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E-Book

Glückliche Stiefmutter

Gut zusammen leben in Patchworkfamilien

AutorKatharina Grünewald
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783451814914
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
In heutigen Patchworkfamilien spielt die Stiefmutter immer öfter eine Hauptrolle. Nur, wie soll sich 'Papas neue Freundin' oder die 'Bonusmama' verhalten, wenn sie nicht die 'fiese Stiefmutter' aus den Märchen sein will? Die Psychologin Katharina Grünewald zeigt die Zwickmühlen in heutigen Patchworkfamilien auf. Anhand zahlreicher Beispiele aus dem Alltag entwickelt sie Antworten. So erhalten Frauen viele praktische Anregungen: Denn eine selbstbewusste Haltung als Stiefmutter ist die beste Voraussetzung für ein gesundes und erfüllendes Familienleben. Mit einem neuen Kapitel mit vielen praktischen Impulsen. 'Dieses Buch ist ein Riesengeschenk an alle Erwachsenen in Patchworkfamilien.' Mathias Voelchert, familylab - die Familienwerkstatt

Katharina Grünewald, Dipl.-Psych., geb. 1970, verheiratet, 2 bis 4 Kinder, lebt in Köln. Sie hat intensive Forschung zur Patchworkfamilie durchgeführt, stellt die Ergebnisse in Vorträgen und Veröffentlichungen vor und hat auf Grundlage dieser Studie ein Beratungskonzept für Patchworkfamilien entwickelt. In ihrer 'Beratung für Patchworkfamilien' arbeitet sie mit Elternteilen, Paaren und Familien. Mehr Informationen: patchworkfamilien.com

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Leseprobe
Kapitel 1
Stiefmutter-Sein – Wie geht das?
Das Märchen von der »bösen Stiefmutter«
»Stiefmutter« ist ein alter Begriff aus den vorherigen Jahrhunderten. Damals bezeichnete er eine Frau, die nach dem Tod der Mutter in eine Familie kam und das Sagen hatte. Daher kommt die Redewendung »stiefmütterlich mit etwas umgehen«, die auch heute noch heißt »schlecht mit etwas umgehen«. Die Märchen haben die Beziehung zwischen Stiefmutter und -kindern in vielen Varianten beschrieben und dadurch das Bild der »bösen Stiefmutter« in der Gesellschaft verstärkt. Jeder hat beim Begriff »Stiefmutter« dieses Bild vor Augen: die böse Stiefmutter aus den Märchen, die ihre Stiefkinder in den Wald jagt, ungerecht und gemein behandelt, sie vernachlässigt und ausnutzt.
Natürlich ist die Beziehung einer Stiefmutter zu ihren Stief­kindern nicht immer nur durch Konkurrenz, Neid, Missgunst, Herrschsucht und Eifersucht bestimmt. Warum gibt es keine anderen Geschichten, in denen sich eine liebevolle, authentische und respektvolle Beziehung entwickeln kann?
Heutzutage suchen viele Stiefmütter nach Vor- und Leitbildern, aber wer kann und will sich denn mit dem negativen Bild der märchenhaften Stiefmutter identifizieren? Gibt es solche bösen Stiefmütter überhaupt? Und wer würde sich mit Wissen dieser Geschichten von vornherein so bezeichnen und zu erkennen geben wollen?
Die heutige Stiefmutter
Heute leben die leiblichen Mütter meistens noch, die Kinder sind gut versorgt und die neuen Partnerinnen der Väter sträuben sich verständlicherweise gegen diesen negativen Begriff. Es gibt aber keinen anderen, der die Beziehung der neuen Partnerin zum Kind beschreiben könnte. Neuere Versuche, zum Beispiel Bonusmutter1 oder Zweitmama, setzen sich nicht durch. Bonus ist mit einer kostenlosen Zugabe verknüpft, die oftmals nicht wertgeschätzt wird. Die Zweite zu sein widerspricht oft dem Wunsch, die Nr.1 des Partners sein zu wollen. Eine Abwertung scheint also zwangsläufig damit verbunden zu sein. In der Regel wird die Beziehung zwischen neuer Partnerin und den Kindern des Vaters also nicht benannt, man ruft sich beim Vornamen oder be­schreibt den Kontext über den Vater, zum Beispiel »Die Kinder meines Partners«, »Die Freundin meines Vaters«.
Aber wie ist die Beziehung zum Kind des Partners denn in der Realität? Was macht sie aus? Wie sieht es in den Patchworkfamilien aus? Wieso ist es so schwer, einen neuen Begriff zu finden? Wieso bleibt der alte so haften?
In meiner Kölner Praxis biete ich »Stiefmütter-Work­shops«2 an. Oftmals herrscht bei den Interessentinnen Verwirrung, ob man überhaupt teilnehmen darf. Darf man überhaupt diesen mächtigen Begriff für sich in Anspruch nehmen? Damit hätte man eine Bedeutung für die anderen Familienmitglieder und zusätzlich das Potenzial, in der Familie die Regie zu übernehmen. Die Stiefmutter nach altem Bild regelt den Haushalt, hat Kinder und Mann im Griff. Alles geschieht nach ihren Vorstellungen.
Davon sind die heutigen Stiefmütter meistens weit entfernt. Das alte Stiefmütterbild ist zwar negativ, aber macht- und damit reizvoll für Frauen, die gerne Teil dieser Familie sein wollen.

