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E-Book

Hausbesuch vom Pflanzenarzt

Tipps und Tricks für Garten und Balkon

AutorRené Wadas
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783644403567
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Erste Hilfe für alle Hobbygärtner! Gartencenter und Zeitschriften versprechen viel, doch im Gemüsebeet, Schrebergarten oder auf dem Balkon blüht und gedeiht längst nicht immer alles so, wie man es sich wünscht. Hier kommt Pflanzenarzt René Wadas ins Spiel: Schädlinge, Ungeziefer und Pflanzenkrankheiten sind sein Spezialgebiet. Mit seiner mobilen Pflanzenapotheke und viel Einfühlungsvermögen kann der Pflanzendoktor fast allen grünen Patienten helfen, seien es kränkelnde Rosen, Bonsais, Rasen oder Bäume. Und das in den meisten Fällen ganz ohne Chemie! In seinem Buch erzählt er von seinen spannendsten Fällen und gibt hilfreiche Tipps, mit denen alle Hobbygärtner selbst dafür sorgen können, dass ihre Schützlinge gesund bleiben.

René Wadas ist Gärtnermeister und lebt in Börßum bei Braunschweig. Als Pflanzenarzt ist er seit vielen Jahren im Norden unterwegs und hilft Hobbygärtnern mit ihren «Sorgenkindern». Der gebürtige Berliner schult mittlerweile in ganz Deutschland Mitarbeiter aus Gärtnereien und Baumärkten, Landwirte und Biologen.

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Leseprobe

Kapitel 1 Wenn der Elefantenfuß nicht mehr will


Nachwuchs im Hühnerstall bei uns im Garten. Aus den Eiern einer unserer Hennen haben sich die Küken unter großen Mühen, aber mit viel Willen von ihrer schützenden Hülle befreit. Großes Gegacker. Noch reicht der Hühnerstall auf unserem Grundstück aus, überlege ich, während ich die flaumigen gelben Bälle betrachte. Im Suppentopf werdet ihr kaum landen, keiner von uns wird euch schlachten. Glück gehabt, ihr Kleinen!

Von den Haushühnern wandert mein Blick zu den Beeten mit dem Spargel. Aus der Entfernung sieht alles gut aus, das Grün fängt an, üppig zu wuchern. Über viele Jahre hinweg haben ein Freund und ich Spargelpflanzen gezüchtet, grün und weiß, die auf jedem Boden wachsen und leicht zu pflegen sind. Man kann sie sogar auf einem Hochbeet anpflanzen, wenn man seinen Rücken beim Spargelstechen schonen will. Nach dem dritten Jahr kann man ernten. Eine Sensation für alle, die ihren Gemüsegarten lieben und nicht nur Möhren, Kartoffeln, Zwiebeln, Salat, Zucchini, Bohnen oder Erbsen ernten wollen.

In meiner Tasche habe ich ein weißes Blatt Papier, das halte ich unter das Laub einer Spargelpflanze, um festzustellen, ob die Spargellaus (Brachycorynella asparagi) ihr Unwesen treibt. Das Vieh ist graugrün, mit einer mehligen grauen Wachsschicht überzogen und mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen, ungefähr 1,2 bis 1,7 Millimeter ist sie nur groß. Sie hat die unangenehme Eigenschaft, aus der Pflanze die Nährstoffe zu saugen, aber nicht nur das, sie scheidet bei ihrem flegelhaften Tun auch noch eine giftige Substanz aus, die der Spargel überhaupt nicht goutiert. Er reagiert sogar recht heftig auf das Gebaren der Spargellaus, zumal wenn sie nicht vereinzelt auftritt, sondern in Massen über die Pflanze herfällt. Das Laub bleibt dann klein, die Triebe verkrüppeln. Und ein solcher Anblick schmerzt.

Die ersten geflügelten Stammmütter der Spargellaus gehen Ende März, Anfang April auf Tour, abhängig von der Wetterlage, je wärmer, umso besser. Junge Spargelstände sind ihr anvisiertes Ziel, insbesondere haben sie den unteren Bereich der Pflanze im Blickfeld. Bleibt es länger warm, bilden sie die berüchtigten Kolonien und wollen dem Spargel den Garaus machen.

