Kontaktaufnahme
Die ersten kurzen Begrüßungen nenne ich einfach mal Smalltalk 1, 2 und 3, um den einfachen Start in einer Begegnung ohne thematische Richtung zu beschreiben. Es folgen tiefergehende Einstiege in den therapeutischen Dialog mit erklärenden Nachspannen danach.
Smalltalk 1
Ein zugeknöpfter Herr mit ordentlicher Frisur und weichem Gesicht betritt die Praxis. Mit wachsamen und freundlichen Augen blickte er mir entgegen.
„Guten Tag, Herr Sänger.“ (noch bei der Eingangstür)
„Guten Tag, Herr L.“
„Die Tür geht von selbst zu? ... ja, geht sie.“ (kommt herein)
„Hier bitte.“
„Danke. Kann ich schon reingehen?“
„Ja, nehmen Sie schon mal Platz. Ich bin sofort da.“ (hole noch etwas Wasser)
„Ok.“ (er geht in den Besprechungsraum)
(komme zurück und setze mich ihm gegenüber)
„Herr L., was kann ich heute für Sie tun?“
„Heute kommen Sie aber schnell zur Sache. Sonst fragen Sie mich noch irgendwas oder ... wir machen noch bisschen Smalltalk.“
„Ja, sehen Sie, es ist mal so mal so. Sie können aber gerne, wenn Sie wollen...“
„Nein nein, ist schon in Ordnung. Fiel mir nur auf.“
„Ok, wollen wir dann?“
„Ja, gut. Also, folgende Situation: ...“
Smalltalk 2
Eine junge Frau in kurzem Rock kommt herein. Es ist sehr warm draußen. Sie wirkt geschäftig und gibt sich offen für alles, was passieren möge.
„Hallo, Frau R.“
„Hallo, Herr Sänger. Schön kühl ist es bei Ihnen.“ (bläst die Hitze aus den Backen)
„Ja, das ist angenehm hier, wenn es draußen heiß ist.“ (ergreife ihre leicht schwitzige Hand)
„Ah ja, ich geh schon mal durch, oder?“
„Ja, bitte.“
„Ah ja, endlich sitzen.“ (setzt sich vorn auf die Kante, hält die Beine eng zusammen und zieht ihren Rock zurecht, die Sonnenbrille auf dem Kopf)
„Waren Sie noch in der Stadt unterwegs?“ (ich setze mich auch)
„Ja, ein wenig. Da ist vielleicht viel los. Kaum ist es warm, kommen die Menschen raus aus ihren Löchern, wenn ich das mal so sagen darf.“
„Dürfen Sie.“
„Habe etwas gekauft, dann war es mir zu viel. – Aber schön, dass es wirklich warm geworden ist, oder Herr Sänger?“ (lacht mich offen an)
„Ja, das tut gut.“ (lächle zurück)
„Ok, ich seh schon, Sie halten sich zurück. Ich bin ja auch aus einem anderen Grund hier, als über das Wetter zu sprechen. Aber stellen Sie sich mal vor, wir müssten sofort und ernst zum Thema kommen, das wäre ja furchtbar.“
„Sind wir das nicht schon?“
„Mmh?“
„Ich denke, wir kommen dem schon näher, um was es geht. Wir machen`s eben auf die angenehme Weise und tasten uns langsam heran. Das macht Spaß mit Ihnen.“
„Mir auch. Gut, dass das so geht. – Sagen Sie, Herr Sänger, ...“
(jetzt ging`s los)
Smalltalk 3
„Hallo, Rainer.“
„Hallo, Thomas. Komm rein.“ (geben uns die Hände)
„Puuh, ganz schön nass draußen.“ (vor der Garderobe, legt ab)
„Ja, wirklich.“
(gehen in Richtung Besprechungsraum)
„Oh, soll ich die Schuhe ausziehen?“ (schaut mich selbst überrascht an)
„Nein nein, geht schon. Du hast sie ja gut abgewischt.“
„Ja, wirklich?“
„Ja ja, kein Problem.“
„Du musst das nur sagen...“
„Ja, tue ich.“
„Ok.“ (wir setzen uns)
„Du bist sehr besorgt darum, dass du hier nichts verschmutzt. Verstehe ich dich richtig?“ (ein kleiner Versuch)
„Naja, wenn es draußen so uselig ist, kann man das doch verstehen, oder?“
„Ja, kann man.“ (gebe nach)
„Aber du hast auch recht. Ich schaue sehr, ob ich alles so weit es geht „richtig“ mache, wenn ich irgendwo hereinkomme. Finde das aber auch gar nicht schlecht.“
„Gestern kam jemand, der hat die Schuhe einfach sofort ausgezogen. Ich kam gar nicht dazu, etwas dazu zu sagen.“
„Soll ich auch?“ (schaut mich wieder bemüht an)
„Nein, ist schon gut. – Sag mal, worum geht es dir heute?“
„Ja, du hast recht, lass uns mal anfangen. – Mmh, ich habe gestern ...“
Auch wenn es immer wieder wie das gleiche scheint, der Smalltalk ist doch immer anders. Die Formulierungen ähneln sich sehr, aber die Tagesform bzw. das Empfinden der Personen zu sich selbst und zu dem anderen variieren. Daher ist der Smalltalk jedes Mal eine kleine, kurze gemeinsame Entdeckungsreise zum dem heutigen Blick auf das, was wichtig ist und worüber ich sprechen möchte. Eine wunderbare Form, einander näher zu kommen. Smalltalk.
