Die Befee legt eine perfekte Landung auf dem Kopfkissen hin, direkt neben dem Kopf des Kindes. So in Höhe zwischen Mund und Nase. Sie ist gerade damit beschäftigt, ihre Flügel glatt zu streifen, als sie bemerkt, wie sich plötzlich der Mund des süß schlafenden Kindleins öffnet. Und aus dem weit aufgerissenen Mund, der ihr mit einem Mal groß wie ein Löwenmaul erscheint, rast plötzlich etwas Gigantisches hervor, wie ein Wind, und rasselt und dabei brüllt. Bevor sie sich irgendwo, vielleicht am Nasenloch, festhalten kann, packt sie dieses Ungeheuer und schleudert sie hoch in die Luft.
Augenblicke später ist alles vorüber, und das Kind liegt wieder in seiner ganzen Unschuld da, als wäre nichts geschehen.
Die Befee steht wieder auf dem Kissen und ruft wütend: »Hallo, Herr Husten, spinnst du? Ich hab mir fast meine Knochen gebrochen wegen dir!«
Da öffnet sich der Mund des nun wieder schlafenden Kindleins ein ganz klein wenig, und aus dem Mundwinkel krabbelt der Hustenbär, ein ganz kleiner, lieber, hervor. Kommt ganz zerknirscht zur Fee und murmelt: »Tut mir leid. Tut mir wirklich leid, aber was soll ich machen? Wenn die da drinnen«, und er zeigt auf die Brust des süß schlafenden Kindleins, die ruhig vor sich hin atmet –, »wenn die mich rufen, dann muss ich losstürmen, ob ich will oder nicht. Dann verwandle ich mich in ein Ungeheuer. Das ist schrecklich, ich weiß, aber was soll ich denn machen, das ist meine Aufgabe.«
Die Befee nimmt den kleinen, lieben Hustenbären in ihre Arme und tröstet ihn, weil der am liebsten weinen würde.
»Niemand mag mich!«, schnieft er. »So ein blöder Husten!, schnaufen die Kinder. Mein armes Schätzlein, sagen die Erwachsenen, hat dich dieser schreckliche Husten doch erwischt – als wäre ich ein Monster, das ihr Kind quält.« Jetzt schaut er die Fee an. »Kannst du mir nicht helfen, Befee?«, bittet er. »Und den Kindern erzählen, dass ich ihnen ja nicht wehtun will. Im Gegenteil. Ich bin ja nur dazu da, ihnen zu helfen. Aber die verstehen das nicht.«
»Na ja«, lächelt die Befee, »wie du mich gerade vom Kissen gepustet hast, warst du auch nicht gerade der süße Kuschelbär, sondern eher ein wildes Tier …«
»Hör mal zu!« Der kleine Hustenbär setzt sich gerade vor die Befee und sieht ihr ernst ins Gesicht. »Vor ein paar Tagen halte ich gerade gemütlich meinen Mittagsschlaf. Als plötzlich die Sirene losheult, Blaulicht, Rotlicht, Geblitze. Ich springe hoch, kann mir kaum meine Hose anziehen und rase los. Die Hirnspatzen funken mir den Einsatzort: Luftröhre. Mist, denke ich mir noch, dieses finstere und enge Ding. Dann bin ich schon da, und was sehe ich: ein dickes, festes Pommes frites! Steckt dort einfach und keucht: ›Die kauen mich nicht mal! Die spinnen! Die würgen mich einfach runter! War nicht meine Schuld, echt! Ich kann nichts dafür, echt!‹ – ›Klar, weiß ich doch‹, sag ich, nehme das Stück, drücke es an meinen dicken Bauch und zünde die Rakete. Meine Kollegen von der Mundabteilung, Zunge, Zähne, Lippen, und ich arbeiten dabei perfekt zusammen: Drei Explosionen hat es gebraucht, dann waren wir draußen. Einsatz beendet. Kind gerettet. Und? Glaubst du, ein einziges nettes Wort? Kein: Danke, lieber Husten, dass du mein gefräßiges Kind gerettet hast. Nichts.«
»Okay«, nickt die Befee. »Ich verstehe dich ja. Aber du musst auch die Kinder und ihre Eltern verstehen. Die sorgen sich. Und haben in diesem Augenblick keine Zeit für dich. Weil sie gar nicht daran denken, dass du eigentlich ein lieber, kleiner Bär bist, der dazu da ist, ihnen zu helfen. Vielleicht sollte man ihnen deine Arbeit mal erklären!«
Nun ist der kleine Hustenbär ganz aufgeregt: »Sag ich ja! Du musst ihnen erzählen, wie ich schufte. Wie ein Arbeiter in einem Bergwerk. Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie …« Plötzlich piepst es laut, und in seiner linken Pfote blinkt ein gelbes Licht. »Halt dich irgendwo fest!«, kann der Hustenbär grad noch rufen, dann ist er verschwunden, wie weggezaubert. Die Befee huscht hinter das Ohr des Kindes, keine Sekunde zu früh, denn schon schießt das Ungeheuer wieder aus dem Mund, dieses Mal mit gleich vier Explosionen.
Als es wieder ruhig wird, der Brustkorb sich wieder gleichmäßig bewegt, kommt der Hustenbär wieder aus dem Mund herausgekrabbelt. Schnauft und sieht ziemlich erschöpft aus.
