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Geschlecht und Männlichkeit

Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster

AutorMichael Meuser
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl351 Seiten
ISBN9783531903712
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Das Buch diskutiert zunächst soziologische Konzepte für eine Theorie der Männlichkeit. Das Konzept des männlichen Geschlechtshabitus wird entwickelt. Anschließend werden in einem empirischen Teil kulturelle Deutungsmuster von Männlichkeit und kollektive Orientierungen von Männern auf der Grundlage einer Literaturanalyse und von Gruppendiskussionen rekonstruiert.

Prof. Dr. Michael Meuser leitet den Lehr- und Forschungsbereich Soziologie der Geschlechterverhältnisse am Institut für Soziologie der Technischen Universität Dortmund.

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Leseprobe
11. Empirie: Geschlecht und Männlichkeit in den Diskursen der Männer (S. 135-136)

5, Multioptionale Männlichkeiten? „Noch vor nicht all zu langer Zeit war die Frau der dunkle und unerschlossene Kontinent der Menschheit, und niemand wäre auf die Idee gekommen, den Mann in Frage zu stellen. Männlichkeit erschien als etwas Selbstverständliches: strahlend, naturgegeben und der Weiblichkeit entgegengesetzt. In den letzten drei Jahrzehnten sind diese jahrtausendealten Selbstverständlichkeiten in sich zusammengebrochen.

Indem die Frauen sich neu defierten, zwangen sie die Männer, das gleiche zu tun." (EHsabeth Badinter: XY. Die Identität des Mannes, 1993, S. llf.) „In den hochtechnisierten Nationen haben die Partnerschaftsbeziehungen in den vergangenen 30 Jahren erhebliche Verfallserscheinungen gezeigt. Archaische Strukturen, die sich seit Tausenden von Jahren bewahrt hatten, wurden durch die Wandlung zur arbeitsteiligen Gesellschaft und den gewaltigen Informationstransfer gravierend verändert." (Joachim H. Burger: Mann, bist Du gut! 1990, S. 7) „Was eine richtige Frau ist, kann ich sehr viel leichter beantworten, als was ein richtiger Mann ist, und das hangt genau mit diesen scheiß letzten 30 Jahren zusammen. Ich sehe für mich immer noch so viel Verunsicherung, was die Beantwortung dieser Frage angeht." (Mitglied einer Männergruppe, 1993)

Die das Ideal der Androgynie lobende Philosophin, der medienerprobte Restaurateur einer gefährdeten Männnerherrlichkeit, der `neue` Mann - sie sind sich euiig ui der Diagnose, daß un Verhältnis von Frauen und Männern seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts fundamentale Veränderungen stattgefunden haben. Auch wenn heute - insbesondere ui Hinblick auf die Reaktion von Männern, aber nicht nur von diesen - vor einem backlash gewarnt wird, ui dessen Folge Verbesserungen der gesellschaftlichen Situation von Frauen zurückgeschraubt werden (vgl. Faludi 1993), verliert die Diagnose nicht an Gültigkeit. Auf einen backlash hinzuweisen impliziert, daß sich zuvor etwas geändert hat. Und es unkompliziert, daß bestimmte Akteure und gesellschaftliche Gruppierungen auf die veränderte Lage reagieren, mit welchem Ergebnis auch immer.

Dieser Teil der Arbeit befaßt sich mit den Reaktionen derjenigen, gegen deren Willen das Geschlechterverhältnis zu einem sozial konflikthaften gemacht worden ist. Jedenfalls sind die Prozesse des sozialen Wandels des Geschlechterverhältnisses nicht auf ein intentionales politisches Handeln (der Mehrheit) der Männer zurückzuführen. Beck und Beck-Gemsheim (1990) sprechen zutreffend von der „erlittenen Emanzipation" der Männer, so sie denn überhaupt stattfindet`.

Das Erkenntnisinteresse richtet sich auf Folgendes: Wie reagieren Männer auf den erwähnten und in seinen lebensweltlichen Manifestationen noch naher zu beschreibenden Wandel des Geschlechterverhältnisses? Kommen Selbstverständlichkeiten abhanden? Werden sie Gegenstand eines Diskurses und somit reflexiv eingeholt? Welche (geschlechterpolitischen) Orientierungen werden entwickelt und wie werden sie handlungspraktisch realisiert? Den Theoretikerinnen einer reflexiven Modernisierung gilt der „Zerfallsprozeß stabiler sozialer Zusammenhange" als eine ausgemachte Sache und die „Frauenemanzipation" als ein wichtiger Erosionsfaktor (Keupp 1994, S. 338).

Fraglosigkeiten (ver-)schwinden, eine Vielfalt von Sinnlieferanten versucht die Leerstellen auszufüllen, die brüchig gewordene Traditionen und Ligaturen hinterlassen haben. Für manche kündigt sich eine „Multioptionsgesellschaft" (Gross 1994) an, in der der Mensch zum „homo optionis" wird, dem „Leben, Tod, Geschlecht, Körperlichkeit ..." (Beck/Beck-Gemsheim 1994b, S. 16) und vieles mehr zur Entscheidung aufgegeben sind. Diese Tendenzen der Enttraditionalisierung machen vor dem Geschlechterverhältnis nicht halt, und sie machen sich, folgt man der Diagnose von Beck und Beck-Gemsheim (1990), insbesondere in den privaten Beziehungen von Frau und Mann bemerkbar.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Vorwort7
Vorwort zur zweiten Auflage7
Einleitung9
I. Theorie: Geschlecht und Männlichkeit im soziologischen Diskurs16
1. Zwischen Wesensmetaphysik und soziologischer Entzauberung. Mannlichkeit in den Geschlechtertheorien soziologischer Klassiker16
2. Geschlecht: Soziale Rolle oder soziale Konstruktion?49
3. Geschlechtersoziologie: Frauenforschung und Männerstudien77
4. Geschlecht und Habitus. Uberlegungen zu einer soziologischen Theorie der Männlichkeit108
II. Empirie: Geschlecht und Männlichkeit in den Diskursen der Manner134
5. Multioptionale Männlichkeiten?134
6. Von Mann zu Mann. Dekonstruktionen und Rekonstruktionen von Mannlichkeit in der Männerverständigungsliteratur140
7. Unter Mannern. Kollektive Orientierungen und existentielle Hintergrunde185
Schluß317
Freisetzung aus Traditionen? Krise des Mannes? Ein modernisierungstheoretisches Resiimee317
Literatur327
Anhang348

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