Sie sind hier
E-Book

Geschichte Bremens

AutorKonrad Elmshäuser
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2016
ReiheBeck'sche Reihe 2605
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406618413
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Band schildert die über 1200-jährige Geschichte der Freien Hansestadt Bremen vom christlichen Missionszentrum und Erzbistum über die zum Meer hin ausgerichtete Handels- und Hansestadt bis zum modernen Stadtstaat und Bundesland. Welche Etappen der politischen Organisation durchlief die Wesermetropole, wie wurden wesentliche ökonomische Schwerpunktverlagerungen verkraftet, wie entwickelte sich das Land nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland? Ein souveräner Streifzug durch die bremische Geschichte bis heute.

Konrad Elmshäuser, geb.1959, studierte Geschichte und Germanistik. Er ist Leitender Archivdirektor des Staatsarchivs Bremen.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

3. Mission, Erzbistum und kirchliches Zentrum


Bremens Eintritt in die überlieferte Geschichte erfolgte im Zusammenhang der Missionierung im Weserraum und der Sachsenkriege. Als es zum Jahr 782 erstmals erwähnt wurde, war die fränkische Zwangsmissionierung voll im Gange und erlebte im Sachsenaufstand einen der härtesten Rückschläge. So auch in Bremen. Dort wurde ein Priester Gerwal mit seinen Glaubensgenossen (cum sociis suis) erschlagen, und die Christen – an ihrer Spitze der Missionar und spätere Bremer Bischof Willehad (787–789) – mussten aus dem Ort fliehen. Betrachtet man die erste Erwähnung Bremens im Zusammenhang der politischen Ereignisse, so wird deutlich, dass das Jahr 782 einen bedeutenden Wendepunkt markiert.

Die fränkische Einflussnahme bekam 782 mit der berühmten Capitulatio de partibus saxoniae, die als Besatzungsrecht u.a. den Kirchenzehnten einführte, eine neue Qualität. Vor allem im bislang herrschaftlich kaum erfassten Norden und Nordwesten brachen Aufstände aus, bei denen – wie in Bremen – die Gefolgsleute der Franken und Missionare erschlagen wurden. Im Raum Bremen wurde bis zum Herbst 782 der Widerstand der Sachsen gebrochen. Ihr Anführer Widukind hatte sich zu den Normannen (Dänen) zurückgezogen, und Karl der Große statuierte am äußersten Punkt seines Vorstoßes, beim Zusammenfluss von Weser und Aller bei Verden, ein Exempel, indem zahlreiche sächsische Geiseln hingerichtet wurden. Ort und Zeitpunkt des Geschehens machen deutlich, dass hier unmittelbar an der Grenze des Gaus Wigmodien, dessen Zentralort Bremen war, ein Signal gegeben wurde. Tatsächlich sollte Bremen wenig später wiederum zum Ausgangsort von Missionsbestrebungen werden. Nach weiteren Feldzügen und sächsischen Niederlagen im Folgejahr 783 gab Widukind den Widerstand gegen die Franken 785 auf. Willehad stellte sich im Umfeld der Taufe Widukinds wieder am Hof Karls dem Großen ein, als dieser sich auf der sächsischen Eresburg aufhielt. Karl sandte Willehad in seinen ehemaligen Missionssprengel, der nun um einige friesische Küstenstriche erweitert wurde. Am 13. Juli 787 wurde Willehad in Worms zum Bischof dieses Sprengels geweiht. Dies erfolgte noch immer ohne ausdrückliche Festlegung eines Bistumssitzes. Dass diese Funktion faktisch bereits von Bremen ausgeübt wurde, darf man jedoch als sicher annehmen. Eine zeitgenössische Vorschrift für die Auswahl von Bistumsgründungen in Sachsen mahnt eine hervorragende naturräumliche Lage, eine zentrale Verkehrsfunktion sowie eine gewisse Bevölkerungsdichte an. All dies war in Bremen gegeben.

