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Handbuch Konfi-Arbeit

Eine Veröffentlichung des Comenius-Instituts und der ALPIKA-AG Konfirmandenarbeit

VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl512 Seiten
ISBN9783641242985
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Fundiertes Wissen für gelingende Konfirmandenarbeit
In den evangelischen Kirchen ist die Konfirmandenarbeit das vielleicht wichtigste Feld der kirchlichen Pädagogik und in seiner Bedeutung für die kirchliche Arbeit kaum zu überschätzen. Ein zuverlässiger fachlicher Begleiter war dabei immer das »Handbuch für die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden«, das 1998 zum letzten Mal erschienen ist.
Die »ALPIKA-AG Konfirmandenarbeit«, in der sich die für Konfirmandenarbeit verantwortlichen Referenten und Referentinnen der pädagogischen Institute aller Landeskirchen treffen und fachlich austauschen, gibt jetzt das Handbuch in völliger Neubearbeitung wieder heraus. Es ist auf der Höhe der aktuellen Diskussion auf diesem Arbeitsfeld der Kirche, verschafft Übersicht über den Stand der fachlichen Diskussion und bietet Praktikern in Ausbildung und Beruf einen gut gegliederten, leicht lesbaren Einstieg in die vielfältigen Themen- und Aufgabenfelder der Konfirmandenarbeit.
  • Umfassend, aktuell, praxisnah und verständlich
  • Orientierung auf einem wichtigen Arbeitsfeld der Kirche

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Leseprobe

Bildungsorte

»Die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden ist ein zentrales Bildungsangebot der evangelischen Kirche.«10 Damit wird die Konfi-Arbeit als Bildungsort definiert, was nicht allein im Hinblick auf ihre Inhalte, sondern auch auf ihre Potenziale in non-formalen und informellen Bildungsprozessen zu verstehen ist: Integrationspotenziale, Gemeinschaftspotenziale sowie Verantwortungspotenziale.

»Formale Bildungsprozesse finden beispielsweise im Schulunterricht, in bezahlter Nachhilfe oder in einem Theaterprojekt einer Jugendkunstschule statt. Bei Aktivitäten in der Clique oder im Jugendzentrum, bei Gesprächen im Familienalltag, beim Umgang mit Medien oder beim Training im Fitnessstudio laufen informelle Bildungsprozesse ab, lernen Kinder und Jugendliche informell.«11 Derartige Bildungsorte sind zahlreich. Für Konfirmand*innen sind dies z.B. Familie, Peergroup, Jugendarbeit (kirchliche und nichtkirchliche), Sozialraum oder die Medien – TV und Internet. Kaum zu überschätzen ist freilich auch der Einfluss des zentralen Bildungsortes → SCHULE, dessen Bedeutung in den letzten Jahren eher noch zugenommen hat.

Eltern

Das Elternhaus hat weiterhin große Bedeutung für Jugendliche. Das bezieht sich nicht nur auf die aktive Einflussnahme der Eltern auf die Jugendlichen z.B. in der Erziehung. Die enge Verbindung zwischen Lebenswelten, sozialer Lage im Elternhaus und Zugängen zu formalen und non-formalen Bildungsorten ist offensichtlich. Leider haben finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen, die vom Elternhaus vorgegeben sind, automatisch unmittelbare Auswirkungen auf »Erreichbarkeit und Inanspruchnahme von non-formalen Bildungsorten und somit auch auf informelle Lernwelten«12 von Jugendlichen.

Die erste Milieuorientierung erfolgt im Elternhaus. Kinder und Jugendliche erfahren und erleben hier auf besonders intensive Art und Weise Lebensstil und Werteorientierung. Ausdifferenzierung von Wertvorstellungen und Lebensmotiven unter Erwachsenen zeigen an, wie heterogen dieser Lernort und gleichzeitig wie einflussreich die Lebenswelt darauf ist. Deshalb sollte eine lebenswelt- bzw. milieusensible Elternarbeit in der Konfi-Zeit besondere Aufmerksamkeit erfahren.