Fragen von Stiefmüttern in meiner Praxis sind zum Beispiel:

»Wenn die Mutter noch lebt, ich nicht in erster Linie in die Familie komme, um die Kinder zu versorgen, bin ich dann überhaupt eine Stiefmutter?«
»Wenn ich mit den Kindern meines Mannes gut auskomme, ich mich aber nicht für die Kinder verantwortlich fühle, bin ich dann eine Stiefmutter?«
»Wenn ich mich von den Kindern fernhalte, mich aus allem ­heraushalte und nur ›zu Besuch‹ da bin, wenn sie da sind, bin ich dann eine Stiefmutter?«
»Wenn die Mutter psychisch krank ist, das Kind in Gefahr gebracht hat und ich nun alles (natürlich in Absprache mit meinem Mann) tue, um das Kind mit all meiner Liebe zu retten, bin ich dann eine Stiefmutter?«
»Wenn der Sohn meines Mannes mich ›Mama‹ nennt, bin ich dann eine Stiefmutter?«
»Wenn kein Kontakt zu den Kindern meines Mannes besteht, bin ich dann eine Stiefmutter?«
»Wenn mein Mann die komplette Versorgung mithilfe einer Kinderfrau übernimmt, bin ich dann eine Stiefmutter?«
»Wenn mein neuer Partner schon erwachsene Kinder hat, bin ich dann noch eine Stiefmutter?«
Meine Antwort: Psychologisch gesehen ist jede Frau, deren Liebespartner ein Kind hat, eine Stiefmutter.
 
