KANN ICH GLÜCKLICHSEIN TRAINIEREN?
IST GLÜCK GLÜCKSSACHE?
Alle Menschen haben etwas gemeinsam: den Wunsch, glücklich zu sein und nicht zu leiden. Diese scheinbar banale Einsicht besitzt ein großes Potenzial und kann in unserem persönlichen Leben und in der Gesellschaft einen wirklichen Wandel zum Positiven bewirken. Es ist dafür allerdings notwendig, diese Erkenntnis zu einer Erfahrung zu machen, indem man sie nicht nur vom Kopf her akzeptiert, sondern sich davon im Herzen berühren lässt. Dann hat sie das Potenzial, zu einer Veränderung der psychischen Muster des Einzelnen zu führen. Und diese neue Konditionierung kann dann auch zu einem Wandel in der globalen menschlichen Gemeinschaft ausstrahlen.
Einstein sagte einmal sinngemäß, dass man die Probleme nicht mit den Denkstrukturen ändern kann, die sie bewirkt haben. Das entspricht auch der Aussage des historischen Buddha: »Den Dingen geht der Geist voran, der Geist entscheidet.« Dieses Zitat handelt nicht von der Frage, wie die Welt entstanden ist, sondern wovon die Qualität unseres Lebens wesentlich abhängig ist. Äußere Verhältnisse sind demnach nicht die eigentlichen Ursachen unseres Glücks und Leidens, sondern höchstens Umstände, die diese Empfindungen auslösen. Die eigentlichen Wurzeln unseres Wohlbefindens liegen nicht außerhalb von uns, sondern in uns, wo sie unsere Lebenswelt prägen.
Auch in der Neurowissenschaft hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass unser Gehirn formbar und wandlungsfähig ist. Jede Aktivität unseres Geistes in Form von Gedanken, Empfindungen und Wahrnehmungen prägt unser Gehirn. Wir haben also einen wesentlichen Einfluss darauf, wie wir die Welt erleben bzw. konstruieren. Geist und Gehirn sind untrennbar verbunden. Andere Forschungen zeigen, dass bewusste Meditation – zum Beispiel im Bereich der Achtsamkeit und der Schulung des Mitgefühls – unsere geistigen und neuronalen Strukturen trainiert und verändert. Damit haben wir den Schlüssel in der Hand, auf einer tieferen Ebene etwas für unseren inneren Frieden zu tun. Indirekt können wir damit auch etwas beitragen für die Entwicklung einer angesichts der Krisen der Gegenwart so dringend erforderlichen Kultur des Mitgefühls und des Dialoges. Dieser Prozess ist durchaus vergleichbar mit der Notwendigkeit, den Körper zu trainieren und vor Giften zu schützen, um ihn gesund zu erhalten. Auf der geistigen Ebene gilt das Gleiche, nur dass wir diese Tatsache oft außer Acht lassen und davon ausgehen, dass unsere Charakterstruktur festgelegt und kaum beeinflussbar ist. Tatsächlich ist aber ein noch stärkerer und nachhaltigerer Effekt durch geistige Übungen möglich als durch körperliches Training, das immer limitiert sein wird.
Auf der Grundlage der Überzeugung, dass wir uns zum Positiven, oder wie es im Buddhismus heißt: Heilsamen, entwickeln können, stellt sich nun die Frage, wie wir tatsächlich ein glückliches Leben führen können und welche Bemühungen dazu eher sinnlos oder sogar destruktiv sind.
WEGE ZUM GLÜCK
Als Lebewesen zeichnen wir uns dadurch aus, dass wir Empfindungen von Glück und Leid erleben. Natürlich bevorzugen wir Glück und wollen Leiden vermeiden. Alles, was wir denken und tun, ist von diesem grundlegenden Instinkt motiviert. Sogar bei kleinsten Lebewesen, wie etwa Insekten, können wir beobachten, dass sie ausweichen, wenn sie ein Hindernis oder eine Gefahr auf dem Weg bemerken und sich etwa auf eine Nahrungsquelle zubewegen. Sie verfügen allerdings nur über beschränkte Mittel in ihrem Streben nach Glück, die im Wesentlichen aus Flucht, Angriff oder Nahrungsaufnahme bestehen. Das menschliche Verhalten verfügt über ein weitaus reicheres Repertoire. Die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit kann man als ein Experiment mit verschiedenen Strategien sozialer, religiöser und politischer Art zur Erlangung von Wohlergehen betrachten. Aber welche Methoden machen uns nun glücklich?
WENIGER IST MEHR
Die meisten Menschen streben zunächst nach materiellem Wohlstand. Das ist sicherlich legitim, und eine stabile ökonomische Situation trägt auch wirklich zum persönlichen Glück bei. Allerdings zeigen die Untersuchungen der Glücksforschung, die sich mittlerweile etabliert hat, dass bei einem gewissen Maß an materieller Sicherheit eine Sättigung eintritt und der weitere Ausbau des finanziellen Einkommens die Erfahrung von Glück nicht weiter befördert. Im Gegenteil: Übermäßig reiche Menschen neigen eher zu Misstrauen und Ängsten und verspüren keineswegs ein Gefühl der Befriedigung. Die Gier nach materiellem Besitz scheint unstillbar zu sein, als ob man Salzwasser trinken würde und dadurch niemals den Durst löschen kann. Auch wohlhabende Nationen sind nicht zwangsläufig glücklicher als die in eher bescheidenen Verhältnissen lebenden Gesellschaften. Zudem führt das einseitige Streben nach materiellen Gütern zu einer Bindung an viele mühsame Aktivitäten und zu einer Verschwendung wertvoller Lebenszeit, die man besser in befriedigendere soziale Beziehungen investieren sollte. Im schlimmsten Fall lässt man sich zu egoistischen und unmoralischen Handlungen hinreißen, die menschliche Beziehungen belasten und die ganze Gesellschaft – wie im Falle der oft maßlosen Finanzwirtschaft zu beobachten ist – destabilisieren. Auch globale Probleme wie die Klimaerwärmung sind auf mangelnde Genügsamkeit der Menschen zurückzuführen. Deshalb ist es für die eigene Psyche und die weltweite Situation förderlicher, Maß zu halten in seinem Streben nach immer mehr und immer höherwertigerem Konsum.
