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Geld war gestern

Wie Bitcoin, Regionalgeld, Zeitbanken und Sharing Economy unser Leben verändern werden

AutorChristine Koller, Dr. Markus Seidel
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783862485079
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Sie heißen Chiemgauer, WIR-Franken, Wörgler Wundergeld und Bitcoin. So unterschiedlich die Entstehung dieser Regional- oder Alternativwährungen ist, so gleichen sich doch ihre Ziele: Die Unabhängigkeit von den globale Währungen wie Euro oder Dollar. Denn das Vertrauen der Menschen in diese Währungen bröckelt, spätestens seit die Zentralbanken angefangen haben, im permanenten Krisenmodus fast unbegrenzt Geld zu drucken. Alternative Währungen wie der Bitcoin gewinnen damit immer mehr an Bedeutung. Aber nicht nur komplementäre Währungen rücken zunehmend ins Rampenlicht. Alternative geldfreie Konzepte wie die »Sharing Economy«, also das gemeinsame Nutzen, Tauschen und Verleihen von Besitz, erfreuen sich immer größeren Interesses. Auch Tauschringe und Zeitbanken, welche die Erbringung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen organisieren, erfahren regen Zulauf. Die weltweit größte Messe für Informationstechnik, die CeBIT, machte »Shareconomy« 2013 sogar zu ihrem Leitthema. Christine Koller und Markus Seidel zeigen, wie alternative Konzepte als Ergänzung zum regulären Geldsystem funktionieren und wie jeder ihre Vorteile nutzen kann.

CHRISTINE KOLLER arbeitete als Journalistin für Focus, Handelsblatt, Wirtschaftswoche, Impulse und Brand eins. Sie war für den TV-Sender ProSieben tätig und schrieb als Autorin und Ghost bereits zahlreiche Bücher. Darunter die Autobiografie von Öko-Pionier Georg Schweisfurth und den Ratgeber »Inspiration - jetzt!«. Außerdem wirkte sie mit an der Serie »Kreative Zerstörer - 100 deutsche Gründergeschichten« der Verlagsgruppe Handelsblatt. DR. MARKUS SEIDEL studierte Wirtschaftsingenieurwesen und VWL an der Universität Karlsruhe und promovierte an der Universität St. Gallen im Bereich Innovationsmanagement. Seit seiner Jugend beschäftigt er sich mit dem Thema Innovation. Seit fast 20 Jahren ist er als Manager in der Automobilindustrie tätig und treibt dort neue Ideen und Konzepte voran.

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Leseprobe

Kapitel 1


Die Funktionen des Geldes


Jeder braucht es, fast alle wollen es, aber nur wenige reden da­rüber: Geld. Aus dem heutigen Alltag ist Geld nicht mehr wegzudenken, denn, wie eine Redewendung sagt: »ohne Moos (Jiddisch für Geld) nix los«.

Die heutige Erscheinungsform des Geldes, so wie wir es kennen, hat sich über Jahrtausende hinweg entwickelt. Alles begann mit dem direkten Tauschhandel, bei dem Waren oder Dienstleistungen zwischen Fremden direkt gegen andere Waren oder Dienstleistungen getauscht wurden. Voraussetzung für einen erfolgreichen Tauschhandel war, das beide Tauschpartner über genau das Gut verfügten, das der jeweils andere haben wollte. Die Einführung eines von vielen Parteien akzeptierten Tausch- beziehungsweise Zahlungsmittels vereinfachte den Handel stark: Jetzt konnte der Handel auch dann stattfinden, wenn die beteiligten Partner nicht genau jene Waren oder Dienstleistung besaßen, die man haben wollte. Der Zwang zur doppelten Übereinstimmung der Wünsche entfiel: Genial einfach und überaus wirksam.

Man bezahlte nun durch die Übergabe einer bestimmten Menge oder eines bestimmten Gewichts des beiderseits akzeptierten Zahlungsmittels: Frühformen waren Gegenstände wie Steine, Muscheln, Schmuck, Waffen, aber auch Getreide, Tiere oder Salz. Was die meisten Tauschmittel schon damals auszeichnete: Sie waren in beschränkter, aber ausreichender Menge verfügbar, nicht verderblich und wurden allgemein als wertvoll erachtet.

