DER EINFLUSS DES SONNENHORMONS AUF UNSERE GESUNDHEIT IM ÜBERBLICK
Wie eine überwältigende Anzahl wissenschaftlicher Studien aus den letzten 50 Jahren belegt, wird Vitamin D in unserem Körper nicht nur für den Knochenstoffwechsel, sondern auch für die reibungslose Funktion fast aller Zellen und Organe benötigt.
Die Gesundheit
- der Blutgefäße,
- des Herzmuskels und der Skelettmuskulatur,
- der Bauchspeicheldrüse und der meisten anderen Organe sowie
- die intakte Funktion des Immunsystems
ist von einer optimalen Versorgung mit Vitamin D abhängig. Folglich erhöht ein Vitamin-D-Mangel [davon spricht man, wenn 25(OH)D mit weniger als 20 Nanogramm pro Milliliter im Körper vertreten ist] das Krankheitsrisiko erheblich.
Vitamin D …
- fördert eine gesunde Schwangerschaft und die gesunde Entwicklung des ungeborenen Kindes,
- kräftigt die Knochen und die Muskulatur, senkt das Risiko beziehungsweise die Anfälligkeit für Stürze, Brüche (Frakturen) und Osteoporose („Knochenschwund“),
- senkt die allgemeine und kardiovaskuläre (das heißt die das Herz und das Gefäßsystem betreffende) Sterblichkeit,
- verbessert die Gefäße und die Herzmuskelleistung,
- gleicht den Blutdruck aus,
- stärkt das Immunsystem, hilft bei Allergien und verringert das Risiko für Atemwegsinfekte,
- mindert das Krebsrisiko (zum Beispiel Brust- und Darmkrebs) und unterstützt den Erfolg einer schulmedizinischen Krebstherapie,
- senkt das Risiko für Typ-1-Diabetes, verbessert die Glukoseverwertung und den Stoffwechsel bei Typ-2-Diabetes,
- hilft bei Nervenerkrankungen wie multipler Sklerose,
- schützt die Nervenzellen (zum Beispiel bei ADHS, Alzheimer, Depressionen, Parkinson) und hebt das allgemeine psychische und physische Wohlbefinden.
Nach Berechnungen des renommierten Vitamin-D-Forschers Professor Dr. Armin Zittermann vom Herz- und Diabeteszentrum NRW könnten durch die Verbesserung der Vitamin-D-Versorgung der deutschen Bevölkerung im günstigsten Fall Gesundheitskosten von bis zu 37,5 Milliarden Euro pro Jahr (!) eingespart werden. Zum Vergleich: Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums beliefen sich die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen im Jahr 2016 allein auf 38,5 Milliarden Euro!
SONNENLICHT IST DIE BESTE MEDIZIN
Sonnenlicht ist die natürliche und die wichtigste Quelle für unsere Vitamin-D-Versorgung. Durch einen maßvollen und gesunden Umgang mit der Sonne (das heißt ohne Sonnenschutzmaßnahmen) könnten wir über 90 Prozent unseres Tagesbedarfs an Vitamin D abdecken. Da wir als gesundheitsbewusste Menschen die Sonne aufgrund des potenziellen Hautkrebsrisikos jedoch meiden, leiden nach aktuellen Schätzungen weltweit bis zu einer Milliarde Menschen unter einem Vitamin-D-Mangel.
Sonnenlicht ist unserer Gesundheit auf ebenso natürliche Weise zuträglich wie eine gute, ausgewogene Ernährung, Wasser, körperliche Aktivität und Sauerstoff. Eine gesunde, das heißt maßvolle Sonnenlichtexposition (Aufenthalt in der Sonne) sorgt für einen gesunden 25(OH)D-Spiegel im Blut [25(OH)D: 40 bis 60 Nanogramm pro Milliliter], verbessert das physische und psychische Wohlbefinden und kann bei der Vorbeugung gegen zahlreiche Erkrankungen helfen (zum Beispiel Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, metabolisches Syndrom, Autoimmunerkrankungen). Doch sollten Sie sich nicht an dem alten Sprichwort „Viel hilft viel“ orientieren: Allein die Tatsache, dass „ein bisschen Sonne guttut“, bedeutet längst nicht, dass „mehr Sonne besser täte“. Im Gegenteil: Bekommt Ihre Haut zu viel Sonne ab, kann dies ebenso unerwünschte Folgen haben (zum Beispiel Melanom, also Hautkrebs) wie zu reichliches und opulentes Essen (zum Beispiel Übergewicht) oder Übertreibungen beim Sport (zum Beispiel Muskelschäden).
Sonnenlicht ist die beste Medizin für den Alltag. Für eine gefahrlose Sonnenlichtexposition und die Erhaltung Ihrer Vitamin-D-Gesundheit sollten Sie sich an die Empfehlungen von Prof. Dr. med. Michael F. Holick („Doctor Sunshine“) halten. Danach sollten Sie Ihre Arme und Beine für die natürliche Synthese (Bildung im Körper) von ungefähr 1.000 bis 2.000 I. E. (Internationale Einheiten) Vitamin D über die Haut mithilfe der Sonnenbestrahlung etwa für die Dauer von zwischen 25 Prozent bis 50 Prozent der sogenannten minimalen Erythemdosis (MED) der Sonne aussetzen. Der Begriff „Erythem“ leitet sich aus dem Griechischen her und bezeichnet zunächst einfach eine Hautrötung oder Hautentzündung. Die MED ist die Eigenschutzzeit der Haut und gibt die minimale Dosis der Sonnenbestrahlung an, nach der sich die Haut leicht rötet.
