2. Jetzt, später oder nie? Das richtige Timing
„Ah, da drüben steht ja Herr Magnus. Endlich sehe ich den mal. Jetzt schnapp ich ihn mir.“ Gesprächsüberfälle auf dem Gang sind in Unternehmen eine wesentliche „Technik“, die angewandt wird, um schnell Inhalte zu klären und Themen zu platzieren. Denn Zeit für ausführliche, angemeldete Gespräche hat heute ja angeblich kaum noch jemand. Doch wann ist es Erfolg versprechend, Inhalte zwischen Tür und Angel einzubringen, und wann ist es besser, sich in Geduld zu üben? Und noch ein anderer Aspekt des richtigen Zeitpunkts spielt in Gesprächen eine wichtige Rolle: Wann genau lassen sich bestimmte Inhalte innerhalb eines bereits laufenden Gesprächs optimal positionieren? Lassen Sie sich anhand der folgenden Szenen in die Techniken des perfekten Timings einführen.
Gespräch 3: Jetzt sofort!
Seit ihrem letzten Gespräch mit ihrer Chefin, Frau Müller, hat Dagmar Stümpfig vergeblich versucht, sie für ein Gespräch bezüglich der Grünstich-Rückrufaktion zu gewinnen. Zufällig sieht sie Frau Müller gerade aus einem Sitzungsraum kommen. Sie eilt auf sie zu.
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Wie bewerten Sie den Gesprächsversuch von Dagmar Stümpfig?
| Sie hat es jedenfalls probiert – und ihre Chefin weiß jetzt, dass etwas Dringendes anliegt. |
| Sie hätte noch penetranter sein sollen, um ihre Chefin zum Stehenbleiben zu zwingen. |
| Der falsche Zeitpunkt für ein solches Thema, und dann: der falsche Ton. |
Manchmal stellt ein „Überfall“ die einzige Chance dar, ein Gespräch zu erzwingen. Aber in diesem Fall nicht!
Zweifelhaft, ob das funktioniert hätte – wenn der Gesprächspartner auf seinen Zeitdruck hinweist, ist es selten zielführend, das zu ignorieren.
Es war der falsche Zeitpunkt: Statt unter vier Augen wird hier ein Konflikt öffentlich und unter Zeitdruck ausgetragen – und gewinnt damit an Brisanz. Vorwürfe, eine unangemessene Lautstärke, die räumliche Distanz machen aus diesem Gespräch einen „Rohrkrepierer“ – und zugleich wird es für zufällige Zuhörer wie den vorbeikommenden Kollegen besonders interessant. Ein Gerücht wird in die Welt gesetzt: Die Rückrufaktion ist finanziell nicht gesichert – in der Situation der Willy Schultz GmbH ein gefundenes Fressen für die Mitarbeiter.
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Stümpfig: Frau Müller, schön, dass ich Sie gerade treffe. Sie sind ja seit Wochen nicht mehr für mich zu sprechen! Analyse
Einen Überfall mit einem Vorwurf im ersten Satz: Schlechter könnte Frau Stümpfig das Gespräch gar nicht beginnen. Bei einem Vorwurf ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Gesprächspartner sofort abblockt.
Müller: Frau Stümpfig, im Augenblick habe ich leider keine Zeit. Ich bin gerade auf einem Meeting und …
Stümpfig: Es dauert auch gar nicht lange. Analyse
Frau Stümpfig hört entweder nicht zu oder nimmt den Einwurf ihrer Gesprächspartnerin nicht ernst. Somit signalisiert sie deutlich, dass ihr nur ihre eigenen Dinge wichtig sind.
Müller: Hören Sie, es passt jetzt nicht. Lassen Sie sich einen Termin geben, ja? (läuft weiter)
Stümpfig: (bleibt stehen) Und was ist mit der Aktion Grünstich? Das haben wir beim letzten Meeting nicht geklärt!
Müller: Da habe ich Ihnen doch schon eine Mail geschickt. Wir rufen die Module zurück!
Stümpfig: Selbstverständlich rufen wir zurück. Mir geht es um die Kosten! Wie gehen wir mit denen um? Analyse
Dass Frau Stümpfig stehen bleibt und damit die Gesprächsdistanz unnötig vergrößert, ist hier noch der kleinere Fehler. Der größere besteht darin, dass sie ihre Wut lautstark zum Ausdruck bringt. Damit gibt sie nicht nur sich selbst eine Blöße in der Öffentlichkeit, sondern bringt auch Frau Müller in eine Situation, die mit Sicherheit den Verlauf des Gesprächs bei einem künftigen Termin beeinflussen wird.
