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Glauben mit Vision -

Sieben kraftvolle Impulse für dein Leben

AutorChristian Hennecke
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783641223113
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
»Eigene Möglichkeiten erkennen und in ihnen aktiv werden ...« (Christian Hennecke)
Warum glauben? Viele Menschen wenden sich von der Kirche ab, weil sie dort keinen Zugang (mehr) finden zu einem erfahrbaren, gelebten Glauben. Dennoch sind eben diese Menschen auf der Suche nach Orientierung und einer spirituellen Heimat.
Christian Hennecke schildert hier sieben Visionen einer Kirche der Zukunft: als spirituellen Ort jenseits aller konfessionellen Grenzen, getragen von Menschen, die sich einbringen wollen.

Dr. Christian Hennecke, geboren 1961, ist seit 2015 Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim. Acht Jahre lang war er für die Priesterausbildung seines Bistums verantwortlich. Nach dem Studium der katholischen Theologie in Münster und Rom war er einige Jahre Kaplan und Pfarrer in Gemeinden in Norddeutschland. Hennecke ist Autor zahlreicher Bücher.

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Leseprobe

1 DEN UR-SPRUNG LEBEN

Wie oft habe ich das feiern dürfen. Eine Kindertaufe. Und wie oft wird das noch geschehen! Es sind immer besondere Momente. Viele Menschen in der Kirche, oft auch viele, die sonst eher selten ihren Glauben feiern. Ihren Glauben feiern? Ja, denn das tun wir ja hier als Gemeinschaft des Glaubens. Denn die Taufe eines Kindes birgt ja eine echte Provokation. Man kann nämlich ein Kind nicht so einfach taufen.

Taufe setzt eine Einwilligung voraus, ein bewusstes Ja-Sagen zu Gott, ein bewusstes Sich-Einlassen auf seine Liebe und den Wunsch, aus dieser Liebe zu leben. Das sagt sich so einfach, aber ist es auch so einfach? Deswegen ist die Kindertaufe immer mit einer Reihe von Fragen verknüpft. Die Eltern und Paten werden schon zur Begrüßung gefragt, ob sie ihr Kind im Glauben erziehen wollen. Und der Gemeinde wird in Erinnerung gerufen, dass sie Mitverantwortung trägt, damit dieser Weg des Hineinwachsens für das Kind gelingen kann. Ohne Glauben gibt es keine Taufe, ja – aber wenn es eine Gemeinschaft der Eltern, wenn es eine Gemeinschaft der Mitglaubenden gibt, wenn Paten sich mitverantwortlich erklären, dann kann man das Kind taufen.

Direkt vor der Taufe wird dann ganz konkret gefragt: ob nämlich die Eltern und Paten sich vom Bösen wegkehren wollen, dem Urheber des Bösen widersagen – und sich dem christlichen Gott und seiner Gemeinschaft zuwenden wollen: »Ich glaube« heißt die richtige Antwort, auf die dann die Gemeinde einstimmt, indem sie das Glaubensbekenntnis noch einmal gemeinsam spricht. Erst dann wird mit Wasser getauft.

Und hier beginnen die Fragen. Was eigentlich meint Glauben? Glauben die Eltern wirklich? Wie nehmen sie ihre Verantwortung wahr und was meinen sie, wenn sie ihr Kind im Glauben erziehen wollen? Ist Glauben überhaupt erziehbar? Und wie kann eine Gemeinschaft, eine Gemeinde, eine Kirche dazu beitragen, dass jemand in den Glauben hineinwächst? Ist Glauben so etwas wie ein Lerninhalt? Die Kirchen wollen ja Menschen auf ihrem Glaubensweg begleiten, und der Religionsunterricht will informieren und verantwortlich darstellen, was es mit dem christlichen Glauben auf sich hat. Aber: mit dem Glauben selbst ist das nicht verwechselbar.

