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Häufige Notfälle bei Hund und Katze

vorbereiten, erkennen und managen. Zusatzmaterial online: Flowcharts, Checklisten und Videos

AutorRené Dörfelt
VerlagSchlütersche
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl232 Seiten
ISBN9783842690271
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,99 EUR
Notfallpatienten kommen entweder zur Sprechzeit, wenn alle TFAs und Tierärzte beschäftigt sind, oder außerhalb der Sprechzeiten, wenn nur begrenztes Personal zur Verfügung steht. Oft ist nicht klar, wie schwerwiegend und lebensbedrohlich die Situation ist. Die komplette Aufmerksamkeit und das gesamte Können und Wissen des Personals sind jetzt gefordert. Dies ist nur mit guten Organisationsstrukturen und Teamwork zu schaffen. René Dörfelt zeigt, wie Notfälle optimal vorbereitet werden können, wie Notdienst organisiert werden sollte und wie im jeweiligen Notfall zu handeln ist. Ein wertvoller Leitfaden insbesondere für die haustierärztliche Praxis, mit dem Sie stressige Ausnahmesituationen professionell meistern!

Dr. med. vet. René Dörfelt ist Dipl. ECVECC (Emergency and Critical Care), Dipl. ECVAA (Anaesthesia and Analgesia), Fachtierarzt für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie sowie Fachtierarzt für Kleintiere. Er arbeitet als leitender Oberarzt für Intensiv- und Notfallmedizin, Anästhesiologie an der Medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Bundesweit referiert er auf Kongressen und schult regelmäßig TFAs und Ärzte zum Thema 'Notfallmanagement'.

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Leseprobe

Im nachfolgenden Abschnitt werden einige häufige Notfallszenarien besprochen. Dabei wird unter anderem Wert auf die Notfalldiagnostik und Notfalltherapie gelegt. Auch wenn die TFA einige dieser Maßnahmen nur selten selbst durchführt, ist es essenziell zu wissen, was wann und warum gemacht wird, um dem Tierarzt hilfreich zur Hand gehen zu können.

3.1 Atemnot (Dyspnoe)


Als Atemnot oder Dyspnoe werden alle Zustände bezeichnet, die mit Lufthunger, also erschwerter Sauerstoffaufnahme, einhergehen. Diese Zustände sind meist akut lebensbedrohlich. Mit den richtigen Maßnahmen kann die Situation der Patienten verbessert, allerdings auch mit den falschen Maßnahmen deutlich verschlechtert werden. Daher ist die Atemnot eine der gefährlichsten, aber oft auch dankbarsten Notfallsituationen.

3.1.1 Diagnostik


Triage

In der Triage wird vor allem auf die Atemwege und die Atmung geachtet. Dies beginnt beim Betreten des Raumes. Bereits dabei wird auf von Weitem hörbare Atemgeräusche aus den oberen Atemwegen, den sogenannten Stridor, geachtet. Falls ein Stridor vorhanden ist, kann man durch leichte Palpation des Larynx bzw. der oberen Halsgegend herausfinden, ob dort massive Verlegungen vorhanden sind. Wenn Fremdmaterial vermutet wird, kann auch versucht werden, ins Maul hineinzusehen und ggf. das Material gleich zu entfernen. Dabei ist darauf zu achten, dass der Patient durch die Manipulation wenig Stress erfährt. Zudem ist ein Tier in Stress und Panik wenig berechenbar, und das Risiko, von der Katze oder dem Hund gebissen zu werden, ist deutlich erhöht.

Des Weiteren wird auf die Atmung selbst geachtet. Dazu werden initial Atemfrequenz und Atemarbeit ermittelt. Dies sollte zur Vermeidung von Stress möglichst ruhig und koordiniert erfolgen. Bei Katzen beispielsweise kann das noch im Transportkorb durchgeführt werden, wenn dieser von oben zu öffnen ist.