FREUNDE - WICHTIGER ALS RUHM UND MACHT
Ein Großteil unserer Aktivitäten gilt auch dem Ziel, Einfluss und vielleicht sogar Macht über andere zu erlangen. Prominente werden in den Medien als Vorbilder dargestellt. Wir eifern ihnen nach und glauben, dass wir an ihrer Stelle zufrieden wären. Menschen, die tatsächlich berühmt sind, stellen aber fest, dass solch eine herausgehobene Position auch nicht glücklich macht. Wesentlich wichtiger als etwa Ruhm und Bekanntheit sind stabile Beziehungen im Leben. So hört man zum Beispiel von einigen Hollywood-Stars, dass sie sich für Meditation interessieren. Das ist durchaus nachvollziehbar, da diese Menschen alles erlangt haben, was wir normalerweise an Geld, Ruhm und Attraktivität anstreben. Sie merken jedoch, dass es nicht zu dem gewünschten Wohlbefinden führt. Im Gegenteil muss man auch ständig darum bangen, es wieder zu verlieren. Persönliche Ängste durch das Erlangen von Macht über andere abzubauen scheint auch keine erfolgreiche Strategie zu sein. Um in eine solche Position zu kommen, muss man sich oft vielen Kämpfen stellen, die zumeist nicht von Erfolg gekrönt sind. Hat man aber die gewünschte Stellung erreicht, muss man befürchten, sie bald wieder zu verlieren. Im Zuge dieser Bemühungen kann es passieren, dass man sogar Gewalt anwendet, die letztlich die eigene Persönlichkeit zerstört und im politischen Maßstab bis hin zu Kriegen führen kann. Es ist hilfreicher, sich um einen Freundeskreis und dessen Wertschätzung zu bemühen. Übertriebenes Streben nach Bekanntheit, Ruhm oder gar Macht werden nicht das gewünschte Ziel von Sicherheit und Befriedigung mit sich bringen. Das zeigen auch die Biografien vieler Menschen, die diese Ziele verfolgt haben und oft viel Leid über sich und andere gebracht haben.
SCHÖNHEIT UND GLÜCK
Viel Aufmerksamkeit verwenden wir auf unsere körperliche Attraktivität. Es ist nachvollziehbar, dass man auf die Gesundheit des Körpers und eine gepflegte Erscheinung achten will. Eine Art Kult um den Körper zu betreiben und ihn zu perfektionieren wird aber ein aussichtsloses Unterfangen sein. Attraktive Menschen glauben häufig, dass sie nicht für ihre Persönlichkeit, sondern nur für ihr Äußeres Aufmerksamkeit bekommen. Außerdem müssen sie befürchten, dass diese Wertschätzung mit dem Alter oder bei körperlichen Gebrechen nachlässt. Darüber hinaus sind sie oft sehr kritisch mit ihrem eigenen Aussehen. Es geht viel Energie und Zeit verloren für solche Äußerlichkeiten, die niemals die Nähe zu anderen Menschen herbeiführen können, die wir eigentlich brauchen. Das gilt auch für die Fixierung auf die Sexualität in der Öffentlichkeit, die, wenn sie nicht von menschlicher Nähe begleitet wird, eher zu Frustrationen und Einsamkeit führt.
ERSATZBEDÜRFNISSE ALS GLÜCKSBRINGER
Vielleicht streben wir nicht so extrem nach Besitz, Macht und Attraktivität wie manche Personen, die in der Öffentlichkeit stehen. Wenn wir aber unser Leben beobachten, werden wir feststellen, dass sich ein großer Teil unserer Aufmerksamkeit auf das Erlangen äußerer Annehmlichkeiten richtet – zum Beispiel auf angenehme Sinneserfahrungen, Attraktivität oder Einfluss. Wir überschätzen diese oft in ihrer Bedeutung für unser Leben. Es besteht zumeist nur die Alternative, frustriert zu sein, weil man diese Dinge nicht in dem Maße erlangt, wie man es sich in seinen Träumen wünscht; oder aber man erlangt sie und wird bemerken, wie unbefriedigend oder unwichtig sie sind.
KRISEN ALS CHANCEN NUTZEN
Krisen können auftreten, wenn wir Erfahrungen der Trennung von Personen, Situationen und Dingen erleben, die uns scheinbar Sicherheit geben konnten. Das kann eintreten, wenn eine Partnerschaft sich auflöst, man den Arbeitsplatz verliert oder gesundheitliche, vielleicht sogar lebensbedrohliche Probleme auftreten. Die ganze Illusion eines sicheren und glücklichen Lebens durch das Festhalten an äußeren Dingen bricht angesichts der Realität des Wandels aller Erscheinungen und der Unsicherheit jeder Situation in sich zusammen.
Heutzutage beobachten wir, dass psychische...