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Haustürwiderruf bei Realkrediten und seine wirtschaftliche Bedeutung vor dem europarechtlichen Hintergurnd

AutorCornelia Ewald
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl97 Seiten
ISBN9783640145157
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 1,3, Hochschule Wismar, 41 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen an der Haustür hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen. Aus diesem Grund wurde 1985 vom Europäischen Rat die Haustürgeschäfterichtlinie mit dem Ziel verabschiedet, die unterschiedlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene anzugleichen und ein Mindestmaß an Verbraucherschutz in allen Mitgliedstaaten durchzusetzen. Danach soll der Verbraucher die Möglichkeit haben, sich von den Folgen eines übereilten Vertragsabschlusses zu befreien, wenn er beim Vertragsabschluss situationsbedingt durch Beeinflussung seiner Entschließungsfreiheit benachteiligt war. Das unerwartete Andienen eines Vertragsabschlusses außerhalb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden gibt dem Verbraucher weder Zeit zum Überdenken des Vertrags, noch wird ihm ein Vergleich hinsichtlich Qualität und Preis mit anderen Anbietern ermöglicht. Auf das Kreditgeschäft hatte das zunächst keinen großen Einfluss, da Kreditverträge gewöhnlich nicht auf Initiative des Kreditgebers an der Haustür abgeschlossen werden. Kreditbedarf besteht regelmäßig nur dann, wenn es auch ein zu finanzierendes Geschäft größeren Ausmaßes gibt. Eine Haustürsituation tritt demnach selten ein. In den neunziger Jahren entwickelte sich allerdings eine neue Art des Vertriebs, die besonders stark in den neuen Bundesländern praktiziert wurde . Es handelte sich um den sog. Strukturvertrieb von kreditfinanziertem Immobilienerwerb als Haustürgeschäft , der auch heute noch verbreitet ist. Im Grundmodell baut zunächst ein Bauträger eine Wohnanlage, teilt diese in kleinere Einheiten auf, um sie dann einzeln zu veräußern. Kreditinstitute sind hier häufig in einer Doppelfinanzierungsrolle zu finden. Ein weiteres Unternehmen mietet die Räumlichkeiten an bzw. gibt Mietgarantien an die Investoren heraus. Das ganze System ist geprägt von einem undurchsichtigen Personen- und Firmengeflecht, bei dem die Verantwortlichen häufig nicht mehr auffindbar oder wegen Insolvenz nicht mehr haftbar zu machen sind. Übrig bleiben nur die finanzierenden Banken, die das Risiko des Großkredits aus der Bauträgerhaftung auf viele kleinere Kredite verteilen konnten. [...]

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Leseprobe

III. Verbundene Geschäfte


 

Das Urteil des BGH vom 9. April 2002 in der Rechtssache Heininger stärkt den Verbraucherschutz bei genauerer Betrachtung nur relativ. An das Auslegungsergebnis des EuGH[227] war der BGH in seiner Entscheidung gebunden. Zwar war theoretisch unter Hinweis auf die gespaltene Auslegung die Versagung des Widerrufsrechts im konkreten Fall möglich. Die Eheleute Heininger waren zur Unterschriftsleistung in den Geschäftsräumen der Bank erschienen. In anbetracht der vom BGH durch seine Vorlage an den EuGH für den Ausgangsfall entschiedenen Relevanz der Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG[228], hätte dies aber ein befremdendes Bild von den Fähigkeiten der dortigen Richter gezeichnet. Allerdings gab er dem abschließend entscheidenden OLG hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs verbindlich seine Rechtsauffassung vor. Danach sind beim Widerruf eines Realkredits, der zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs dient, die Grundsätze über verbundene Geschäfte gem. § 9 VerbrKrG wegen des Ausschlusses durch § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht anwendbar.

 

Zum besseren Verständnis sind zunächst die Rechtsfolgen des Darlehenswiderrufs zu betrachten.

 

Die richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG schränkt die Subsidiarität des Haustürwiderrufsgesetzes nur insoweit ein, als für Realkredite ein Widerrufsrecht bestehen muss. Im Übrigen bleibt der Vorrang des Verbraucherkreditgesetzes hinsichtlich der Ausübung des Widerrufs und seiner Rechtsfolgen erhalten.[229]

 

Für die Rechtsfolgen verweist § 7 Abs. 4 VerbrKrG an § 3 HWiG. Vom 1. Oktober 2000 bis 31. Dezember 2001 ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 361 a Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 346 ff. BGB. Danach sind die Parteien einander zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen sowie deren Wertersatz verpflichtet.[230] Die Bank muss also die bis dahin empfangenen Raten des Verbrauchers heraus geben und verzinsen. Auf der anderen Seite ist aber auch der Verbraucher zur Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst Verzinsung verpflichtet. Von Vorteil ist das für den Verbraucher nur, wenn der vertragliche Zins die marktübliche Verzinsung übersteigt. In diesem Fall würde sich der Zins entsprechend § 5 Abs. 2 HWiG i.V.m. § 7 Abs. 4 VerbrKrG i.V.m. § 3 Abs. 3 HWiG auf den marktüblichen Zins verringern.[231]

 