789 bestimmte Willehad Bremen zum Sitz seines Bistums und baute dort eine Kirche, die am 1. November 789 geweiht wurde.

Bremen war zunächst kaum mehr als eine zentralörtliche Siedlung mit kirchlichem Mittelpunkt in einer stets bedrohten Randzone der christlichen Zivilisation. Nach Willehads Tod im Jahr 789 wurde mit Willerich (805–838) ein Nachfolger ernannt, der aber seine Diözese bis 805 nicht in Besitz nehmen konnte, da das junge Bistum durch Aufstände wieder in seinem Bestand bedroht war.

Wie hat man sich den Ort Bremen am Beginn des 9. Jahrhunderts vorzustellen? Mittelpunkt des Ortes war der St. Petri Dom, auf dem höchsten Punkt der Düne gelegen. Bereits unter Willerich wurde der noch hölzerne Dom durch einen ersten Steinbau ersetzt und um einen zweiten Sakralbau erweitert, nämlich eine unweit des Doms errichtete Grabkapelle für Willehad. Die Domimmunität war als Domburg mit palisadenbewehrten Spitzgräben umwallt, die später an verschiedenen Stellen – so im Bereich von Domshof und Markt – archäologisch entdeckt wurden, ohne dass ihr genauer Verlauf völlig klar wäre. Sicher ist aber, dass sie nur einen begrenzten Bereich schützte.

Zwischen der Domburg und dem Weserarm Balge erstreckte sich im Bereich des heutigen Marktes freies Gelände, an das sich entlang dem Balgeverlauf bereits im 9. Jahrhundert eine Uferbzw. Straßensiedlung anschloss, deren Lage noch heute am Verlauf der Langenstraße erkennbar ist. Diese nahm eine von der Domburg unabhängige Siedlungsentwicklung. Bremen war, auch wenn es als kleiner Ort in einem rein ländlichen Umfeld lag, keine agrarische Siedlung. Auch wenn der Viehzucht und bescheidenem Feldanbau eine gewisse Bedeutung zukamen, so spielte mangels größerer Anbauflächen der Ackerbau sicher eine untergeordnete Rolle. In dem Ort lebten Menschen, die Viehzucht und Fischfang betrieben, die handwerkliche Produkte herstellten und die bereits in das frühmittelalterliche Handelsgeschehen eingebunden waren. Die Ausrichtung bereits des frühen Bremen auf den Schiffsverkehr auf der Weser wurde 1989 eindrucksvoll durch den Fund eines großen Flussschiffes aus der Zeit um 800 unter Beweis gestellt, das durch eine dabei gefundene Keramik mit dem friesischen Handel in Verbindung gebracht werden konnte.

Die Siedlungsentwicklung Bremens im frühen und hohen Mittelalter war damit sehr früh festgelegt: Die Stadt wuchs in topographischem Dualismus zwischen geistlichem Bezirk mit befestigter Domburg und unbefestigter kaufmännisch-gewerblicher Siedlung heran.

In einem Schenkungsbuch der Bremer Kirche taucht für das 9. Jahrhundert in einer Schenkung Karls des Kahlen die Bezeichnung Bremens als «locus seu villa publica», also als öffentlicher bzw. königlicher Ort auf. Unklar ist jedoch, welche herrschaftliche Präsenz außer der bischöflichen Hausmacht in diesem Ort vorhanden war. Die Anwesenheit eines königliche Grafen oder auch eines Amtssitzes oder einer befestigten curtis außerhalb der Domburg ist nirgendwo in den Quellen erwähnt und auch archäologisch nicht fassbar. Königsgut und ein Grafensitz als Vertretung königlicher Präsenz sind in Bremen nur für das benachbarte Lesum nachweisbar.