Die bundesweiten Konfi-Studien haben, wie zu erwarten war, einen starken Zusammenhang zwischen der Religiosität des Elternhauses und der Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement in Abhängigkeit vom Elternhaus und seiner Religiosität festgestellt.13

Freunde

Der Freundeskreis, auch Peergroup genannt, ist ein weiterer wichtiger Lernort. Hier sind in der Regel die für den Einzelnen persönlich relevanten Themen, die zur Meinungsbildung führen, verortet. In manchen Lebenswelten ist die Sorge vor einem negativen Imagetransfer groß,14 wenn man sich für die »falschen« Themen interessiert oder gar engagiert. Die hierarchische Struktur ist in manchen Lebenswelten ein wichtiger Faktor. In anderen ist es wichtig, Cliquen zu haben, die vor allem gemeinsam feiern wollen. Manchmal dient der Freundeskreis nur als Ort der Inspiration, aber der Jugendliche selbst macht sich von diesem bewusst nicht abhängig.

Medien

Pierre Bourdieu und viele weitere Forscher sehen im Fernsehen eine Bildungsinstanz ersten Ranges.15 Diese These aus dem Jahr 1998 muss heute natürlich dahingehend erweitert werden, dass das Internet dem Fernsehen vor allem in jüngeren Generationen als Bildungsinstanz den Rang abgelaufen hat. Erst 2007 brachte Apple das erste iPhone auf den Markt. Heute gibt es in Deutschland mehr Smartphones als Einwohner, auf denen man mehr als eine Million verschiedene Apps installieren kann.

Auch beim Thema Mediennutzung und -konsum hängen Lebenswelt, Milieuzugehörigkeit der Eltern und Bildungsort untrennbar zusammen. Daraus ergibt sich, wer Programme und Medien auswählt, wie lange und zu welchen Bedingungen sie genutzt werden (→ MEDIEN-PRAXIS).

Weitere Bildungsorte

Die Besuchsfrequenz und Relevanz weiterer Bildungsorte ändert sich ständig und lässt sich leicht aktuell abrufen z.B. zum Thema Sport unter www.dosb.de, zum Musikunterricht unter www.musikschulen.de oder zur Mediennutzung in der JIM-Studie unter www.mpfs.de.

Die veränderten Rahmenbedingungen des Aufwachsens, die hohe Geschwindigkeit, mit der Veränderungen erfolgen und Trends wieder veralten, prägen das Aufwachsen der heutigen Jugend noch stärker als vergangene Generationen. Multioptionalität ist einer der Container-Begriffe, um die Gesamtsituation im 21. Jahrhundert zu beschreiben. Eine Folge ist, dass sich Bildungsorte nicht nur schnell verändern, sondern sich ihre Zahl im vergangenen Jahrhundert merklich vergrößert hat. Konfimand*innen sind permanent herausgefordert, Entscheidungen darüber zu treffen: »Was mache ich, was lasse ich?«

Bedeutung für die Konfi-Arbeit: Grenzen und Potenziale des Lebenswelt-Modells

Was bedeuten die beschriebenen Phänomene, Lebenswelten und Typologien zusammen mit den damit verbundenen Chancen und Herausforderungen für die Konfi-Arbeit?

Bei allem Potenzial der Lebenswelt-Perspektive ist eine richtige Einordnung erforderlich: Erkenntnisse aus der Milieu- und Lebensweltforschung sind eine hilfreiche »Brille«. Sie liefern Deutekategorien, reduzieren Komplexität, aber sie allein zeichnen nie ein umfassendes Bild eines Menschen. »Eine wirklich jugendsensible Arbeit darf (derartige) Modelle in der Tat nur als Hilfskonstruktionen und im Bewusstsein ihrer Grenzen nutzen und nicht als Abziehbild der Wirklichkeit verstehen. Wir brauchen noch viel mehr eine persönlichkeitssensible Jugendarbeit«16, resümiert Michael Freitag. Dem ist auch im Hinblick auf die Konfi-Arbeit uneingeschränkt Recht zu geben.

