2. Herkunft und Ausbildung
Über den Geburtsort, das Dorf Horsten, berichtet die Ortschronik u.a.:
Die Ansiedlung entstand vermutlich vor 800 n. Chr. in sächsischer Zeit im Verlaufe des Hellweges von Minden nach Hannover. In einer Urkunde des Bischofs Konrad von Minden von 1220 ist unter dem Namen Hursten eine Schenkung des Zehnten an das Mindener Martinsstift verzeichnet. Der Name mit der altsächsischen Silbe hurst bedeutet Gestrüpp oder Buschwald auf einer Erhöhung im Sumpf. An der Rodenberger Aue gelegen – im nicht mehr überfluteten Bereich mit fruchtbarem Lößboden – siedelten nicht nur Bauern.
Aus dem Jahr 1783 ist über die Bewohner bekannt, dass jeweils ein Krüger, Schmied, Schneider, Stellmacher, Schreiner, Schuhmacher sowie drei Tagelöhner und ein Erbschaftshalter im Ortskern ansässig waren. In herrschaftlichen Diensten standen ein Schulmeister, zwei Eidgeschworene und ein Dienstlader (mit der Funktion zu Hand- und Spanndiensten auf den herrschaftlichen Ländereien zu „laden“).
Schulmeister war der Vater von Piepenbring.
2.1 Ausbildung in der Apotheke zu Rinteln
Die Apotheke in Rinteln war die damalige Universitäts-Apotheke und heutige Engel-Apotheke am Markt, die bereits 1619 als „königlichprivilegierte Apotheke“ gegründet wurde. Rats- und Universitätsapotheker war zu dieser Zeit Justus Friedrich MEINE (1750-1782). Seine Witwe verpachtete die Apotheke nach dem Tod ihres Mannes 1782 an den Universitätsapotheker Johann Hermann Victor BROCKMANN (1759-1797). Beide Apotheker dürfte Piepenbring als Prinzipale erlebt haben, bis er 1783 Rinteln verließ. Der Wechsel dürfte auch Einfluss auf die so negativ geschilderte Ausbildung gehabt haben. In der Apotheke könnte der Lehrling Piepenbring auch den seit 1774 als 2. o. Professor der Medizin wirkenden Ludwig Philipp SCHRÖTER (1746-1800) kennengelernt haben, der ihn später finanziell und uneigennützig bei seinem Studium in Marburg unterstützte. Schröter hatte Kontakt zum Apotheker Brockmann und führte im Labor der Apotheke auch seine Analysen des Nenndorfer Schwefelwassers durch – s. in SCHWEDT (Kap. 7).
2.2 In der Hof-Apotheke zu Pyrmont
Sie wurde 1765 durch den Hofapotheker Johann Friedrich KRÜGER aus Arolsen gegründet und befand sich am linken oberen Ende der Hauptallee, wo heute das Haus Ockel (Brunnenplatz 1) steht. Um 1800 wurde sie in das heutige Gebäude – als Alte Hof-Apotheke – in die Brunnenstraße 44 verlegt.
Aus der bei STRIEDER genannten Quelle zur Biographie geht hervor, dass der zur Zeit von Piepenbring tätige Hof-Apotheker Krüger der Vater des auch von Goethe 1801 als junger Mann bezeichneten Hofapothekers gewesen sein muss – denn bei WEDDINGEN heißt es für das Jahr 1806, dass dieser bereits vor einigen Jahren verstorben sei. Es handelte sich um den aus Arolsen stammenden Apotheker Johann Dietrich KRÜGER, welcher die Hof-Apotheke in Pyrmont 1765 gründete.
Der in Piepenbrings Biographie genannte Arzt Marcard, der ihn von seiner Erkrankung infolge Überarbeitung heilte, war der Brunnenarzt Heinrich Matthias MARCARD (1747-1817), Hofmedicus in Hannover. 1784 veröffentlichte er seine „Beschreibung von Pyrmont“ (Erster Band), in der er zur Apotheke schrieb:
Es ist eine wol eingerichtete Apotheke ganz nahe bey dem Brunnen, damit es denen, die ausser dem Wasser auch anderer Arzneyen bedürfen, hieran nicht fehlen möge…
Im selben Absatz ist weiter zu lesen:
…Der hiesige Buchladen enthält immer eine Auswahl älterer und zumal der neuesten Schriften, und trägt ncht wenig zum Vergnügen der Fremden bey; man findet immer die größte Bereitwilligkeit auch alte Bücher, wenn sie nicht schon da sind, in wenigen Tagen den Liebhabern zu verschaffen.
