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Gesundheitsversorgung zwischen Solidarität und Wettbewerb

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl226 Seiten
ISBN9783531914190
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis40,00 EUR
Das Solidarprinzip im Gesundheitswesen erfährt in weiten Teilen der Bevölkerung große Zustimmung. Gleichzeitig haben in den vergangen Jahren wettbewerbliche Steuerungsinstrumente in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung zugenommen. Die Wettbewerbslogik scheint jedoch der Forderung nach Solidarität grundsätzlich entgegenzustehen. In diesem Band wird das Spannungsverhältnis von Solidarität und Wettbewerb am Beispiel verschiedener Akteure und Versorgungsbereiche des Gesundheitswesens diskutiert. Dabei werden nationale Reformbemühungen ebenso berücksichtigt wie der zunehmende Regulierungseinfluss der Europäischen Union. In ausgewählten Beiträgen wird der Frage nachgegangen, wie sich das Verhältnis von Solidarität und Wettbewerb gewandelt hat, welche Konsequenzen sich daraus ergeben und wie möglicherweise die Vorteile beider Koordinationsformen miteinander kombiniert werden können.

Roman Böckmann ist Politikwissenschaftler an der Graduate School Of Politics (GraSP) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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Leseprobe
"Wettbewerbliche Transformation im ambulanten Sektor: Governanceformen und gesundheitspolitische Zielpräferenzen im Wandel (S. 91-92)

Nils C. Bandelow/Mathieu Schade

1 Einleitung

Traditionell wird der ambulante Sektor durch ein kollektivvertragliches Verhandlungssystem geprägt (Rosenbrock/Gerlinger 2006: 280). Dieses steht seit dem Beginn der Kostendämpfungspolitik Mitte der 1970er Jahre unter einem kontinuierlichen Veränderungsdruck. Der Reformdruck hat zunächst nur graduelle Veränderungen bewirkt. Seit Anfang der 1990er Jahre nimmt die ordnungspolitische Bedeutung der Reformen aber zu.

Mit dem 2007 verabschiedeten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) wurde zuletzt eine grundlegende Reform des ambulanten Sektors und seines Verhandlungssystems angestoßen, die angesichts der kontroversen Debatte über Finanzierungsfragen in der Öffentlichkeit vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit gefunden hat. Die zukünftigen Governanceformen der ambulanten Versorgung sind angesichts der aktuellen Reformen nur schwer prognostizierbar.

Die Ergebnisse werden aber von großer Bedeutung nicht nur für die direkt betroffenen Leistungsanbieter sein. Auch die Ausgestaltung des Solidarprinzips in der Krankenversicherung insbesondere im Hinblick auf die Versicherten und Patienten ist von Veränderungen der Vertragsbeziehungen zwischen niedergelassenen Ärzten und Kostenträgern betroffen. Während einerseits ein zunehmender politischer Wille zur Umgestaltung der Vertragsbeziehungen erkennbar ist, erweist sich andererseits die Richtung der Reformen seit Mitte der 1970er Jahre als widersprüchlich. Die erste Phase der Kostendämpfungspolitik zwischen 1977 und 1989 beinhaltete zunächst eine Stärkung der Selbstverwaltung im ambulanten Bereich und eine Ausweitung von Verhandlungsstrukturen auch auf andere Sektoren (Döhler 1997).

Mit dem 1992 verabschiedeten Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) setzte dann ein Strategiewandel ein, der zunächst nur die Kassenseite betraf. Die korporatistischen Verhandlungssysteme werden seitdem durch wettbewerbliche Elemente ergänzt und teilweise ersetzt. Das GKV-WSG stellt einen vorläufigen Höhepunkt dieser Abkehr vom Kollektivvertragssystem in seiner bisherigen Form dar. Offizielles Ziel des Gesetzgebers ist es seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG), einen Qualitätswettbewerb im ambulanten Sektor zu etablieren, ohne das Solidarprinzip zu gefährden. Die Bewertung dieser Strategie ist umstritten. So ist zunächst unklar, ob es sich bei den Veränderungen seit Anfang der 1990er Jahre um eine Entkorporatisierung oder um eine Modifikation der korporatistischen Verhandlungssysteme handelt (Rosenbrock/Gerlinger 2006: 283).

Umstritten ist auch, wie sich möglicher Wettbewerb auf die Erreichung zentraler Ziele wie Solidarität und Qualität auswirkt (Groser 1976: 89, Herder-Dorneich 1979: 126, Deppe 2000: 66, SVR Gesundheit 2005: 32, siehe auch Böckmann in diesem Band). Der Beitrag liefert eine Bestandsaufnahme der bisherigen Entwicklungen im ambulanten Sektor mit einer Bewertung der möglichen Folgen insbesondere für die Verwirklichung des Solidarprinzips.

Zunächst werden die rechtlichen Veränderungen vorgestellt. Diese haben das traditionell starke Verbandssystem der Kassenärzte unter wachsenden „Stress"" gesetzt (vgl. bereits Behagel 1994). Der davon ausgelöste Pluralisierungs- und Fragmentierungsprozess wird im dritten Kapitel analysiert. Abschließend erfolgt eine Diskussion möglicher Szenarien für zukünftige Governanceformen vor dem Hintergrund des jeweils möglichen Zusammenhangs zwischen Regelungsformen und Erreichung der konkurrierenden gesundheitspolitischen Ziele."
Inhaltsverzeichnis
Vorwort5
Inhalt7
Einleitung: Solidarität und Wettbewerb im Gesundheitswesen9
Wettbewerb und Patientenorientierung in der gesetzlichen Krankenversicherung19
Verbesserung des Risikostrukturausgleichs als Instrument zur Sicherung der Balance zwischen Solidarität und Wettbewerb42
Die Private Krankenversicherung – weder Solidarität noch Wettbewerb?61
Wettbewerbliche Transformation im ambulanten Sektor: Governanceformen und gesundheitspolitische Zielpräferenzen im Wandel89
Krankenhaus unter DRG-Bedingungen: Zwischen Ökonomisierung, Unwirtschaftlichkeit, Veränderungsresistenz und Desorganisation115
Die Preispolitik der Hersteller – Totengräber unseres Systems? Zur Effizienz der Arzneimittelversorgung in Deutschland138
Pharmaunternehmen im Spannungsfeld von Shareholdern und Stakeholdern156
Vereinbarkeit von Wettbewerb und Solidarität in der sozialen Krankenversicherung? Gesundheitsreformen in den Niederlanden und Deutschland171
Solidarität in der europäisierten Gesundheitspolitik? Zum Verhältnis von Wettbewerb und Solidarität im europäischen Binnenmarktprojekt199
Autorenverzeichnis228

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