Schätzen Sie ab, wie lange es unter den gegebenen Umständen (zum Beispiel in der Mittagssonne um 12 Uhr) dauern würde, bis Sie eine leichte Hautrötung („1 MED“) bekommen. Ohne ein Sonnenschutzmittel aufzutragen, setzen Sie danach Ihre Arme, Hände und Beine 25 Prozent bis 50 Prozent dieser Zeit der Sonne aus. Beim empfindlichen Hauttyp 2 genügen im Hochsommer etwa fünf bis zehn Minuten, um die 25 bis 50 Prozent der Eigenschutzzeit (MED) zu erreichen. Nach Berechnung des Vitamin-D-Experten Prof. Holick reicht diese Sonnenmenge in der Zeit von Mai bis September zwei- bis dreimal pro Woche aus, damit der Körper genügend Vitamin D bildet. In Deutschland liegt die beste Tageszeit zur Vitamin-D-Produktion zwischen 12 und 14 Uhr. Wer jeden Sonnentag nutzt und mittags seinen ganzen Körper achtsam und „wohldosiert“ der Sonne aussetzt, kann am Ende des Sommers einen 25(OH)D-Spiegel von 50 bis 90 Nanogramm pro Millliter erreichen. Unter optimalen Bedingungen kann die Haut eines jungen Erwachsenen durch eine MED im Rahmen einer Ganzkörperbestrahlung durch die Sonne innerhalb von 15 bis 30 Minuten sogar 10.000 bis 25.000 I. E. Vitamin D herstellen.
EIN KURZER HISTORISCHER RÜCKBLICK AUF DAS SONNENHORMON
Alles Leben auf der Erde ist mit der Kraft der Sonne verbunden. Ohne ihr Licht gäbe es kein Pflanzenwachstum und kein menschliches Leben. Daher verwundert es nicht, dass viele alte Kulturen von den Azteken, Inka und Maya über die alten Ägypter bis hin zu den antiken Griechen und Römern die Sonne verehrten. In der griechischen Mythologie galt der Sonnengott Helios als Spender von Licht, Leben und Energie.
Die historischen Spuren der heutigen Lichttherapie reichen bis ins Altertum zurück. Schon vor 6.000 Jahren, im Zeitalter der ägyptischen Pharaonen Ramses und Nofretete, berichten Ärzte von den Heilwirkungen des Sonnenlichts auf die Herzgesundheit. Schon der berühmte griechische Arzt Hippokrates (um 460–370 v. Chr.) setzte zur Behandlung körperlicher und seelischer Leiden auf die segensreichen Wirkungen des Sonnenlichts. Den olympischen Athleten des klassischen Altertums wurde empfohlen, sich häufig dem Sonnenlicht auszusetzen, um ihre Leistung zu steigern. Im alten Rom schickte man Kranke zum Kuraufenthalt an Orte mit intensiver Sonneneinwirkung. Der griechische Arzt Herodot, der Anfang des 2. nachchristlichen Jahrhunderts unter Kaiser Hadrian in Rom lebte, hinterließ wissenschaftliche Aufzeichnungen über die Lichttherapie. Auch der (nach Hippokrates) zweitberühmteste Arzt der Antike, Claudius Galenus aus Pergamon, der ebenfalls im 2. Jahrhundert in Rom wirkte, erwähnte in seinen Aufzeichnungen die Kraft der Sonne.
Als die moderne Wissenschaft sich für den Zusammenhang zwischen Sonnenlicht und Gesundheit zu interessieren begann, ging man zunächst davon aus, dass der gesundheitliche Nutzen, den uns die Sonnenstrahlen spenden, von ihrer Wärme herrührt. Erst der britische Arzt Sir Everard Home (1756–1832) kam zu dem Schluss, dass nicht die von den Sonnenstrahlen ausgehende Wärme, sondern die durch die Strahlung ausgelösten chemischen Prozesse im Körper für die Wirkung des Sonnenlichts (zum Beispiel Sonnenbrand) verantwortlich sind. Home konnte auch zeigen, dass dunkelhäutige Menschen von Natur aus eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber Sonnenbränden besitzen.
In den 1820er-Jahren machte der polnische Arzt Jędrzej Śniadecki die Entdeckung, dass Kinder, die im städtischen Milieu von Warschau aufwuchsen, viel häufiger an Rachitis litten als ihre Altersgenossen, die auf dem Land lebten. Dr. Śniadecki überlegte, ob die weitverbreitete Erkrankung vielleicht auf einen Mangel an Sonnenlicht zurückgehen könnte, wie er in den engen und überfüllten Wohnquartieren in Warschau vorherrschte. Und tatsächlich konnte Śniadecki die erkrankten Kinder erfolgreich behandeln, indem er sie aufs Land, in die Sonne schickte. Um das Jahr 1900 litten etwa 80 Prozent der Kinder in den Industriestädten Nordeuropas und im Nordosten der USA unter der schmerzhaften Knochenerweichung Rachitis, die sich in Symptomen wie Muskelschwäche mit Froschbauch, gesteigerter Muskelerregbarkeit, Knochenerweichung am Schädel bis hin zu epilepsieartigen Krampfanfällen bemerkbar macht.
In den führenden Industrienationen grassierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch eine weitere Krankheit, die mit einem Mangel an Sonnenlicht in Verbindung steht: die Tuberkulose, seinerzeit auch „Schwindsucht“ genannt. In Deutschland starb damals noch etwa jeder siebte Erwachsene daran. Die heimtückische Erkrankung verläuft schleichend, es ist eine von dem Tuberkelbakterium Mycobacterium tuberculosis hervorgerufene Infektionskrankheit. Der deutsche Arzt und Mikrobiologe...