Ich nehme einige Spargeltriebe und klopfe sie auf dem weißen Blatt Papier aus. Eingehend untersuche ich mein Ergebnis – nichts zu erkennen, was nach einem graugrünen Mehlklumpen aussieht. Damit das auch so bleibt, werde ich nächste Woche wieder kontrollieren. Zwar ist dieser Frühling nicht gerade trocken, und hohe Temperaturen sind auch nicht angesagt, aber das kann sich wöchentlich ändern. Faustregel für alle Blattläuse: Je trockener Frühling und Sommer sind, umso stärker befallen die Läuse die Pflanzen. Feuchte Witterung mögen die ungefähr 850 Blattlausarten, die in Mitteleuropa leben (weltweit sind insgesamt 3000 Arten bekannt), nicht, da verkrümeln sie sich schnellstens.

Sollten sie sich aber doch mal eingeschlichen haben, gibt es ein gutes und bewährtes Mittel, um den Kolonisten zu verstehen zu geben, dass sie unerwünscht sind: Natur-Pyrethrum. Ohne das könnte ich meinen Beruf als Pflanzenarzt auf naturheilkundlicher Basis kaum ausüben. Es ist ein Nervengift, das schon die Römer kannten, sie vertrieben damit die Läuse auf ihrem Kopf und die Flöhe am Körper sowie im Bett, im Flohhalsband von Hunden ist es auch heute noch enthalten. Gewonnen wird es aus Chrysanthemen, die das Kontaktgift einst für sich entwickelt haben, um Schädlinge davon abzuhalten, sich auf ihren hübschen Blüten heimisch zu fühlen. Ganz schön schlau, was sie sich da haben einfallen lassen, um ihre eigene Evolution voranzutreiben. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Pyrethrum in gereinigter Form als Pflanzenschutzmittel zugelassen und darf in der ökologischen Landwirtschaft angewendet werden.

Gerade schütte ich den kleinen Kontrollhaufen vom Papier aufs Beet zurück, als mein Handy klingelt. Ich schaue aufs Display, die Nummer ist mir unbekannt, eine Festnetznummer, der Anruf kommt eindeutig nicht aus Niedersachsen, in diesem Bundesland kenne ich mich gut aus. Börßum, wo ich wohne, liegt nicht weit von Braunschweig im nördlichen Harzvorland, leicht hügelig, wunderschön.

«Hallo?», sage ich.

«Ach, Herr Wadas, gut, dass ich Sie erreiche. Ich bin so traurig.»

Der Stimme nach ist die Anruferin um die sechzig, aber schon so manches Mal habe ich mich bei meinen Einschätzungen getäuscht, nach oben und nach unten hin.

«Sie sollten nicht traurig sein», sage ich vorsichtig, denn ich weiß ja nicht, was sie zu dieser Bemerkung veranlasst hat.

Ich höre ein unterdrücktes Weinen, dann: «Sie wohnen ja so weit weg, und das mit dem Vorbeikommen gestaltet sich sicher schwierig für Sie, aber Sie müssen sich ins Auto setzen, am besten noch heute, ich habe ein ganz großes Problem.»

Sachlich frage ich nach, es könnte ja auch sein, dass die Frau sich verwählt oder meinen Beruf missverstanden hat: «Geht es dabei um eine Pflanze?»

«Ja. Um die wertvollste Pflanze, die ich besitze. Sie müssen kommen, so rasch wie möglich.» Nun bricht die Anruferin in Tränen aus. Ich kenne das, für manche Menschen sind Pflanzen so wichtig wie ein Haustier oder sogar wie die eigenen Kinder. Hin und wieder werden diese sogar mehr geliebt als Vier- oder Zweibeiner.

«Beruhigen Sie sich», sage ich. «Das bekommen wir sicher schon hin.» Optimismus kann manchmal für den ersten Moment die beste Medizin sein. «Worum geht es denn überhaupt?»

«Um einen Elefantenfuß. Er scheint einzugehen, er bekommt braune Blätter, aber er darf nicht eingehen. Ich habe ihn von meiner Tochter. Es ist das Wichtigste, was ich noch von ihr übrig habe. Sie ist nicht mehr am Leben.»

Ich muss schlucken. Bei einer solch traurigen Geschichte ist es nur zu verständlich, dass die Anruferin derart aufgewühlt ist. Aber eigentlich ist ein Elefantenfuß (Beaucarnea recurvata) eine recht anspruchslose Zimmerpflanze, die auch nur selten umgetopft werden muss, weil sie so langsam wächst. Der Name «Elefantenfuß» passt, denn nach unten hin wird der Stamm breiter, und die Rinde erinnert an die Haut eines Dickhäuters.