Die ersten Münzen als Zahlungsmittel wurden von den Lydiern zwischen 650 und 600 v. Chr. eingeführt. Griechen und Römer legten den Grundstein für das umfassende und verbreitete Münzwesen im antiken Europa. In der turbulenten Übergangszeit bis zum Frühmittelalter ging der Münzverkehr zurück, der Tauschhandel nahm wieder zu. Dann setzte Karl der Große 792 bis 793 eine Münzreform durch. Dabei wurden alte Gold- und Silbermünzen durch eine einheitliche Silberwährung ersetzt. Der Silberdenar diente als reichsweit geltende, verbindliche Währung: Aus einem Pfund Silber zu 408 Gramm wurden 240 Denare »geschlagen«.

Im Laufe der Jahrhunderte entkoppelten sich Material und der Wert der Münzen immer weiter. Das mündete in das Währungssystem, wie wir es heute kennen. Heute basiert der Wert der gesetzlichen Zahlungsmittel im Grunde nur noch auf Vertrauen, Gesetzen, Zinssätzen und Einschätzungen der Finanzmärkte über den zukünftigen Wert. Das Material, aus dem Geld gemacht wird, spielt keine Rolle mehr. Da der größte Teil des Handels mittlerweile bargeldlos abgewickelt wird, hat sich Geld zu einem virtuellen Gut, zu einer Ziffernreihe auf einem Kontoauszug entwickelt. Seit Beginn der Finanzkrise 2007 drängt sich diese Tatsache verstärkt in den Vordergrund, und je länger sie dauert, desto kritischer erkennen wir, dass unser Geld keinerlei »inneren Wert« besitzt.

Der Börsen-Altmeister und Vater der Fundamentalanalyse von Wertpapieren Benjamin Graham würde heute wahrscheinlich nüchtern sagen: »Unser heutiges Geld hat eigentlichen keinen intrinsischen Wert.« Es besteht nur noch aus immateriellem Vertrauen in ein politisches und wirtschaftliches System und dessen Zukunftsaussichten. Schwindet dieses oder kollabiert das System, kann man am Ende das Geld nur zum Heizen verwenden. Und genau das macht vielen Angst: Deshalb gewinnen sachwertbasierte Ersatzformen des Geldes wieder an Bedeutung. Durch die kollektive Flucht aus dem regulären Geldsystem steigen jedoch die Preise für Sachwerte. Dadurch können spekulative Blasen an den Sachgütermärkten wie Gold, Aktien oder Immobilien entstehen, deren Platzen das Finanzsystem noch weiter destabilisieren kann. Ebenso wie Leerverkäufe und Zockereien auf Lebensmittel. Denn auch das Glücksspiel mit Geld, mit geliehenem Geld, ist ein netter Zeitvertreib vieler Börsianer und Anleger geworden, wie es scheint.

Und: Das heutige Geldsystem mit der Möglichkeit, Geld aus dem Nichts durch das berühmte »Anwerfen der Druckerpresse« oder durch Schöpfung beziehungsweise Erzeugung beliebiger Beträge auf elektronischen Konten zu schaffen, gibt es in der heutigen Form erst seit 40 Jahren: Es ist noch gar nicht so lange her, dass unser Geld vor allem aus Vertrauen besteht und auch entsteht. Erst Anfang der 70er-Jahre wurde das Bretton-Woods-System aufgegeben, das im Juni 1944 von Finanzministern und Notenbankchefs aus 44 Ländern in dem abgelegenen Örtchen Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire festlegten, um frühzeitig die Weichen für eine stabile Nachkriegsordnung zu stellen: Wirtschaftliche Turbulenzen wie die Große Depression sollten nie wieder zu einer Katastrophe wie dem Zweiten Weltkrieg beitragen. Festlegt wurden hier unter anderem Wechselkursbandbreiten, in welchen die verschiedenen Währungen zu einem teilweise goldhinterlegten Dollar schwanken durften (beim Preis einer Feinunze Gold von 35 Dollar), um so Devisenspekulationen auszubremsen und Stabilität zu schaffen. Präsident Nixon hob 1971 schließlich die Bindung des Dollar zu Gold auf, 1973 wurden die Wechselkurse freigegeben. Der Internationale Währungsfonds IWF empfahl seinen Mitgliedern 1976, den Goldstandard abzulegen – er war einfach »out«.

Der Wert des Geldes ist so manipulierbar geworden wie niemals zuvor. Das macht uns Angst.

Historisch gesehen, ist der Glaube, dass unser Geldsystem langfristig immer so bleibt, wie es heute ist, eine Illusion. Durch nichts belegbar. Sie ist aber zwingend notwendig, um das System am Laufen zu halten, damit langfristig investiert wird – ein echtes Dilemma. Man bedenke nur: Menschen, die in den 80er-Jahren in der ehemaligen DDR wohnten, bezahlen heute bereits in der dritten Währung. Auch unser Geldsystem wird sich weiter wandeln und an die Erfordernisse von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angepasst. Ob in Zukunft, wo Euro »draufsteht«, noch der Euro heutiger Prägung »drin ist«, weiß niemand.