Wir leben in einem epochalen Wandel, der diese Fragen hervorbringt. Noch erinnerbar ist eine Zeit, in der man als Oberbayer oder Emsländer katholisch war, als Niedersachse oder Hesse evangelisch. Man konnte fast sagen: Wir sind katholisch oder evangelisch geboren, so selbstverständlich waren die verschiedenen konfessionellen Ausformungen des Glaubens an Territorien und Familienbande geknüpft. Und wenn man da ein Kind taufte, dann konnte man sicher sein, dass es all die christlichen Traditionen wie mit der Luft einatmete und lernte.

Ich selbst bin tatsächlich auch noch so geprägt. Meine Mutter betete mit mir am Abend, wir beteten vor dem Essen. In der Adventszeit setzten wir uns zusammen und sangen Lieder. Und Weihnachten las mein Vater das Evangelium von der Geburt Jesu vor. Und so lernte ich – durch meine Eltern – beten. Und natürlich gingen wir in die Kirche, jeden Sonntag. Und ich wuchs wie selbstverständlich in die Liturgie der Messe hinein. Und das hatte zwei Konsequenzen: Auf der einen Seite konnte ich bald auf Latein die Texte der Liturgie, denn Mitte der 60er-Jahre war an meinem Heimatort in Göttingen noch der lateinische Gottesdienst die Regel. Und zum anderen drängte ich meine Eltern immer mehr dazu, dass ich doch – als Fünfjähriger – auch an der Kommunion teilhaben wollte. Meine Eltern waren etwas genervt und hilflos. Denn normalerweise geht man ja erst mit neun Jahren zur Kommunion. So wandten sich meine Eltern an den Pfarrer – und der holte den kleinen Jungen zu einem Kurzgespräch in die Sakristei und fragte ihn (so berichteten es meine Eltern): Wie lautet das Tischgebet des Herrn? Und ich habe geantwortet: Das Vaterunser, worauf ich tatsächlich dann an der Kommunion teilhaben durfte ... Dass ich dann natürlich Messdiener wurde und auch zu Hause Messe gespielt habe, das gehört selbstverständlich dazu.

Aber: So wie ich damals in die Tradition der katholischen Kirche hineingewachsen bin, das war schon in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts wohl eher eine Seltenheit. Genau in dieser Zeit brach nämlich dieser Zusammenhang selbstverständlicher Weitergabe kirchlicher Tradition ab. Ich habe das damals nicht so bemerkt, denn für mich war meine Glaubenspraxis ja selbstverständlich, und ich lebte sie mit meiner Familie und mit den Menschen, die wir sonntags in der Kirche trafen.

Soziologisch lässt sich mittlerweile sehr einfach nachweisen, dass diese Bewegung der Auflösung ererbter Gläubigkeit spätestens seit Beginn der 60er-Jahre statistisch belegt ist und sich so eine selbstverständliche Verknüpfung auflöst: Glauben und Glaubenspraxis lassen sich nicht mehr einfach territorial verorten. Traditionen und Glauben treten auseinander – und die Kirche als Ort der Glaubenspraxis und selbstverständlicher Glaubenstraditionen wird fraglich und fraglicher. Und so wurde eine Krise offenbar, die seitdem nicht endet: die »Weitergabe des Glaubens« von einer Generation zur nächsten funktioniert nicht mehr.

Wichtige Unterscheidungen

Aber diese Geschichte der Auflösung einer Gesamtkonstellation von Glaube, Tradition und Kirche lässt tiefer fragen und unterscheiden: Der Glauben einerseits ist ja noch etwas anderes als die (kirchliche oder konfessionelle) Tradition, in der er sich ausdrückt. Habe ich eigentlich als kleiner Junge geglaubt, oder habe ich nur bestimmte Handlungen und Formen übernommen und fast magisch ausprobiert? Was meint Glauben eigentlich – und wie ist er zu unterscheiden von einer wie immer gearteten Ausdrucksform und Tradition.

