Baum oder sogar der Mast können brechen. Leicht könnte jemand getötet werden oder auf Nimmerwiedersehen im Meer verschwinden.
Stundenlang kämpfte ich gegen das Steuerrad, die Muskeln im Rücken schmerzhaft verknotet. Ich stemmte meine Füße hart gegen die Sitze auf beiden Seiten des Steuerrades, damit ich nicht auf die eine oder andere Seite des Cockpits oder ins Meer geworfen würde. Die Nacht war so schwarz, dass ich keinen Unterschied zwischen Wasser und Himmel ausmachen konnte und ich die Wellen nicht kommen sah, die von hinten auf das Boot trafen. Wenn sie auf das Ruderblatt trafen, drehte sich das Rad unerwartet hart mit jedem Aufprall der Welle und mein Körper krümmte sich unwillkürlich, ein Arm oben und ein Arm unten am Steuerrad. Wenn wir die Wellen hinuntersurften, rutschte mir der Magen in die Kniekehlen, als befände ich mich auf einem Ritt auf einer ziemlich beschissenen Achterbahn. Dann musste ich alles wieder unter Kontrolle bringen, während unter Deck noch mehr Gegenstände herumpolterten. Ich gab Geräusche wie ein Tier von mir, aber es war mir egal. Niemand konnte mich in diesem Chaos hören. Jede Sekunde warf sich das Boot schrecklich von einer Seite zur anderen.
Dann, aus dem Nichts, fegte der Baum über das Deck, so schnell, dass ich nicht einmal sah, wie er sich bewegte. Er knallte wie ein Gewehrschuss in den Bullenstander und verharrte eine Sekunde lang zitternd auf halbem Weg über die ganze Breite des Decks, während sich das Segel zu meinem Entsetzen von der anderen Seite mit Wind zu füllen begann. Mein Herz schlug schmerzhaft in meinem Hals. In einem Wimpernschlag drehte das Boot hart in den Wind wie ein schleuderndes Auto.
Während ich mich an dem kurzzeitig wirkungslosen Steuerrad festklammerte, um nicht über Bord zu gehen, musste ich hilflos mit ansehen, wie sich der Mast nach unten senkte und das Wasser fast berührte. Alles, was noch in den Regalen oder auf den Sitzbänken gelegen hatte, einschließlich meiner zwei Begleiter, flog an die gegenüberliegende Wand des Bootes. Ich stand nun fast senkrecht mit beiden Füßen auf den Seitenwänden des Steuerbordsitzes. Ich versuchte, das Steuer zu drehen, aber das...