Doch wir schweifen ab, wir waren bei den Funktionen des Geldes, also: Welche sind das?

Die wesentlichen Funktionen des Geldes


Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Funktionen unterscheiden:

Erstens dient Geld als Tausch- beziehungsweise Zahlmittel. Zweitens macht es den Wert von verschiedenen Gütern direkt vergleichbar und hat drittens eine Wertaufbewahrungsfunktion.

Wird es als Tausch- beziehungsweise Zahlungsmittel verwendet, wird Geld gegen Dienstleistungen oder Güter eingetauscht. Streng genommen findet also immer noch der archaische Tauschhandel, nur in modernisierter Form statt. Dazu müssen die beteiligten Parteien den Wert des Geldes akzeptieren. Damit das passiert, gibt es sogar Gesetze: Geld ist dann das gesetzliche Zahlungsmittel und hat damit eine Monopolstellung im Wirtschaftsleben.

Man kann Geld aber nicht nur als Tauschmittel einsetzen, sondern nutzt es auch als Wertmaßstab. Damit können Preise von Gütern in Relation zueinander gesetzt oder addiert werden. Man weiß durch Geld zum Beispiel, dass ein Liter Milch doppelt so viel kostet wie zwei Brötchen, und dass der Preis von vier Brötchen viermal so hoch ist wie der für ein einziges. Die objektive Quantifizierung des Wertes von Produkten durch Geld war eine der großen Errungenschaften der Menschheit. Sie förderte die Entstehung komplexer und stark arbeitsteiliger Gesellschaften. Es liegt nahe, zu behaupten, dass die Erfindung des Geldes ein wesentlicher Katalysator menschlicher Zivilisation war. Wahrscheinlich hat es deshalb eine nahezu mystische, ja bisweilen in vielen Kulturen sogar religiöse Bedeutung.

Die für dieses Buch entscheidende Funktion des Geldes ist die der Wertaufbewahrung. Man kann Geld neben den bereits erwähnten Funktionen auch behalten. Es ist also nicht immer notwendig, es sofort auszugeben. Nein. Man kann es im Portemonnaie oder unter dem sprichwörtlichen Kopfkissen ruhen lassen oder an Dritte verleihen und dafür Zinsen verlangen.

Die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes und dadurch die Möglichkeit, ohne jegliche »ehrliche Arbeit« Zinsen und damit ein Einkommen zu erwirtschaften, ist seit jeher die umstrittenste Funktion. Bereits in der Antike war Aristoteles der Meinung, der Verleih von Geld gegen Zins sei verwerflich: »Das Geld ist um des Tausches Willen erfunden worden, durch den Zins vermehrt es sich aber durch sich selbst. (…) Diese Art des Gelderwerbs ist also am meisten gegen die Natur«, so die Ansicht des großen Denkers. Daher kam es im Laufe der Geschichte immer wieder zu Phasen von Zinsverboten. Juden durften keine Zinsen von anderen Juden nehmen, und auch in Persien galt das Erheben von Zinsen als verabscheuenswert. Im Mittelalter schrieb Thomas von Aquin: »Zins zu nehmen für geliehenes Geld ist an sich ungerecht (…), denn da wird verkauft, was es nicht gibt.« Seinen Ausgangspunkt nahm das mittelalterliche Zinsverbot mit dem zweiten Laterankonzil von 1139, dem ausdrücklichen Zinsnahmeverbot durch Papst Innozenz III. 1215 und dem Konzil von Vienne 1311–1312. Danach war es bis auf wenige Ausnahmen verboten, Zinsen auf verliehenes Geld zu verlangen.

Erst Anfang des 16. Jahrhunderts beginnt das kanonische Zinsverbot zu bröckeln, die Verzinsung von Darlehen in einzelnen deutschen Ländern und Städten wird per Gesetz erlaubt. Im Jahr 1543 gestattet Kaiser Karl V. niederländischen Kaufleuten erstmals per Gesetz, Zinsen zu erheben. Diese Maßnahme war ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Geldes und für die Entfaltung unternehmerischen Denkens, das uns aus dem Mittelalter in die Neuzeit katapultierten sollte.

Dennoch gab es erhebliche Widerstände gegen die Zinswirtschaft. So beschloss die calvinistische Kirche 1581 in den...

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