Und ja, ist es möglich, immer wieder zur Messe zu gehen, immer wieder an einer Wallfahrt teilzuhaben, bei Prozessionen mitzuziehen und Rosenkranz zu beten – ohne zu glauben? Eins ist gewiss: solange Glauben und eine traditionelle Praxis eines Milieus zusammenfielen, konnte man schlecht unterscheiden. Alle machten ja mit – aber Glauben war auch schon hier eine persönliche oder vielleicht die persönlichste Frage, und kirchlichen Atheismus hat es bestimmt schon immer gegeben oder geben können.

Damit ist deutlich zu unterscheiden zwischen den verschiedenen Traditionen und Formen des christlichen Glaubens, den alten wie den neuen Formen und Praktiken, und dem Glauben selbst, der allerdings auch der Traditionen und Ausdrucksformen bedarf: Wie sollte man ausdrücken, was Glauben eigentlich ist? Aber – was ist Glaube eigentlich? Und vor allem: Was ist er in Zukunft, wenn die Selbstverständlichkeiten der Vergangenheit nicht mehr normativ sind?

Glauben ist mehr als eine Suche

Was macht Glauben wesentlich aus? Es sind nicht zuerst Inhalte, es sind nicht Traditionen, es sind auch nicht andere Personen, die selbst glauben. Nein – es ist eine unglaubliche Begegnung der dritten Art, so muss man wohl sagen. Wenn man die Geschichten des Alten Testaments liest, dann wird schnell deutlich, dass der Glauben immer aus einer Ursprungsbegegnung wächst. Natürlich geschehen diese Begegnungen nicht im ungläubigen Niemandsland. Immer schon gab es die Vorstellung, dass es jemand Größeren gibt, dass es einen Gott geben muss – und immer schon versuchten Menschen, durch religiöse Praktiken, Opfer und Gebete diesen Gott bzw. die Götter gnädig und wohlwollend zu stimmen. Aber kann man das schon Glauben nennen?

Eine allgemeine Religiosität, eine Furcht und Angst vor übermächtiger und willkürlicher Macht, ein Sich-gut-Stellen mit unbekannten Mächten, das ist zwar allgemeine menschliche Gläubigkeit, aber nicht die Grund­erfahrung des Glaubens. Das ist zu unterscheiden.

Im Alten Testament kann man die Geschichten bestaunen, die von einem anderen Glauben berichten. Es beginnt mit Abraham, der der Stammvater aller Glaubenden genannt wird. Er ist gewissermaßen der Urtyp des Glaubenden, und deswegen ist die Geschichte einfach kurz aufzurufen. Sie beginnt unvermittelt: Abram wird angesprochen. »Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werden. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein ... Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte ...« (Gen 12,1-4)

Hier ist von mehreren Ursprüngen die Rede. Auf der einen Seite geschieht hier ein erster Ur-Sprung von Gott auf den Menschen zu. Er spricht ihn an. Gott springt auf den Menschen zu. Das Buch der Weisheit verwendet dieses eindrückliche Bild: »Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel ...« (Weisheit 18,14f.)

Und so ist es immer: Weil Glauben mehr ist als Religiosität, weil Glauben immer mehr ist als jede Form und Tradition, mehr ist als eine sehnsuchtsvolle, ahnungsvolle oder angstvolle Suche, darum ist das erste immer Gottes Ur-Sprung in die Welt des Menschen, der seinerseits überrascht ist und sich doch zugleich angesprochen weiß. Und der Glauben ist dann Antwort auf eine personale Begegnung – auch ein Ur-sprung: Es ist ja erstaunlich, dass Abram weder überrascht noch misstrauisch reagiert. Er geht einfach los.

So ist also Glauben so etwas wie ein Ursprungsquadrat. Man kann es nicht vorhersehen, es ist nicht zu erwarten, und doch: Wenn Gott zum Sprung ansetzt, wenn Gott einen Menschen anspricht und wenn sein Wort ankommt, dann reagiert der Mensch, als wäre er dafür, für diesen Moment, für diese Antwort,...

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