Heinrich Matthias MARCARD wurde als Sohn des Landphysikus am 18. November 1747 in Walsrode geboren, besuchte in Stade das Gymnasium und studierte Medizin in Göttingen, wo er 1771 zum Dr. med. promovierte. Er praktizierte zunächst in Stade, unternahm 1773 eine längere Reise durch England und ließ sich 1774 in Hannover nieder, wo er als geschickter Arzt bekannt wurde. 1775 wurde er vom Fürsten von Waldeck-Pyrmont, Friedrich Karl August (1743-1812), aufgefordert, in den Sommermonate in Pyrmont zu praktizieren. Ab 1776 wirkte er bis zu seinem Tod jeweils für die drei Monate der Hauptkurzeit in Pyrmont. Zwistigkeiten in Hannover, später wohl auch in Pyrmont mit dem dort tätigen Brunnenarzt Trampel (ab 1793 in Pyrmont; s. weiter unten), die A. Seip von Engelbrecht in „Hannoversche Geschichtsblätter“ (Neue Folge fünfter Band, S. 158-165, 1938/39) ausführlich beschrieben werden, führten zum Weggang aus Hannover nach Oldenburg im Sommer 1787 als Leibmedicus des Herzogs (damals Regent ab 1777 Peter I. Friedrich Ludwig (1755-1829), später Großherzog). 1809 kehrte Marcard nach Hannover zurück und wurde vom Fürsten von Waldeck zum Geheimen Rat und Chef der gesamten Badeverwaltung in Pyrmont ernannt. Er starb am 16. März 1817 in Hannover. Marcard gehörte im Sommer 1801 auch zu den engeren Gesellschaft Goethes während dessen Badeaufenthalt in Pyrmont.
In der Hofapotheke muss Piepenbring nach dem Studium in Marburg, bevor er nach Meinberg ging, noch einmal in der Funktion als Provisor tätig gewesen sein, wie sich aus einem Dokument aus dem hessischen Landesarchiv Marburg (s. folgendes Kapitel) ergibt. Der Sohn des Apothekers Krüger, Friedrich Krüger (1774-1843), Goethe lernte ihn 1801 bei seinem Kuraufenthalt in Pyrmont kennen und schrieb seinen Namen im Tagebuch mit „C“ – der spätere Medizinalrat und Hofapotheker – war zur Zeit von Georg Heinrich Piepenbring erst 18 Jahre alt. Möglicherweise war Piepenbring deshalb 1792/93 noch einmal von Marburg nach Pyrmont zurückgekehrt.
Wenn nicht alles täuscht, so wendet sich Georg Friedrich PIEPENBRING in seiner folgenden ersten Schrift im hier wiedergegebenen Vorwort an seine spätere Frau – an Henriette (Rebekka) Marie GÖSLING, wofür die Buchstaben H – M – G und der erste Buchstabe P für Pyrmont stehen. Der Name GÖSLING ist mit einer alten Pyrmonter Familie verbunden, die im 18. und 19. Jahrhundert die Postmeister gestellt hat.
Oeconomische
Nützlichkeiten
Vortheile und Wahrheiten
für
Naturkunde, Landwirthschaft
und Haushaltungen
von
Georg Heinrich Piepenbring.
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Erstes Bändchen.
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Trachtet nach dem, das droben ist.
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Göttingen,
bei Johann Christian Dieterich.
1790
Der
Mademoisell
H. M. G***.
in
P –– *
als ein Zeichen der Hochachtung und
Freundschaft gewidmet
von
dem Verfasser.
Hochzuverehrende Mademoisell!
Sehr werth geschätzte Freundinn!
Ohne den Vorgang in Ihrem Herzen noch jeden sich entwickelnden Gedanken zu wissen, bringt es schon der Gegenstand mit sich, daß ich es behaupten kann, daß Sie sich bey dem Empfang dieser Blätter wundern werden, wie ich dazu gekommen sey, Ihnen solche gerade zu zueignen, ohne vorher um Erlaubniß dazu gebeten, noch viel weniger etwas davon gesagt zu haben. Freylich hätte ich wohl, als ich das letzte Mal die Ehre hatte in Ihrer Gesellschaft zu seyn, etwas davon erwähnen können. Allein wenn das geschah, dann mußte ich riskiren, daß Sie sich mein Vornehmen verbaten, und dann hätte ich meinen Plan nicht so ausführen können, wie ich mich, ihn ein Mahl auszuführen, entschloß. Daher war es erforderlich, damit zu schweigen.
Was mich bewogen hat, Ihnen diese Schrift zu dediciren, davon will ich sogleich Rechenschaft geben, und diese dann Ihrem Urtheil überlassen, ob ich meines Unternehmens wegen um gütige Nachsicht zu bitten brauche oder nicht. Werthschätzung überhaupt, die jedes Frauen-zimmer verdient, welches auf Talente Ansprüche zu machen hat; Ihre gute Denkungsart u. s. f., welches alles das Gepräge des rechtschaffensten Characters an der Stirne trägt; Ihre Freundschaft, die Sie mir, als ich sie vor ein Paar Jahren suchte, weil ich Ihr Herz würdig fand in das meinige aufgenommen zu werden, nicht versagten, sondern sie mir sofort schenkten, und mir hiermit bisher manchen freudigen Augenblick, auch in der Abwesenheit manches vergnügtes Andenken verursachten, ist es, was die Triebfeder zu gegenwärtigem Unternehmen war, was mich beweg Ihnen auf der einen Seite meine Dankbarkeit, und auf der andern meine Achtung unverhofft zu erkennen zu geben.
Das einzigste was Sie mir diesem zu Folge hoffentlich nur zur Last legen können, besteht darin: daß ich keinen Ihrer Nahmen habe völlig abdrucken lassen. Beym Niedersetzen dieser Rede fiel mit ein, daß es Ihnen vielleicht aus mancher Rücksicht verschiedener Ihrer Comilitionen wegen gar nicht angenehm gewesen wäre, wenn ich sie durch den Abdruck ganz ausgesprochen hätte. Weil ich also...