Praxis – Leben mit Zöliakie
Ist Zöliakie heilbar?
Grundsätzlich nein. Einzelne Fälle einer scheinbaren Heilung sind zwar bekannt, doch kann es sich hierbei auch um eine falsche vorhergehende Diagnose handeln. Bei einer sicheren Diagnose muss von einer lebenslangen Unverträglichkeit ausgegangen werden. Alle Berichte und Wundermittel, die das Gegenteil versprechen, sollten kritisch hinterfragt werden.
Bei Kleinkindern, bei denen die Diagnose vor dem zweiten Lebensjahr gestellt wurde, konnte selten eine Heilung beobachtet werden. Diese Möglichkeit muss aber durch genaue und regelmäßige Untersuchungen bestätigt werden, da das Risiko einer Schädigung zu hoch wäre.
Durch eine glutenfreie Ernährung kann zwar keine Heilung, aber eine vollständige Beschwerdefreiheit erreicht werden.
Behandlung: glutenfreie Ernährung
Die einzige Behandlungsmöglichkeit bei einer Zöliakie ist die absolut glutenfreie Ernährung. Medikamente gibt es bis heute nicht. Während einer akuten Krankheitsphase gibt es jedoch verschiedene Möglichkeiten, die gereizte Darmschleimhaut zu beruhigen und den Darm bei seiner Heilung zu unterstützen. Ein ganzheitlich orientierter Arzt oder Heilpraktiker kann Ihnen dabei helfen.
Da auch Stress im Verdacht steht, an der Zöliakie beteiligt zu sein, versuchen Sie solche Situationen zu vermeiden, oder erlernen Sie eine Methode, mit Stress besser umzugehen, wie z.B. Autogenes Training, Feldenkrais oder Yoga. Mittlerweile gibt es auch spezielle Entspannungsmethoden für den Magen-Darm-Bereich. Bewegung, frische Luft und Atemübungen ergänzen die Behandlung.
Eine geschädigte Darmschleimhaut ist besonders durchlässig für Schadstoffe aller Art. Bevorzugen Sie deshalb Lebensmittel aus biologischem Anbau und verzichten Sie auf so genannte Genussmittel wie Tabak, Alkohol oder Süßigkeiten.
> Symptome einer Zöliakie
> Verdauungsstörungen
> Durchfall
> Fettige, massige Stühle
> Blähungen
> Übelkeit
> Müdigkeit
> Abgeschlagenheit
> Krankheitsgefühl
> Depressionen
> Appetitlosigkeit
> Heißhungerattacken
> Gewichtsabnahme
> Bei Jugendlichen:
– verzögerte Pubertät
– Wachstumsstillstand
Kann einer Zöliakie vorgebeugt werden?
Da die Ursachen der Zöliakie nicht geklärt sind, gibt es für Erwachsene keine eindeutigen Empfehlungen für eine Vorbeugung. Ratsam ist die Einhaltung einer allgemein möglichst gesunden Lebensweise und Ernährung.
Babys von Eltern mit einer Zöliakie sollten möglichst mindestens 6 Monate gestillt werden. Dadurch kann sich die Darmflora und das Immunsystem optimal entfalten. Die möglichst späte Zufütterung vermeidet einen frühen Kontakt mit dem eventuell unverträglichen Getreide. Jede Lebensmittelsorte sollte einzeln ausprobiert werden. Insbesondere bei der ersten Fütterung von getreidehaltiger Kost sollte aufmerksam auf Reaktionen geachtet werden. Reagiert das Kind mit Erbrechen, Blähungen und Durchfall, darf der Brei nicht wieder gefüttert werden. Auf keinen Fall sollten Eltern mit einer Zöliakie ihrem Kind glutenhaltige Nahrungsmittel vorenthalten, ohne dass eine Zöliakie sicher diagnostiziert wurde. Nur aus Verdacht sollte Getreide weder bei Erwachsenen noch bei Kindern aus dem Speiseplan gestrichen werden. Wichtig ist, bei entsprechenden Symptomen die Ursache abklären zu lassen.
Sicherheitshalber kann in zöliakiebetroffenen Familien bei Kindern ein Bluttest durchgeführt werden. Ist das Untersuchungsergebnis negativ und zeigen sich keine Symptome, kann mit großer Sicherheit von einer Zöliakiefreiheit ausgegangen werden. Fällt der Test positiv aus, sollte zur Sicherheit eine Biopsie durchgeführt werden.
Diät als Krebsschutz
Menschen mit einer Zöliakie haben kein höheres Gesundheitsrisiko – vorausgesetzt die glutenfreie Ernährung wird eingehalten. Bedingt durch das eingeschränkte Speisenangebot sollte auf eine rundum ausgewogene Ernährung geachtet werden. Dies bietet die Chance einer besonders gesunden Ernährung, die allgemeinen Gesundheitsrisiken vorbeugt. Nur bei Nichteinhaltung der Diät steigt das Risiko der genannten Folgeerscheinungen und Begleiterkrankungen. Bereits die kleinsten Mengen Gluten können den Darm schädigen. Das Risiko an Darmkrebs zu erkranken steigt dann um das Zehnfache.