In den noch bescheidenen Anfängen Bremens unter Willerich und Leuderich (838–845) klingt bereits ein Thema an, das ab der Mitte des 9. Jahrhunderts die Bremer Kirche über ihren lokalen Rahmen hinausheben sollte. Willerich war um 823 als Begleiter des in der Skandinavienmission aktiven Erzbischofs Ebbo von Reims in Dänemark gewesen, und auch Leuderich hatte früh mit dem für Bremen später so wichtigen Akteur der nordischen Mission, Ansgar (845–865), in Kontakt gestanden. Dieser hatte 826 im Auftrag der fränkischen Krone den in Ingelheim getauften Dänenkönig begleitet, 830 brach er zu seiner ersten Missionsreise nach Schweden auf. Nach 1 ½-jähri gem Aufenthalt im Norden gab Ludwig der Fromme mit der Einrichtung eines Missionsbistums im Norden der Arbeit Ansgars eine dauerhafte Basis. Mit der Zuweisung der Hammaburg in Stormarn als befestigter Stützpunkt für seine Missionsunternehmen und mit der persönlichen Würde eines Missionserzbischofs sowie der geplanten Ausweisung eines Bistums, das aus den transelbischen Teilen der älteren Bistümer Bremen und Verden geschnitten werden sollte, schien ab 832 für die Zukunft der Mission Vorsorge getroffen zu sein. Was hiermit noch keineswegs verbunden war, war die Gründung eines eigentlichen Erzbistums Hamburg. Hierfür waren in Transelbien weder die kirchenrechtlichen Voraussetzungen noch ausreichend verfügbare kirchliche Einrichtungen gegeben.

845 wurde Ansgar durch die Dänen aus dem jungen Missionszentrum Hamburg vertrieben. Damit wurde das seit dem Tod Leuderichs 845 verwaiste Bistum Bremen wieder der Vorort des Christentums im Norden. Ansgars Bemühungen, in das Bistum Bremen eingesetzt zu werden, sollten bis zum Jahr 848/49 dauern, denn dem Vorhaben stellten sich in den Diözesen Bremen und Verden und vor allem in der Erzdiözese Köln Widerstände entgegen.

Danach baute Ansgar seinen Sitz Bremen planmäßig aus. Er gründete ein Armenspital, die älteste Spitaleinrichtung östlich des Rheins und im Norden und eine Pioniereinrichtung in Sachsen. Tatkräftig wurde auch für die geistliche Sicherung des Kirchensitzes gesorgt, indem Ansgar mit der Erhebung der Gebeine seines Vorgängers Willehad der Bremer Kirche einen Lokalheiligen verschaffte. Dessen Propaganda betrieb Ansgar persönlich mit der von ihm zwischen 860 und 865 verfassten Beschreibung der Wunder am Grabe Willehads. Zugleich führen seine Wundergeschichten in einer der ältesten Schriftquellen zur Ge schichte Bremens in den sozialhistorischen Mikrokosmos des jungen Kirchenzentrums. Ansgars lebendige Schilderung der Leiden und Wünsche der Pilger – Blinde, Lahme, Stumme und chronisch Schwerkranke mit allerhand Gebrechen – nennt zahlreiche Orte aus der Umgebung Bremens und bis nach Friesland und lässt erkennen, dass sich im Unterweserraum um 865 eine ländliche Siedlungsstruktur ausgebildet hatte, die sich als geistliches Hinterland an dem Kirchenzentrum Bremen orientierte. Ansgars und seiner Kirche eigentliche Aufgabe lag aber in der Mission im Norden. Sie hat nicht wenig dazu beigetragen, dass wie Willehad auch Ansgar und sein ebenfalls um Mission und Armenpflege verdienter Nachfolger Rimbert (865–888) zu hoch verehrten Lokalheiligen wurden.