PRAXISTIPP

Bei Atemnot mit dem Patienten mitzuatmen hilft, den Schweregrad einzuschätzen.

Die Auskultation erfolgt mit dem Stethoskop über mehreren Arealen der Lunge – mindestens oben, unten, vorn und hinten auf jeder Seite. Je größer das Tier, desto größer sollte die auskultierte Fläche sein. Zudem sollte auch das Herz als mögliche Ursache der Atemnot auskultiert und beurteilt werden. In der Auskultation verschärfte Atemgeräusche sprechen für Erkrankungen des Lungenparenchyms. Gelegentlich sind kaum Atemgeräusche oder auch kaum Herztöne zu hören. Dies liegt meist an Gewebe, Flüssigkeit oder Luft zwischen Stethoskop und Lunge, also meist an einer Pleuralspalt-Erkrankung. Nachfolgend sollte zumindest bei Verdacht auf eine Pleuralspalt-Erkrankung eine Finger-Finger-Perkussion des Thorax erfolgen. Hier spricht ein tympanischer Perkussionsschall für das Vorhandensein von Luft im Pleuralspalt, ein dumpfer Perkussionsschall für Flüssigkeit oder Gewebe.

BEACHTE

Die Schleimhautfarbe sollte zur Beurteilung des Schweregrades der Atemnot eher nicht herangezogen werden. Die Schleimhäute werden erst bei einer Sauerstoffsättigung unter 70 % zyanotisch. In diesem Bereich hat jeder Patient eine massive Atemnot. Das Nichtvorhandensein einer Zyanose schließt demnach eine lebensbedrohliche Atemnot nicht aus. Bei einem niedrigen Hämatokrit kann es aufgrund des fehlenden Hämoglobins nicht zur Zyanose kommen – auch wenn der Patient bereits verstorben ist.

Lokalisation der Atemnot

Bevor weitere Diagnostik durchgeführt wird, muss der Patient zunächst stabilisiert werden ( Kap. 3.1.2). Die Lokalisation der Atemnot stellt einen weiteren wichtigen Schritt in der Betreuung des Patienten dar. Dazu dient vor allem die klinische Untersuchung wie bereits in der Triage angesprochen und im Flussdiagramm dargestellt ( Abb. 3-1).

Das Schema auf der nächsten Seite zur Vorgehensweise bei einem Patienten mit Atemnot finden Sie auch zum Download auf tfa-wissen.de unter:
svg.to/atemnot_schema

Abb. 3-1 Schema zur Vorgehensweise bei einem Patienten mit Atemnot

PRAXISTIPP

Nach der Stabilisierung des Atemnotpatienten wird nach der Lokalisation der Atemnot gesucht und der Patient entsprechend der Lokalisation gezielt therapiert.

Weitere Möglichkeiten, die Ursache der Atemnot herauszufinden, sind neben der Bildgebung auch labordiagnostische Methoden.

Röntgen

Diese Untersuchungsmethode ist in vielen Praxen etabliert, allerdings mit erhöhtem Stress sowie Strahlenbelastung verbunden. Das Röntgen gibt einen guten Überblick über die Lunge, wenn der Patient optimal gelagert ist. Leider ist dies bei Atemnotpatienten oft nicht möglich, sodass nur suboptimale Bilder entstehen.

Ultraschall

Eine Alternative stellt der Ultraschall des Thorax und der Lunge dar. Der Notfallultraschall ermöglicht die Darstellung freier Flüssigkeit und von Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe. Zur Durchführung des Notfallultraschalls („Point of Care“-Ultraschall) ist wenig Spezialerfahrung nötig. Somit kann dieser auch durch eine TFA durchgeführt und erste Befunde erhoben werden. Es wird auch kein High-End-Ultraschallgerät benötigt – ein einfaches Gerät mit Mikrokonvexschallkopf ist ausreichend. Es kann auch jeder andere Schallkopf verwendet werden. Dies vermindert allerdings oft die Ankopplung, da der Mikrokonvexschallkopf am besten in die Interkostalräume passt. Das Tier befindet sich bei der Untersuchung z. B. in Brust-Bauch-Lage oder auch Seitenlage. Der Thorax wird ohne Scheren an 5 bzw. 8 Punkten angeschallt.

