EINLEITUNG
General Jonathan Wainwright war der einzige US-General, der im Zweiten Weltkrieg vom Feind gefangen genommen wurde.
Sein Vorgesetzter, General Douglas MacArthur, hatte ihm das Kommando für die philippinische Insel Corregidor übertragen und war dann nach Australien geflohen, um den massiven Gegenschlag der Streitkräfte zu organisieren, der Japan besiegen sollte.
MacArthurs Befehle an Wainwright waren sehr klar gewesen: Niemals aufgeben – kämpfen bis zum Ende.
Wainwright war sehr bemüht, sich an den Wortlaut dieses Befehls zu halten, aber die massive, gnadenlose, systematische Zerstörung, die er mit ansehen musste, zwang ihn schließlich dazu, gegen seine Überzeugungen zu verstoßen und zu kapitulieren. Er und das, was von seiner bunt zusammengewürfelten Armee übrig geblieben war, wurde über Kriegsgefangenenlager in ganz Asien verstreut. Wainwright selbst landete in der Mongolei in einem solchen Lager.
Da er sich wegen der Kapitulation wie ein Versager fühlte, schuftete Wainwright in diesen schrecklichen Jahren der Gefangenschaft unter der Last der Schuld seiner Entscheidung. Sein Körper begann zu verfallen, bis er sich schließlich nur noch auf eine Krücke gestützt fortbewegen konnte; doch es war seine Seele, die den größten Schaden erleiden würde.
Zu gegebener Zeit führte MacArthur seine Truppen zum Gesamtsieg. Schließlich besetzte er Japan und ließ sich in Tokio nieder, in beträchtlicher Entfernung zur Mongolei, wo Wainwright noch immer festgehalten wurde. Infolgedessen konnte der Lagerkommandant seinem Gefangenen die Wahrheit vorenthalten und Wainwright in Unwissenheit versklavt lassen.
Das Einzige, was es dem japanischen Kommandanten ermöglichte, seinen Schwindel aufrechtzuerhalten, war Wainwrights Unkenntnis der Wahrheit. Wainwright war befreit worden, aber das war ihm nicht klar. Die Macht des Kommandanten über ihn gründete auf einer Lüge; Wainwright war frei, wusste es aber nicht.
Als ich diese Geschichte zum ersten Mal las, regte sich angesichts Wainwrights Situation etwas in mir.
Ich konnte nachvollziehen, dass Wainwright ein schuldbeladenes Gewissen hatte, weil er sich entgegen seiner Überzeugung ergeben hatte. Er hatte versprochen, sich nie zu ergeben, aber unter dem Druck war er eingeknickt. Die überwältigende Last in Wainwrights Leben waren weder die Zustände im Lager noch die Behandlung durch seine Entführer und noch nicht einmal die körperlichen Schmerzen – ihm war fast so, als hätte er all das verdient. Nein, das größte Gewicht, das auf ihm lastete, war die Schuld, die bedrohlich flüsterte, dass er das Ziel verfehlt habe, weil er sich gegen seine Überzeugung ergeben hatte. Er hatte etwas versprochen, hatte ein Gelöbnis abgelegt und es nicht gehalten. Er hatte versagt.
Viele Jahre lang lebte ich mein Leben als Christ mit dem gleichen fortwährenden Schuldgefühl wie Wainwright, weil mein Verhalten nicht zu meiner Selbstverpflichtung passte. Ich war im Leistungsstrudel gefangen und fühlte mich gezwungen, meinen eigenen religiösen Zirkus zu gründen. Ich sprang durch meine eigenen religiösen Reifen, balancierte dabei auf meinem eigenen religiösen Drahtseil und drehte dazu noch meine religiösen Teller, alles in der Hoffnung, dass das Publikum des Himmels in Begeisterungsstürme ausbrechen würde … aber stattdessen fühlte ich die Peitsche meiner verlogenen Emotionen, die mich verhöhnten und noch mehr Kunststücke von mir forderten.
Es war frustrierend. Ich arbeitete wie verrückt! Ich verstärkte meine Bibellektüre, erhöhte die Zahl meiner Kirchenbesuche, änderte meine Kleiderordnung und passte sogar meinen Tonfall an. Ich nahm an jeder möglichen Veranstaltung teil, in der Hoffnung, dies würde meine Gunst beim Himmel erhöhen. Ich wurde ein Pfingstler-Mönch und lebte in meinem eigenen mobilen Kloster der Distanziertheit und Schinderei. Ich begann, mich mit Martin Luther zu identifizieren, der wie John Forbes Nash, der Mathematiker aus dem Film A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn, seine eigenen destruktiven emotionalen Stalker hatte.
Luther glaubte, dass der einzige Weg, um in den Genuss von Gottes Lächeln zu kommen, darin bestand, den Himmel mit seinem arbeitswütigen Lebensstil als Geistlicher zu beeindrucken. In seinem Streben nach Heiligkeit beschloss er nicht nur, ein katholischer Mönch zu werden, sondern auch, jeden erdenklichen Berg geistlicher Disziplin zu erklimmen, um fit für den Himmel zu werden.
Er schlief nur wenige Stunden, ließ immer öfter Mahlzeiten aus, verbrachte zunehmend Zeit im Beichtstuhl, bis man ihn eines Tages schließlich dem Tode nahe und von seinen religiösen Werken und Gefühlen der Verzweiflung ausgezehrt, auf dem Boden seines Zimmers liegend vorfand.