Blickkontakt
Der folgenden Person war nicht bewusst, wie sie die Menschen schon ab dem ersten Kontakt anschaut. Sie wirkte sehr mit sich in Gedanken beschäftigt, hatte allerdings dabei die Eigenart, ihr Gegenüber dabei direkt anzugucken; gewissermaßen anzustarren, ohne dass sie sie wirklich sah. Das schien in den ersten Minuten des Gespräches klar zu sein. Der lösende Umgang damit war dann die kreative Fortführung des Gespräches.
Klingel, Tür auf, erste Begegnung. Blicke begegnen sich. Sie kommt drei Schritte auf mich zu ohne ein Wort mit ausgestrecktem Arm und offener Hand. Schaut direkt ohne Pause in meine Augen. Sie merkt, dass ich ihre Gesten mit meinen Blicken registriere.
Wir geben uns die Hände.
„Guten Tag, Frau O.“ (ich spreche zuerst)
„Guten Tag, Herr Sänger. Ich hoffe, ich bin noch pünktlich.“ (schaut mich immer noch direkt an, ich mache die Tür zu)
„Ja, sind Sie. Bitteschön, nehmen Sie Platz.“
„Danke.“
(setzt sich, schaut mich dann wieder an, ohne die Lider zu bewegen)
„Was kann ich für Sie tun?“
„Wo soll ich anfangen? (fragt sich in sich hinein, schaut mich aber immer noch an) Ich habe das Gefühl, ich mache den Menschen Angst. Die sagen immer, warum ich denn so gucken würde. So ohne Gefühl, so starr. Dabei habe ich selber Angst und kann aus meinen Gedanken nicht raus. Ich weiß gar nicht, wie ich gucke. Ich gucke einfach. Ich versteh das nicht.“
„Geht es Ihnen darum, dieses Missverständnis zwischen Ihnen und den Menschen aufzuklären? Dann können Sie sich endlich um Ihre eigene Angst kümmern?“
„Ja, das möchte ich. Vielleicht ist das Erste das Schwierigere? Meine Angst um mich ist mir näher als die Angst der Menschen vor mir.“
„Dann fangen wir mit dem Ersten an.“
Eine Eigenart, die Beachtung braucht, weil sie ihren Hintergrund hat. Menschen anzuschauen, ist das eine. Dieselben anzustarren, allerdings in Gedanken, ist etwas anderes. Wobei hier eine Differenzierung notwendig ist. Frau O. starrte nicht, sie schaute durch mich hindurch. Sie sah mich nicht (an), hatte aber ihre Augen auf meine gerichtet.
Es gibt den sehr schönen Weg, jemanden in seiner Art anzuschauen, zu betrachten. Wie ein Bild, das vor einem steht, kann man während des Gespräches eine Momentaufnahme des Blickes machen, ihn aufnehmen, wahrnehmen und erkennen. Und wie man weiß, ist der Blick eines Menschen ein Fenster zu seinem innersten Wesen. Frau O. spürte, dass ich ihren Blick anders interpretierte und willigte ein, dem nachzuspüren. Als wir die Reihenfolge festlegten, erst ihr Inneres dann das Äußere, beruhigte sie sich und fühlte sich „gesehen“.
Für jemand anderen etwas tun wollen
Hier ein fokussierendes Vorgespräch mit einer Teilnehmerin vor der Gruppe in einem Familienaufstellungsseminar. Später hat sie noch ein eigenes Thema aufgestellt.
„Hallo.“
„Hallo.“
„Wie heißt du?“
„Petra.“
„Worum geht es dir?“
„Mir geht es um meinen Mann, der...“
„Tschuldigung. Hast DU ein Anliegen oder dein Mann?“
„Ich möchte gern, dass mein Mann etwas für sich tut.“
„Ist der auch hier?“
„Nein.“
„Hat er dich geschickt?“
„Er weiß es gar nicht...“
„Wenn er nicht selbst will und nicht hier ist, bringt es nichts.“
Selbstverständlich ist es in einer therapeutischen Gruppe völlig unmöglich, dass eine Partnerin für ihren Partner ein Anliegen klären möchte, wenn dieser nicht dabei ist. Auch wenn das im besten Sinne gemeint ist, maßt sich wie hier die Partnerin etwas an, was ihr nicht zusteht und was sie auch nicht leisten kann.
Ein Geistlicher im Spiegel
Ein Geistlicher, der den Spiegel im Außen sucht und den Spiegel in sich selbst meidet, mit sich selbst beschäftigt, fast desinteressiert am Ergebnis. Wen ich wirklich vor mir hatte, wurde mir nie richtig klar.
„Guten Tag, Herr Sänger.“(kein Handgeben, hat seine eigenen Hände in der Hand)
„Guten Tag, ...“
„Wie geht es Ihnen?“
„Danke gut...und Ihnen?“
„Es geht. Was macht Ihre Familie?“
„Danke...und Ihre?“
„Na ja, sie nagt an mir. Sie sagten mal etwas über väterliches Leid, haben Sie diese Erfahrungen selbst gemacht?“
„Warten Sie mal eben, ich hole den Wandspiegel rein.“
„Wieso das denn?“
„Na ja, wenn Sie mich schon als Spiegel benutzen wollen, dann machen wir es doch gleich richtig.“
Ich stelle den Spiegel vor ihn hin.
„Also...