»So geht das die ganze Nacht!«, jammert er. »Und warum? Das sind diese Wichtel, sag ich dir, die nur darauf warten, dass die Kinder Mütze und Schal vergessen, wenn es draußen kalt und windig ist. Oder wenn sie einen Kollegen von mir in der Schule oder im Kindergarten auffangen, wenn der durch die Gegend schwirrt. Still und heimlich schleichen sie sich dann in die Nasenzimmer oder verstecken sich gleich tief unten in den Höhlen im Bronchiental. Weil es dort natürlich langweilig ist, packen sie dieses schleimige, eklige Zeug aus und beginnen damit zu spielen: Formen Klumpen und bewerfen damit die Arbeiter auf den Luftwegen. Streichen die Wände damit voll und finden es lustig, darauf herumzurutschen. Die armen Arbeiter versuchen mit Schubkarren alles abzutransportieren, aber irgendwann geben sie auf. Sie können gerade noch den Alarmknopf drücken, bevor alles zu ist. Aber dann geht es so richtig los. Alles ist vorbereitet. Alles klappt perfekt. Im Büro der Hirnspatzen blinkt es rot, am Monitor sehen sie sofort, woher der Alarm kommt, und augenblicklich wird Befehl gegeben. Zwergenfell, Storchenritze und Drachenkopfmuskulatur schreien: »Achtung! Los!« Die drei unterbrechen sofort ihr Kartenspiel (die spielen die ganze Zeit!) und holen mich aus dem Bett. Die Storchenritze zündet meine Raketen, ich sause los und kehre wie verrückt die Luftwege, damit sie sauber sind und die Luftelfen wieder in die Lungenfabrik zur Arbeit kommen können.«
Die Befee klopft dem kleinen Hustenbär auf die Schulter. »Jetzt verstehe ich, warum du so traurig bist. Ihr schuftet, helft, seid ein perfektes, unglaubliches Team, und dann beschimpft man euch noch!«
Der Hustenbär ist sehr froh, dass ihn endlich jemand versteht. Gerade will er dankbar die kleine Fee umarmen, als schon wieder die Sirenen schrillen und es gelb in seiner linken Pfote blinkt. Aber bevor es mit dem unheimlichen Sturm losgeht, hat sich die Befee in das Ohr des Kindes gerettet und beginnt, als es wieder ruhig wird, die Geschichte des tollen Hustenbären zu erzählen …
* GESTATTEN: HUSTEN *
Einmal komme ich als ganz trockener Typ. Ein anderes Mal als ein produktiver oder feuchter Typ, also einer, der richtig arbeitet und deshalb so viel schwitzt, dass er ganz feucht davon wird. Ich erklär das mal: Wenn ich arbeite, muss ich Schleim und Fremdstoffe nach oben bzw. nach draußen transportieren.
Bin ich trocken, werde ich so gereizt, dass ich lospoltern muss. Dass kommt daher, weil die Schleimhäute im Inneren des Körpers entzündet sind. Weil es denen so schlecht geht, können sie nicht mehr anders und senden ein Signal an das Hustenzentrum. Und die schicken mich dann los als »Reizhusten«.
WAS DER HUSTEN ECHT MAG
Der Reizhusten mag: Inhalieren. Das hilft ihm sehr. Denn dadurch werden die Schleimhäute beruhigt und rufen nicht gleich hysterisch im Hustenzentrum an. Die einfache Variante: In einem Topf (ca. Kopfgröße des Kindes) beruhigende Kräuter wie Thymian, Kamille, Salbei und/oder Kochsalz mit heißem Wasser übergießen und unter einem Tuch den Dampf einatmen. In der Apotheke gibt es einfache Inhalationsgeräte und auch elektronische Zerstäuber. Einer dieser Apparate sollte in keinem Haushalt fehlen!
Auch das mag er sehr: Tees! Wenn jemand »Husten« sagt, drängen sich folgende brave Schüler in die erste Reihe und rufen »Nimm mich!«: Malve, Huflattich, Fenchel, Majoran, Thymian, Salbei, Spitzwegerich, Lungenkraut. Man kann die fleißigen Kerle auch als ganze Gruppe an die Arbeit schicken! Viel trinken ist überhaupt das Allerwichtigste, egal, um welche Art von Husten es sich handelt!
Und warum nicht auch ein bisschen Zauberei: Kartoffelwickel! Angenehm warme, zerdrückte Kartoffel (kann man anschließend als Püree verwenden …) in ein Tuch geben und auf die Brust legen. Simsalabim. (Klingt nur nach Voodoo, hat aber eine logische Erklärung: Wärme tut den Schleimhäuten gut, weil sie intensiver durchblutet werden. Und Kartoffeln werden genommen, weil sie erstens – zu Urgroßmutters Zeiten – ein sehr billiges Nahrungsmittel waren, das man immer in der Vorratskammer finden konnte. Und zweitens, weil die Kartoffel ein hervorragender Wärmespender ist. Ein perfektes Beispiel für die Klugheit von »Hausmitteln«.)
Der arbeitssame (produktive oder feuchte) Husten freut sich über: zum Beispiel Eukalyptus. Dessen Öl tötet Bakterien und fördert die Durchblutung der Schleimhäute. Und weil auch der Speichelfluss gefördert wird, schluckt man öfters und dadurch wird der Husten auf natürliche Weise unterdrückt (ausgetrickst).
Besonders lustig ist das »Abklopfen« (bitte dabei nicht herumrennen, sondern im Bett sitzen, okay?). Dabei klopft man einen satten Beat vom unteren Ende des Rückens bis zu den Schultern. Fördert das Rhythmusgefühl des Kindes. Ach ja: und lockert den Schleim, der dann leichter abgehustet werden kann.
Sirup mag dieser Husten besonders: Weil das zähe Getränk (anders als Tees, die hauptsächlich durch ihre Wärme beruhigend wirken) Rachen und Schleimhäute samtig umkleidet und damit beruhigt. Womit der Sirup daherkommt, ist dann mehr oder weniger Geschmackssache: Thymian, Honig, Gewürznelken schmecken süß und...