Aufgewachsen in einem katholischen Umfeld voller Mystik und religiöser Pflichterfüllung war ihm beigebracht worden, dass Jesus, Maria und die Heiligen sich auf Erden viel besser verhalten hatten, als sie es mussten, um zusätzliche »Heiligkeitspunkte« im Himmel zu sammeln; der auf diese Weise mit zusätzlicher Heiligkeit gefüllte Speicher stände jedem zur Verfügung, der hart genug arbeitete oder reich genug war, um dafür zu bezahlen.
Doch egal, wie viel Luther tat, die Religion schien immer noch mehr zu verlangen.
Schließlich kam ihm der Säbel des Heils zur Rettung, der in seinem Werdegang als Leistungsheiliger einen Schnitt setzte und Seele von Geist trennte.
»Der Gerechte wird aus Glauben leben.« – Römer 1,17 LUT
Ein geschickter Hieb durch des Meisters Schwert und Luther war frei. Seine Seele war sauber von seinem Geist getrennt, sein Leben wurde verwandelt und die religiöse Welt reformiert; damit kam die Entdeckung, dass die von seinen Gefühlen geforderte Währung der Buße für immer ignoriert werden konnte, denn sein Geist nahm die Wahrheit der Rechtfertigung durch den Glauben an.
Genau wie Luthers Werdegang erinnerte mich auch die Geschichte von Wainwright daran, wie Satan es geschafft hatte, mich durch Unkenntnis der Wahrheit jahrelang auf diese Weise leben zu lassen – indem er mir die Freiheit und den Frieden raubte, die mir Christus durch sein vollbrachtes Werk mit seinem Sieg erkauft hatte. Ich war befreit worden, wusste es aber nicht und lebte daher als versklavter Gläubiger, so wie Lazarus, der das Leben wiedererhalten hatte, aber immer noch ins Grabtuch der Gesetzlichkeit und Verdammnis eingewickelt war.
Dieses Buch ist ein Zeugnis der Wahrheit, die mich befreit hat und mich immer weiter frei macht. Das Evangelium von der Gnade Gottes offenbart zu bekommen hat mein Leben mit neuer Kraft und Lebendigkeit erfüllt.
Die Gnade entwaffnet den Vollstrecker des Todesurteils.
Die Gnade entlässt das Erschießungskommando.
Die Gnade demontiert den Galgen.
Eine Offenbarung des Evangeliums der Gnade Gottes befreit uns davon, mit der Mentalität eines Kriegsgefangenen leben zu müssen. Es zu verstehen macht den Unterschied zwischen einem Henker, der mit seinem Henkersbeil in deine Zelle kommt, und einem Verteidiger, der mit einem Schlüssel in deine Zelle kommt.
Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch dazu beitragen wird, das Evangelium der Gnade Gottes in der Gemeinde zu fördern und neu aufleben zu lassen. Und ich bete, dass auch du die befreiende Kraft des Evangeliums erfahren und dich einer wachsenden Armee von Gläubigen anschließen wirst, die glauben, dass »Gnade lauter ruft«.
Ich könnte dieses Vorwort nicht beschließen, ohne Pastor Joseph Prince von der New Creation Church in Singapur zu danken, der sich von Gott als Impulsgeber in meiner persönlichen Offenbarung über das Evangelium der Gnade Gottes hat gebrauchen lassen. Er war mein Ananias.
Als wir uns in Südafrika einmal die Bühne teilten, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, als Joseph in seinen Predigten und in unseren privaten Gesprächen die Schrift erklärte. Ich dachte, ich sei ein Gnadenprediger; ich war stolz auf mein Verständnis der Gnade Gottes. Ich war gedemütigt und zugleich beschwingt, während ich dem Evangelium der Gnade Gottes lauschte, das aus diesem Mann in einer Weise herausfloss, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte.
Zuerst hatte ich Angst, einige der Dinge, die er sagte, anzunehmen, da sie fast wie Ketzerei klangen: »Der Heilige Geist überführt nicht den Gläubigen der Sünde …«, »Die Zehn Gebote sind dem Gläubigen nicht zur Heiligung gegeben …«, »Es ist unmöglich, die eigene Errettung zu verlieren …«
Während ich ihm zuhörte, verstand ich allmählich, wie sich der Apostel Paulus gefühlt haben muss, als ihm die religiöse, gesetzesbasierte, leistungsorientierte Matte regelrecht unter den Füßen weggezogen wurde.
Während mir Fragen wie Formel-1-Wagen beim Großen Preis von Monaco durch den Kopf rasten, war eine seiner Aussagen der Schlüssel, der die Tür zu den persönlichen, offenbarungsträchtigen Entdeckungen öffnete, die ich in diesem Buch niedergeschrieben habe. Und zwar sagte er Folgendes:
»Verurteilung und Schuld haben keinen Platz im Leben eines Gläubigen.«
Sofort konzentrierte sich mein Verstand auf Römer 8,1:
So gibt es jetzt keine Verdammnis mehr für die, welche in Christus Jesus sind, die nicht gemäß dem Fleisch wandeln, sondern gemäß dem Geist.
Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn hierzu kritisch befragen müsse.
»Ich stimme zu«, sagte ich, »aber der Segen, dass es für den Gläubigen keine Verdammnis mehr gibt, ist an eine Bedingung geknüpft. Das steht in Römer 8,1 ganz deutlich.« Ich zitierte die Bibelstelle und zeigte es ihm sogar...