> Symptome bei Kleinkindern
> Wachstumsstörungen
> allgemeine Gedeihstörungen
> Blähungen
> aufgeblähter Bauch
> Durchfälle
> Fettige, massige Stühle
> Blässe
> Erbrechen
> Wesensveränderungen
> Weinerlichkeit
> Desinteresse
> Zurückgezogenheit
> Appetitlosigkeit
> Muskelschwäche
Was tun bei Diätfehlern?
Generell sollte immer strengstens darauf geachtet werden, Diätfehler zu vermeiden. Ein „bisschen“ glutenfrei gibt es nicht. Auch wenn versehentlich glutenhaltige Lebensmittel verzehrt wurden, müssen nicht unbedingt sofort spürbare Beschwerden einsetzen. Trotzdem wird das Immunsystem aktiviert und die Darmschleimhaut geschädigt. Deshalb ist jeder Diätfehler ein Risiko für die eigene Gesundheit. Treten Bauchschmerzen und Durchfall auf, sollte die Ursache herausgefunden werden, um Wiederholungsfehler zu vermeiden.
Der Darm – geschwächtes Abwehrsystem
Der Dünndarm
Während unsere Außenhaut nur 2 m² groß ist, hat die „Innenhaut“ unseres Verdauungstrakts eine Größe von 500 bis 700 m². Der von einer Zöliakie betroffene Dünndarm ist daran mit 120 m² auf einer Länge von 3 bis 5 Metern beteiligt. Dies ist nur durch einen hochkomplexen Aufbau möglich: in sich auf engstem Raum zusammengefaltet, wird die Schleimhautoberfläche von ca. 600 ringförmigen Falten auf 1 m² vergrößert. 1 mm³ dieser Schleimhaut trägt bis zu 40 Dünndarmzotten, die mit einer Höhe von 1 mm und einem Durchmesser von 0,1 mm die Oberfläche auf 5–6 m² vergrößern. 1 mm³ jeder einzelnen Dünndarmzotte besteht wiederum aus 200 Millionen so genannter Mikrovilli. Ausgebreitet ergäbe dies die Größe eines Fußballplatzes.
Diese große Oberfläche mit ihrem komplizierten Aufbau ist für eine ausreichende Resorption der Nahrung notwendig. Jede Zotte besteht aus kleinsten Arterien und Venen und ist mit einem Netz von Blutkapillaren und Lymphgefäßen durchzogen. Durch dieses Netz können die Nährstoffe aufgenommen und in das Blut weitergeleitet werden. Bei der Zöliakie zerstört eine ständige Entzündung diese Zotten. Neue Zotten können nicht mehr nachwachsen. Medizinisch nennt man dies eine „Zottenatrophie“. Statt einer lebendigen „Hügellandschaft“ entsteht eine glatte Fläche, die mit ihrer viel geringeren Oberfläche die Nahrungsbestandteile nicht ausreichend resorbieren kann.
Die Darmflora
Der Nahrungsbrei muss zuerst jedoch in seine kleinsten chemischen Einzelteile zerlegt werden. Billionen von gesunden Bakterien leben in unserem Darm, um diese Aufgabe für uns zu erfüllen. Dieses Ökosystem nennen wir „Darmflora“. Die gesunde Zusammensetzung der Darmflora ist von der Art der Nahrung und unserer Lebensweise abhängig. Unser Gesundheitszustand wird direkt von unserer Darmflora beeinflusst. Bei der Zöliakie ist die Zusammensetzung der Darmflora nicht mehr so optimal, dass sie für unsere Gesundheit sorgen kann.
Der Darm als unser größtes Abwehrsystem
Sowohl Außen- als auch Innenhaut stellen die Grenze unseres Körpers zur Außenwelt dar. An dieser Grenze muss dafür gesorgt werden, dass lebensnotwendige Stoffe in den Organismus eintreten können; lebensgefährliche Stoffe aber draußen bleiben. Mit der Nahrung, die wir zu uns nehmen, schleusen wir mehrmals täglich eine gefährliche Mischung durch unseren Verdauungskanal – neben gesunden Nährstoffen enthält dieser Brei eine Vielzahl von ungesunden Bestandteilen wie Bakterien oder Pilze, die der Körper erkennen, inaktivieren und ausscheiden muss.
Deshalb ist der größte Teil des Immunsystems (70–80%) im Darm angesiedelt. Hier sorgt es an Ort und Stelle für einen möglichst reibungslosen Ablauf und ist damit ausschlaggebend für den Erhalt unserer Gesundheit verantwortlich.
Das Immunsystem
Spezielle Zellen sind darauf programmiert, Fremdstoffe zu erkennen und auszuschalten. Bei einem ersten Kontakt werden sie genau auf diesen Fremdstoff programmiert. Kommt der Organismus ein zweites Mal mit ihm in Berührung, erkennen die Zellen ihn wieder, docken sich sofort an und sorgen dafür, dass er keinen Schaden anrichten kann. Man nennt dies das „Schlüssel-Schloss-Prinzip“.
Dieser lebensnotwendige Vorgang kann sich auf Stoffe ausweiten, die an und für sich nicht schädlich sind. Das Immunsystem reagiert überempfindlich und erkennt in normalen Bestandteilen feindliche Eindringlinge. Über kurz oder lang spielt das Immunsystem verrückt – eine Allergie ist entstanden.
Im Falle der Zöliakie wird der Getreidebestandteil Gluten...