Die neuen Stiefmütter spüren deutlich die Nachteile, wenn man nicht mehr eindeutig in ein gesellschaftliches Bild oder eine Kategorie hineinpasst. Sie kommen nämlich nicht vor, sie fühlen sich nicht gesehen, nicht wahrgenommen und ringen ständig mit der Frage: Darf ich überhaupt sein? Muss ich mich unsichtbar machen? Darf ich eigene Ansprüche haben oder ist das schon »böse«?
Die Unsicherheit in der Rolle und Position der Stiefmutter ist groß und ebenso die Angst, die Beziehung zu den Kindern des Mannes falsch zu gestalten.
Aber was macht die Beziehung aus zwischen Kindern eines Mannes und seiner neuen Frau? Wie ist und funktioniert sie? Wie fühlt sie sich an? Was passiert zwischen den beiden?
Ich will zwei häufige Fallen, in die man als neue Part­nerin eines Mannes mit Kindern tappen kann, aufzeigen. In den Beispielen3 wird auch deutlich, dass die Frauen, die mit bestem Wissen und Gewissen ihre »gute Stiefmutterrolle« antreten und alles richtig machen wollen, schnell und ungewollt zur »bösen Stiefmutter« werden können.
Die Mutterfalle
Sabine, 32, weiß, dass Lukas, 7, eine Mutter hat und diese heiß und innig liebt. Lukas ist Ralfs Sohn. Sabine und Ralf kennen sich jetzt seit drei Jahren, seit einem Jahr sind sie zusammengezogen und jedes zweite Wochen­ende kommt Lukas zu ihnen. Am Anfang verstanden sich Lukas und Sabine sehr gut, sie haben zusammen gebacken, gekocht, gemalt, gebastelt, getobt und gespielt. Lukas tat Sabine leid, er musste so viel mitmachen. Ralf und seine Exfrau haben sich einen erbitterten Rosenkrieg geliefert und Lukas hat davon viel mitbekommen. Oft hat sie mit Lukas zusammen geheult und ihm einen warmen Kakao gemacht, ihn zu Bett gebracht und ihn getröstet. Sie kann nicht verstehen, wie Lukas’ Mutter ihrem Kind so etwas antun kann. Mütter wollen doch ihr Kind behüten und beschützen. Sabine hat Lukas ein Schutzengelchen gekauft, das auf Lukas aufpassen soll. Sie kauft immer Lukas’ Lieblings­joghurts, wenn er kommt, um zu zeigen, dass sie sich auf ihn freut. Sie fühlt sich ­wirklich verantwortlich und hat das Gefühl, sie kann einiges, was ihr Partner mit verursacht hat, wiedergutmachen. An den Lukas-Wochenenden guckt sie, dass sie viel Zeit hat, und vertröstet ihre Freundinnen und ihre Familie.
Seit einiger Zeit ist Sabine aber zunehmend unzufrieden mit der Situation. Sie bemüht sich immer noch um Lukas, hat aber das Gefühl, dass Lukas ein falsches Spiel spielt. Vor ein paar Wochen hat sie zufällig ein Telefonat mit seiner Mutter mitbekommen, bei dem Lukas sagte: »Nein, nein, dann bin ich mit Papa alleine, die Ziege fährt endlich weg!« Sabine fuhr am Abend zu einer Freundin und zu ihr hatte Lukas gesagt, dass er traurig sei, dass sie das Wochenende nicht da sei! Seitdem kann sie Lukas gar nicht mehr trauen, fühlt sich verraten und sieht nicht mehr ein, sich um ihn zu bemühen. Auf ­einmal fällt ihr auch auf, wie Lukas sie ausnutzt, letzt­endlich nur, um mit seinem Vater mehr Zeit zu haben. Sie bemerkt, wie sie »böse« Gedanken hat: »Der soll jetzt einfach ins Bett gehen! Ist doch egal, wenn er Angst hat. Da kommt er schon drüber! Völlig übertrieben, ihm jetzt noch eine Geschichte vorzulesen.« Letztes Wochenende hat sie extra andere Joghurts gekauft und sich extra mit ihrer Freundin verabredet, obwohl sie einen gemeinsamen Ausflug an dem Tag geplant hatten. »Sollen sie doch alleine fahren!«
Sabine ist in die Mutterfalle getappt. Obwohl Sabine genau weiß, dass sie nicht die Mutter ist, hat im Umgang mit Lukas ihr unbewusstes Mutterbild Regie geführt. Wahrscheinlich ist das aus eigenen Muttererfahrungen (als Tochter ihrer Mutter) und einer Muttersehnsucht entstanden. Sie hat mit bestem Wissen und Gewissen und mit Liebe für Lukas gesorgt und ihre eigenen Bedürfnisse gerne hintangestellt. Damit ist sie direkt in die...
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