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E-Book

Goldschnitte

Für alle Frauen, die sich mit 40 noch nicht erschießen wollen

AutorSabina Wachtel
VerlagDiana Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783641140076
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Was jede Frau ab vierzig machen sollte
Ab vierzig fangen wir an zu malen, tendieren zu Einheitsblond und stellen unsere Ernährung um? Wir tragen nur noch Grau-Beige, und Yoga ist Pflicht? Bitte nicht! Sabina Wachtel, selbst Managerberaterin in Sachen Dresscode und Outfit, erhebt Einspruch gegen das Freudlose. Sie plädiert für Wagemut und Spaß, für Gasgeben statt Aufgeben. Sich gut fühlen, mutig und vor allem lebendig sein - das macht Frauen zu Goldschnitten. Mit Selbstironie und Kreativität für alle Lebensbereiche verrät sie, wie Lässigkeit ab vierzig geht.

'Einige Leserinnen werden den Kopf schütteln, die anderen viel lachen, und die nächsten verlassen vielleicht ihren Mann. Aber irgendetwas wird passieren.' Sabina Wachtel



Sabina Wachtel, Jahrgang 1967, Inhaberin von ExpertExecutive mit den Labels ManagerOutfit und 55dresscodeberater.de in Frankfurt, berät Spitzenmanagerinnen und Spitzenmanager aus Wirtschaft, Politik und Sport in allen Fragen vom perfekten Outfit bis zum sicheren Auftritt. Sie schreibt regelmäßig Kolumnen für Wirtschaftsmagazine und ist eine gefragte TV-Expertin, wenn es um Stilfragen im Job geht.

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Leseprobe

2  Die ersten Schläge haben wir schon eingesteckt

2

Die ersten Schläge haben wir schon eingesteckt

Was der einen Goldschnitte die struppige Augenbraue ist, ist der anderen die jüngere Chefin, die ihr von einem Tag auf den anderen vor die Nase gesetzt wird. Oder plötzlich taucht das Gefühl auf: Alle Kollegen sind jung, nur man selbst ist steinalt. Wieder andere erhalten den ersten Schock, wenn sie von Jugendlichen gesiezt werden, noch andere legen mit Akribie einen Gartenteich an, lieben auf einmal die ehemals verhasste Gartenarbeit und erschrecken sich selbst darüber zu Tode, dass sie das toll finden. Es gibt auch einige, die fangen im Winter wie besessen an, die Vögel zu füttern, hören aber im Frühjahr auch nicht damit auf.

Meine Freundin Ulrike hält tatsächlich die Nachfolgerin ihrer Frauenärztin für nicht kompetent, weil ihr die viel zu jung vorkommt. »Wie soll die sich denn bitte schön mit meiner Vagina auskennen, das junge Ding?«, sagt sie. Das junge Ding ist Ende zwanzig und bestens ausgebildet. Ulrike ist übrigens auch die Freundin, die sich ständig wundert, dass es so viele »junge Autoren« gibt, die Bücher schreiben.

Auch meint sie, seitdem sie es nicht mehr schafft, innerhalb von drei Tagen drei Kilos abzunehmen, und sie abends im Internet nachschaut, was am nächsten Tag für Wetter ist, um ja warm genug angezogen zu sein, dass für sie die Sache sowieso gelaufen sei.

Und meine Freundin Penelope weigert sich, Internetformulare auszufüllen, weil sie es erniedrigend findet, dass sie in der Drop-Down-Liste scrollen muss, um ihr Geburtsjahr zu finden. Und zwar lange scrollen! Da gibt es nichts mehr schönzureden, jetzt ist es so weit. Nun verbringt man am besten seine Zeit zu Hause bis zum Sankt Nimmerleinstag, allein vor sich hin schmorend, oder man sucht sich eine Umgebung, die überwiegend Kontakt zu älteren Menschen pflegt.