Braun (im Vorbeigehen): Na, Zickenalarm?
Stümpfig: Blödmann!
Gespräch 4: Thema platziert
Tom Fuchs hat das Gerücht aufgeschnappt. Am Ende der monatlichen Routinebesprechung mit seiner Chefin, der Vertriebsleiterin Carmen Stingle, plaudern die beiden noch ein wenig …
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Ist das geschickt von Herrn Fuchs?
| Nein. Die Chefin hört doch kaum noch zu. |
| Ja, er platziert die Halbwahrheit am Gesprächsende, als die beiden im Aufbruch sind. |
| Ja, weil er auf die Zahlen aus dem Controlling verweist. |
Doch, es ist genau der richtige Zeitpunkt.
Geschickt nutzt Fuchs das Geplauder am Gesprächsende, um das Gerücht, das er gerade aufgeschnappt hat, zu platzieren: Zeiten der Entspannung in Gesprächen werden häufig dazu genutzt, außer der Reihe liegende Themen zu platzieren.
Clever, aber: Lügen haben kurze Beine. Sie werden meist nach kürzester Zeit entlarvt. Manchmal allerdings hat der „Lügner“ auch Glück – darauf sollte man jedoch nicht spekulieren. Geschickter als diese Lüge ist deshalb sein Timing, das Gerücht am Gesprächsende zu platzieren.
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Fuchs: Gut, dann werden wir uns nochmals verstärkt um diese Bausparkasse kümmern. Vielleicht geht da ja doch noch was.
Stingle: Mit Sicherheit. Ich habe, wie gesagt, einiges gehört. (die beiden stehen auf) Und wir sehen uns dann morgen bei der Präsentation der Next Generation für FARO Industries. Sie wissen ja, was davon abhängt – also kommen Sie bitte ausgeschlafen.
Fuchs: Bin ich doch immer! Aber wo Sie’s gerade ansprechen Analyse
Die Situation ist völlig entspannt, die wichtigsten Themen wurden besprochen. Nun, da beide schon stehen, ist der geeignete Zeitpunkt gekommen, um wie nebenbei ein Thema zu lancieren. Gerade weil es sich nur um ein Gerücht handelt, führt die Verlagerung in die Aufbruchsituation dazu, dass es zwar betrachtet, aber nicht näher vertieft wird. Und dies ist für Herrn Fuchs wichtig; schließlich könnte er auf konkrete Nachfragen nicht antworten.
Stingle: Ja?
Fuchs: Herr Faro wird morgen doch sicher nachhaken, was es im Detail mit dem Rückruf auf sich hat. Und, naja, ich habe gehört, dass die Finanzierung der Rückrufaktion nicht gesichert ist.
Stingle: Wieso? Was meinen Sie damit?
Fuchs: Ein Kollege hat mir Zahlen aus dem Controlling gezeigt, und die sprechen nicht gerade dafür. Analyse
Beiläufig lässt er jetzt einen scheinbaren Beweis für seine Andeutung fallen. Dadurch, dass er aber gleichzeitig sein Notebook zusammenpackt, gelingt es ihm, eine weitere Konkretisierung zu vermeiden. Außerdem gestaltet er die Situation so, dass Frau Stingle im Nachhinein kaum noch erinnern wird, wie sie zu dieser Information gelangt ist. Beiläufigkeit ist die hier von Herrn Fuchs geschickt eingesetzte Strategie.
Stingle: Danke. Ich gehe der Sache nach. Sie machen unabhängig davon aber weiter wie besprochen.
Gespräch 5: Kritik, aber sicher
Nach ihrem Meeting mit Dr. Franke und Schultz junior geht Elvira Müller direkt zum Büro von Dagmar Stümpfig.
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Was gefällt Ihnen an Frau Stümpfigs Art, kritisches Feedback zu geben?
| Dass sie ihre Mitarbeiterin beim Zeitpunkt mitbestimmen lässt. |
| Dass sie ihr von vornherein klar macht, worum es geht. |
| Dass sie schnell und sachlich auf den Punkt kommt. |
Frau Müller überfällt Frau Stümpfig nicht mit dem Gespräch, sondern räumt ihr die Möglichkeit ein, den Termin mitzubestimmen.
Sie informiert Frau Stümpfig schon vor dem Gespräch und zu dessen Beginn über den Gesprächsgegenstand.
Frau...