Vor allem die Lebenswelt-Perspektive eignet sich als Analyse-Tool. Sie und der Blick auf die Bildungsorte und ihre Potentiale helfen bei der Differenzierung, schulen die Sensibilität in der Wahrnehmung und im Umgang mit Konfirmand*innen, weil sie Verstehens-Kategorien liefern. Doch geben sie selbst leider keine Handlungsempfehlungen. Welche Auswirkungen also daraus gewonnene Erkenntnisse haben, welchen Nutzen diese besondere Perspektive bringt, hängt davon ab, wie stark Engagierte in der Konfi-Arbeit selbst bereit sind, das eigene Handeln daran zu reflektieren und gegebenenfalls neue Wege zu gehen. Hierzu exemplarische Vertiefungen:

Differenzierung

Die Unterschiedlichkeit von Lebenswelten und die Vielfalt von Bildungsorten, die sich ja durch die unterschiedliche »Nutzung« von Bildungsorten nochmals vervielfacht, sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass in der Konfi-Arbeit mehr Differenzierung als bisher üblich wünschenswert ist. Dabei gilt es natürlich, die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, zu denen etwa Zeitverdichtung im Pfarramt oder kleiner werdende Konfi-Gruppen gehören. Wechsel der Unterrichtsorte, Arbeit in Groß- und Kleingruppen, Methodenvielfalt, verschiedene Formen der Auseinandersetzung mit Themen seien als Stichworte genannt. Wie wäre es z.B., manche Themen die Konfirmand*innen selbst vorbereiten zu lassen und sie dabei zu unterstützen? Wie wäre es, sie Zugang, Methodik und Ort selbst wählen zu lassen und so Zugang zu bekommen zu den von ihnen präferierten Lebenswelten? Außerdem kann die Arbeit mit einem Team helfen, noch besser in der Gruppe zu differenzieren und der Verschiedenheit der Konfirmand*innen gerecht zu werden.

Alltagsbezug der Themen

Bei der Themenauswahl und der Bearbeitung derselben ist zu berücksichtigen, dass die Alltagsrelevanz vieler Themen innerhalb der Lebenswelten sehr unterschiedlich bewertet wird. In der Konfi-Arbeit kommt erschwerend hinzu, was die 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD in kaum zu überbietender Deutlichkeit aufzeigt: Die Indifferenz in Glaubensfragen und Religion als »Nicht-Thema« nimmt in vielen Familien weiter zu.

Die Lebenswelt-Perspektive zeigt die Verschiedenheit der Interessen Jugendlicher deutlich auf.17 Exemplarisch hierzu als Übersicht eine Zusammenstellung von lebensrelevanten Themen für Jugendliche aus Brücken und Barrieren in Verknüpfung zu den SINUS-Lebenswelten.18 »Holzschnittartig« wird angezeigt, welche Alltagsthemen bei welchem Typen in welcher Lebenswelt prägend sind. Weitere Vertiefungen finden sich z.B. auch in der aktuellen SINUS Jugendstudie.19

Spaß-Motivierte

Benefit-Motivierte

Religiös-Motivierte

Gemeinwohl-Motivierte

Distanzierte

v.a. prekäre, materialistisch-hedonistische und teilweise adaptiv-pragmatische Jugendliche

v.a. adaptiv-pragmatische und expeditive Jugendliche

v.a. kon-
servativ-bürgerliche
und sozial-
ökologische Jugendliche

v.a. sozial-
ökologische, konservativ-bürgerliche, adaptiv-pragmatische Jugendliche

v.a. materia-
listisch-hedonistische, experimen-
talistisch-hedonistische, prekäre und...

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