Wer jetzt nicht aufpasst, bekommt den sogenannten Lauerblick. Dieser Blick tritt in Erscheinung, wenn man irgendwo eingeladen ist oder ausgeht. Statt den Abend zu genießen und Spaß zu haben, checkt man als Erstes das Alter der Leute. Das machen fast alle ab vierzig. Bitte darauf achten. Das grenzt schon an Kopf-Statistik und geht – also, ich schließe mich da nicht aus – ratzfatz. Der Abend ist nur dann gelungen, wenn mindestens die Hälfte der Leute um einen herum die vierzig schon überschritten hat oder so richtig schön alt aussieht. Noch besser ist es, wenn ein kleiner Teil der Gäste wesentlich älter ist. Das ist super! Da fühlt man sich putzjung!

Ganz besonders hart hat es Mia getroffen. Sie ist beim Fernsehen, und gegen das Fernsehen ist die Realität, in der wir anderen leben, ein Ponyhof.

Ich stehe in der Reinigung, an einem Freitag, um endlich meine fünf Pullover abzuholen. Nachdem ich letztens meine gesamten Turnschuhe in der Waschmaschine gewaschen hatte, darunter auch ein Billigpaar mit Glitzersteinchen, tue ich derzeit nur noch Jeans und Handtücher in die Maschine, in der Hoffnung, dass irgendwann diese kleinen Glitzerfetzen verschwunden sind. Genau in dem Moment, in dem ich bezahlen will, klingelt mein Handy.

»Mia, ich ruf gleich zurück, ich bin in der Reinigung«, zische ich ins Telefon.

»Du musst sofort vorbeikommen, es ist wichtig!«, jammert sie.

Ich versuche, mein Geld aus dem Portemonnaie zu nehmen und gleichzeitig das Telefon nicht fallen zu lassen.

»Ich bin in zehn Minuten da.«

»Danke, beeil dich aber!«

Nachdem ich mein Wechselgeld eingesteckt habe, nehme ich die große Tüte an mich und fahre zu Mia. Ich brauche gar nicht zu klingeln, die Tür steht schon offen. Mia wohnt mit Mann und Kindern in einem der schönsten Viertel von Frankfurt, ihr Haus ist riesig. Seit gefühlten hundert Jahren arbeitet sie bei einem kleinen Regionalfernsehsender, dort moderiert sie die Sendung Wohin in Downtown?, gibt Tipps und Infos, was man in der City und in der Umgebung unternehmen kann oder welches Restaurant gerade besonders zu empfehlen ist.

Mein Kaffee steht bereits auf dem Tisch, dazu meine Lieblingsplätzchen, die die italienische Haushälterin (also, sie kommt dreimal in der Woche, das ist für mich eine Haushälterin) immer aus ihrer Heimat mitbringen muss. Sie merken: Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen geht’s Mia nicht schlecht.

Mia ist eine imposante Frau, das liegt schon an ihrer Größe von 180 Zentimetern, und die Kurven sind an den richtigen Stellen – viel Busen, viel Po, viel Hüfte. Die Haare, pechschwarz, hat sie gerade so lang, dass sie sie noch zu einem Rattenschwänzchen zusammenbinden kann. Sie ist kaum geschminkt. Der einzige Schmuck sind ihre grünen Augen, die sie, wenn sie will, noch zusätzlich mit grünen Kontaktlinsen »tunt«, wie sie es nennt. Sie trägt ihre älteste Jogginghose, die ausgewaschen und total verbeult ist, Stulpen statt Hausschuhen und einen überdimensional großen Pullover. Wie kann man in diesem Outfit bloß so gut aussehen, denke ich und knalle mich auf die pinkfarbene Ledercouch. Scheinbar sind die restlichen Familienmitglieder geflüchtet, nirgendwo höre ich einen verdächtigen Laut. Meine Freundin schaut mich bedeutungsvoll an, während sie sich mit einem Gucci-Haarband die Haare zusammenbindet.

»Vor dir steht ein Opfer des Jugendwahns, ich bin draußen – ich darf nicht mehr moderieren«, sagt sie, ihre Stimme klingt verzweifelt.

Noch total fasziniert schaue ich auf das Gucci-Haarband und unterdrücke meine Frage, was es gekostet hat.

»Wie, nicht mehr moderieren?«, frage ich belämmert.

»Verstehst du nicht? Ich darf nicht mehr vor die Kamera. Ab nächsten Monat moderiert Jessica meine Sendung. Von der habe ich dir schon erzählt. Ist seit einem halben Jahr bei uns, Mitte zwanzig.« Mia blickt mich an wie ein Erdmännchen, die gucken auch immer so starr und eindringlich.