Auch unter Rimbert, der durch Normannenübergriffe in der Skandinavienmission eingeschränkt war, blieb die Bindung der Bremer Kirche an das Königshaus aufrechterhalten. 888 erhielt er von König Arnulf ein Diplom...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel2
Zum Buch3
Über den Autor3
Impressum4
Inhalt5
1. Einleitung7
2. Der Naturraum, Vor- und Frühgeschichte Bremens10
3. Mission, Erzbistum und kirchliches Zentrum13
4. Entwicklung und Emanzipation der bürgerlichen Stadtgemeinde27
5. Reformation und konfessionelles Zeitalter43
6. Reichsstandschaft und Schwedenkriege51
7. Zopfzeit oder Handelsblüte? Bremen im 18. Jahrhundert61
8. Freie Hansestadt Bremen: Bremen im Deutschen Bund67
9. Entwicklung zur Großstadt: Politik und Wirtschaft bis zum Ersten Weltkrieg81
10. Krise der bürgerlichen Gesellschaft: Räterepublik, Weimarer Republik und Drittes Reich91
11. Von der amerikanischen Enklave zum Bundesland in Wiederaufbau und Hochkonjunktur102
12. Bremen im Strukturwandel112
Auswahlbibliographie121
Register der Personen-, Familien- und Firmennamen125
Karten123
1. Territorialentwicklung Bremens 1381–1646 (Erwerb der Reichsfreiheit)123
2. Gebietsentwicklung in der Stadt Bremen seit 1848124

Weitere E-Books zum Thema: Deutschland - Historie - Geschichte

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Kalte Heimat

E-Book Kalte Heimat
Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945 Format: ePUB/PDF

Nicht willkommen. Die Vertriebenen nach 1945 in DeutschlandMit diesem Buch erschüttert Andreas Kossert den Mythos von der rundum geglückten Integration der Vertriebenen nach 1945. Erstmals erhalten…

Kalte Heimat

E-Book Kalte Heimat
Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945 Format: ePUB/PDF

Nicht willkommen. Die Vertriebenen nach 1945 in DeutschlandMit diesem Buch erschüttert Andreas Kossert den Mythos von der rundum geglückten Integration der Vertriebenen nach 1945. Erstmals erhalten…

Informationskultur und Beziehungswissen

E-Book Informationskultur und Beziehungswissen
Das Korrespondenznetz Hans Fuggers (1531-1598) - Studia AugustanaISSN 16 Format: PDF

Hans Fugger (1531-1598) wrote over 4,800 letters to correspondents in a Europe-wide network. These letters give an insight into domains of the life of the Fuggers and are at the same time valuable…

Weitere Zeitschriften

FESTIVAL Christmas

FESTIVAL Christmas

Fachzeitschriften für Weihnachtsartikel, Geschenke, Floristik, Papeterie und vieles mehr! FESTIVAL Christmas: Die erste und einzige internationale Weihnachts-Fachzeitschrift seit 1994 auf dem ...

AUTOCAD Magazin

AUTOCAD Magazin

Die herstellerunabhängige Fachzeitschrift wendet sich an alle Anwender und Entscheider, die mit Softwarelösungen von Autodesk arbeiten. Das Magazin gibt praktische ...

Demeter-Gartenrundbrief

Demeter-Gartenrundbrief

Einzige Gartenzeitung mit Anleitungen und Erfahrungsberichten zum biologisch-dynamischen Anbau im Hausgarten (Demeter-Anbau). Mit regelmäßigem Arbeitskalender, Aussaat-/Pflanzzeiten, Neuigkeiten ...

DER PRAKTIKER

DER PRAKTIKER

Technische Fachzeitschrift aus der Praxis für die Praxis in allen Bereichen des Handwerks und der Industrie. “der praktiker“ ist die Fachzeitschrift für alle Bereiche der fügetechnischen ...

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg) ist das offizielle Verbandsorgan des Württembergischen Landessportbund e.V. (WLSB) und Informationsmagazin für alle im Sport organisierten Mitglieder in Württemberg. ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...