Das FAST-Schema (Focussed Assessment with Sonography in Trauma) kommt aus der Traumatologie und hat den Nachweis von Flüssigkeit zum Ziel. Am Thorax wird beidseits im Bereichs des 9. Interkostalraums dorsal, der Bereich des Herzens und ventral am Xiphoid durch die Leber hindurch angeschallt. Im Bereich des Herzens wird vor allem auf einen möglichen Perikarderguss, ggf. die Vorhofgröße und die subjektive Kontraktilität des Herzens geachtet, an den anderen Punkten vor allem auf freie Flüssigkeit ( Kap. 2.2.5).

Das VetBLUE-Schema (Veterinary Bedside Lung Ultrasound) ermöglicht die Beurteilung der Pleura und des Pleura-nahen Lungengewebes innerhalb einer Minute und wird auch als „optisches Stethoskop“ bezeichnet. Es werden folgende Punkte angeschallt: der neunte Interkostalraum dorsal, die Herzbasis, der mittlere und kraniale Lungenlappen ( Abb. 3-2).

Abb. 3-2 Schematische Ansatzstellen des Schallkopfes zur „Veterinary Bedside Lung Ultrasound Examination“ (VetBLUE).

a am Beispiel eines Hundes, b am Beispiel eines Röntgenbildes
CTS = chest tube site (kaudaler Lungenlappen), HB = Herzbasis,
MLL = mittlerer Lungenlappen, CLL = kranialer Lungenlappen

Die physiologische Lunge stellt sich mit Wiederholungsechos hinter der Pleura, den sogenannten A-Linien, dar ( Abb. 3-3). Mit der Atmung bewegt sich die Pleura (glide sign). Freie Flüssigkeit stellt sich als schwarze Region dar ( Abb. 3-4); ein Lungenödem mit diffuser Flüssigkeitseinlagerung lässt das Lungengewebe mit Kometenschweif-Artefakten bzw. komplett grau erscheinen ( Abb. 3-5). Bei Blutungen und Pneumonien befinden sich lokale Flüssigkeitseinlagerungen im Lungengewebe ( Abb. 3-6).

Abb. 3-3 Ultraschallbild einer normalen Lunge. A = A-Linien, P = Pleura, R = Schallschatten der Rippe

Abb. 3-4 Ultraschallbild einer Lunge mit Thoraxerguss. P = Pleura, E = Erguss

Abb. 3-5 Ultraschallbild einer Lunge mit Lungenödem. B = B-Linien oder Kometenschweif-Artefakte, P = Pleura, R = Schallschatten der Rippe

Abb. 3-6 Ultraschallbild einer Lunge mit Pneumonie. P = Pleura, R = Schallschatten der Rippen, S = Shred sign = lokale Flüssigkeitseinlagerung im Lungengewebe

Videoaufnahmen von Ultraschalluntersuchungen einer gesunden und von pathologisch veränderten Lungen finden Sie auf tfa-wissen.de unter:

svg.to/lunge_normal

svg.to/lunge_erguss

svg.to/lunge_oedem

svg.to/lunge_tissue_sign
Dieses Video zeigt konsolidiertes, also verfestigtes Lungengewebe. Der Schall durchdringt das Gewebe, sodass dieses wie Lebergewebe erscheint.

svg.to/lunge_pneumonie
In diesem Video wird die Lunge eines Hundes mit Pneumonie gezeigt. Pleura-nah sind konfluierende, also zusammenfließende dunkle Herde zu erkennen. Das gesamte Lungengewebe erscheint zudem grau.

PRAXISTIPP

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