»Aber die können dir doch gar nicht so schnell kündigen, das ist doch Unsinn!«

»Habe ich was von Kündigung gesagt? Kapierst du denn gar nichts? Ich soll nicht mehr moderieren, nicht mehr mein Gesicht in die Kamera halten, stattdessen mehr redaktionell arbeiten, mehr Ideen reinbringen – hinter der Kamera.«

Gleich springt sie mir an die Kehle, denke ich, während ich Mia intensiv betrachte. »Ach sooooo – na, das hört sich ja doch schon ein bisschen besser an.« Ich merke, ich rede doofes Zeug, und versuche, mich und meinen Mist zu retten. »Zumindest ist das wesentlich besser als eine Kündigung«, sage ich, um Zeit zu gewinnen.

Es kommt gar nicht gut an.

»Ach sooooo«, wiederholt sie wütend. »Was soll das heißen? Es ist doch wohl schlimm genug, wenn man derart brutal«, theatralisch streckt sie die Arme hoch, »gesagt bekommt, dass man den Zuschauern nicht mehr zugemutet werden kann. Ich bin zu alt.«

Ich weiß, was nun folgen wird. Und es folgt prompt.

»Diese Idioten, diese testosterongesteuerten, hirnlosen Deppen, diese hornlosen Böcke, diese Schwachmaten und Hammelviecher …«

Okay. Nun ist aber genug, denke ich. Ehe das jetzt noch Stunden weitergeht, nehme ich Anlauf, um ins zweite Fettnäpfchen zu treten.

»Mia, du machst diesen Job seit elf Jahren! Auch ein Thomas Gottschalk wird irgendwann ganz abtreten, oder ein Karl Moik oder … Wobei, die Birgit Schrowange und die Frauke Ludowig sind auch schon relativ lange dabei …« Ich verstumme. Karl Moik und ebenso die anderen waren wohl schlechte Beispiele.

Meine Freundin geht an den Küchenschrank und holt einen losen Packen Plastiktüten heraus und fängt an, diese ordentlich zu falten. Das ist kein gutes Zeichen. »Haben die gesagt, dass du zu alt bist?«, frage ich.

Sie springt mir fast ins Gesicht. »Du verstehst gar nix, gar nix verstehst du. Das haben die natürlich nicht so direkt gesagt, das kann ich mir selbst zusammenreimen. Es ist doch zum Kotzen alles. Ab vierzig sollte man sich am besten selbst in Rente schicken und einmotten lassen, und dann kann man ja gleich …«

»Jetzt hör aber mal auf mit diesem langweiligen Vortrag, das ist ja furchtbar«, unterbreche ich sie. Tatsächlich wird Mia ruhig. Nun muss getan werden, was eine gute Freundin zu tun hat, nämlich Mia die Prinzessinnenkrone wieder aufsetzen, die ihr gerade vom Kopf gefallen ist. »Mia, mach dich doch nicht gemein mit diesem ganzen Frauen-ab-vierzig-Abstellgleis-Gezetere. Damit bist du keinen Deut besser als der Rest. Das ist so nervig. Du hast den Job lange gemacht, und jetzt ist auch mal gut. Politiker werden sogar nur für vier Jahre gewählt, jeder Vorstand wird nach ein paar Jahren ausgewechselt. Mensch!«

Sie setzt sich mit geradem Rücken auf den Stuhl, und ich fahre fort: »Du hast jetzt ein Wochenende lang Zeit, um das zu verdauen, aber du sprichst am Montag mit deinem Chef, und wehe, du fängst dieses Gespräch dann mit einem Wort wie ›Abstellgleis‹ an, damit stellst du dich dann nämlich eigenhändig drauf. Gib dem Ganzen doch nicht so eine Macht! Du bist Profi. Natürlich kannst du sagen, dass du seine Entscheidung bedauerst – nein, nicht seine Entscheidung. Du sagst, dass du es schade findest, aber nun gern über die neue Aufgabe sprechen willst. Was genau, welche Schwerpunkte – das weißt du besser als ich.«

Mia schweigt weiterhin, aber ihr Gesicht zeigt wieder Farbe. Ich muss...

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