«Wo wohnen Sie denn?», will ich nun wissen.

«In Rheinland-Pfalz, das ist für Sie wirklich ein weiter Weg, ich weiß. Aber ich bezahle Ihnen alles, auch ein Hotel, Hauptsache, Sie schauen sich den Elefantenfuß an.»

«Gibt es nicht eine gute Gärtnerei in Ihrer Nähe? Es sind einige Kilometer, die ich zu fahren hätte, und ich möchte Ihnen nicht so viele Kosten verursachen.»

«Ich habe mehrere Gärtnereien aufgesucht, aber niemand hat mir helfen können, es war zum Verzweifeln. Und dann habe ich Sie im Internet gefunden. Bitte, Sie sind meine letzte Hoffnung. Ich wohne auch in einer Gegend, wo es wunderbaren Wein gibt.»

Wenn das mal kein Grund ist, einen kleinen Ausflug zu machen. Nachdem mir Frau Krüger ihre Adresse mitgeteilt hat, gebe ich ihr das Versprechen, mich gleich auf den Weg zu machen. Ich freue mich auf eine landschaftliche Abwechslung, das Harzvorland habe ich jeden Tag vor Augen, nicht aber das sonnenverwöhnte Mittelgebirge mit den hübschen Flusstälern von Rhein, Nahe, Mosel, Ahr und Lahn. Und da gerade keine wichtigen Termine anliegen und man als Pflanzenarzt immer auch auf Notfälle eingestellt ist – und dies scheint einer zu sein –, packe ich ein paar Sachen für eine mögliche Übernachtung zusammen, greife zu meiner «Arzttasche», die aus Leder und nicht braun ist wie jene, die Humanmediziner in Vorzeiten bei ihren Hausbesuchen benutzt haben, sondern grün mit einem weißen Kreuz. Zum Schluss verabschiede ich mich von meiner Frau Silvia, der ich die Situation kurz erkläre. Sie kennt meine Einsätze, wünscht mir, dass ich den Elefantenfuß retten kann.

«Es wird heute spät, ich will möglichst nicht dort übernachten», rufe ich ihr noch zu, die oben auf den Treppen unseres Hauses steht. Rund 400 Kilometer liegen vor mir; wenn es keine großen Staus gibt, rechne ich aus, kann ich gegen Mitternacht vielleicht wieder zu Hause sein. Die Kinder, die in der Schule sind, werden schon schlafen.

Und dann bin ich weg.

Es ist ein warmer Frühlingstag, überall blühen gelb die Rapsfelder, sie scheinen alles zu geben, um die letzte Farbe aus sich herauszuholen. Der Himmel ist selbstverständlich blau, oben schwirren ein paar kleine Wolken herum, die sich aber immer wieder auflösen. Sie haben aufgegeben, sich zusammenzuballen, haben nach einigen Anstrengungen bemerkt, dass sie keine Kraft dazu haben. Irgendwann wird ihre Zeit schon kommen, wo sie der Sonne jeden Durchgang verbauen und dann triumphieren können: Wir sind schneller da, als ihr Menschen es euch heute vorstellen könnt. Vielleicht schon morgen.

Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wieder in der Stadt zu leben, dabei bin ich in Berlin groß geworden, mittendrin, in Kreuzberg, an einer vierspurigen Straße mit viel Asphalt und Beton drum herum. Abends ist man mit dem Geräusch von Autos eingeschlafen und morgens mit ihm aufgewacht. Der Vorteil unserer Wohnung war jedoch, dass unsere Straße nahe der Hasenheide lag, eines riesigen Parks in Neukölln an der Grenze zu Kreuzberg, in dem Friedrich Ludwig Jahn, besser bekannt als Turnvater Jahn, seinen ersten Turnplatz eröffnete. Gut siebzig Jahre später kam es auf dem fünfzig Hektar großen Gelände zu einem Duell zwischen einem Offizier und einem Richter, da der Offizier eine Liebesbeziehung zu der Ehefrau des Richters unterhielt. Theodor Fontane griff dieses Drama in seinem Roman Effi Briest auf, bei ihm hieß der...

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