In der Literatur gibt es aber auch Stimmen, die den vertraglich vereinbarten Zins nur als Anknüpfungspunkt sehen. Da der Vertrag rückabgewickelt wird, hat die Bank auch keinerlei Anspruch auf vertragliche Leistungen, wie beispielsweise den Gewinn. Danach ist der Zins um die Gewinnspanne zu kürzen.[232]

 

Angesichts der Summen, die für die Finanzierung eines Immobilienerwerbs nötig sind, ist dem Verbraucher eine sofortige Rückzahlung wirtschaftlich in den meisten Fällen nicht möglich. Insbesondere kann er das Geld in den hier thematisierten Fällen nicht durch den Verkauf der Immobilie erlangen. Deren tatsächlicher Wert liegt beträchtlich unter ihrem finanzierten Verkaufspreis. Entsprechend § 7 Abs. 3 VerbrKrG kann der Widerruf auch dadurch unmöglich werden, dass der widerrufende Verbraucher das Darlehen nicht innerhalb von zwei Wochen nach seinem Widerruf zurückzahlt.

 

Mit einem isolierten Widerruf ist dem Verbraucher folglich nicht gedient. Eine wirkliche Stärkung des Verbraucherschutzes ist nur unter Einbeziehung der Immobilie in die Rückabwicklung zu erreichen.[233] Dies wäre durch die Anwendung der Grundsätze über verbundene Geschäfte zu erreichen. Dabei würde sich der Widerruf des Darlehensvertrags auch auf den Bestand des Immobilienkaufvertrags auswirken.

 

A. Nationale Grundsätze


 

Die Grundsätze über verbundene Geschäfte wurden von der Rechtsprechung ursprünglich aus § 242 BGB für den Geltungsbereich des Abzahlungsgesetzes entwickelt.[234] Der Verbraucher soll demnach durch die Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vorgangs in zwei Verträge nicht schlechter gestellt werden, als wenn er nur einen Vertragspartner hätte.[235] Bei der Gestaltung des Verbraucherkreditgesetzes wurden diese Regelungen in § 9 VerbrKrG übernommen. Sind also zwei Verträge über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus so eng miteinander verbunden, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre bzw. der eine Vertrag seinen Sinn erst durch den anderen erhält[236], so handelt es sich um zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundene Geschäfte. Die rechtliche Trennung beider Geschäfte wird zu Gunsten des Verbrauchers aufgehoben. Dabei wirkt sich der Widerruf (bzw. die Unwirksamkeit) eines Vertrags auch auf die Wirksamkeit des anderen aus. Die Rückabwicklung des einen führt also auch zur Rückabwicklung des anderen Vertrags.

 

1. Anwendbarkeit des § 9 VerbrKrG


 

Wie bereits festgestellt, bleibt das Verbraucherkreditgesetz für die Rechtsfolgen des Darlehenswiderrufs anwendbar.[237] Die Grundsätze über verbundene Geschäfte gelten zwar gem. § 9 VerbrKrG. Mittels § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG sollen Realkredite aber nicht nur von der Anwendung des Widerrufsrechts nach § 7 VerbrKrG ausgenommen werden, sondern auch von den Regelungen über verbundene Geschäfte nach § 9 VerbrKrG.

 

Zu klären ist deshalb zunächst die Anwendbarkeit des § 9 VerbrKrG. Der BGH hält die Privilegierung der Realkredite zwar einerseits für eindeutig, formuliert aber andererseits, Realkreditvertrag und finanziertes Grundstücksgeschäft seien „grundsätzlich nicht als zu einer wirtschaftlichen Einheit verbundene Geschäfte anzusehen“.[238] Die Klärung der wirtschaftlichen Einheit, als Voraussetzung für die Annahme eines verbundenen Geschäfts, ist aber nur dann erforderlich, wenn die Grundsätze über verbundene Geschäfte zumindest zur Anwendung kommen.

 

Nach Ansicht des BGH beruht der Ausschluss des § 9 VerbrKrG für Realkredite auf der Einsicht des Gesetzgebers, dass auch der geschäftsunerfahrene Laie wisse, dass er es mit zwei voneinander unabhängigen Vertragspartnern zu tun habe. Durch die Materialien zum Verbraucherkreditgesetz lässt sich das jedoch nicht belegen. Die intensive Diskussion[239] zu diesem Thema wird vom BGH in der Folge der Heininger-Entscheidung[240] zwar angesprochen, darüber hinaus aber kommentarlos zurückgewiesen. Eine detaillierte Auseinandersetzung erfolgt indes nicht. Die Ausführungen des BGH sind daher differenziert zu betrachten.

 

Aus den Materialien zum Verbraucherkreditgesetz geht hervor, dass jene Regelungen, die auf Realkredite nicht passen, von der Anwendung ausgeschlossen werden sollen.[241] Dazu gehören u.a. der Widerruf und der Einwendungsdurchgriff. Der Gesetzgeber war dabei noch von der Rechtmäßigkeit des Widerrufsausschlusses für alle Realkredite ausgegangen. Eine Situation, die zu dem in § 9 Abs. 2 VerbrKrG geregelten Durchgriff des Darlehenswiderrufs geführt hätte, konnte nach dieser Konstruktion wegen der Unwiderruflichkeit des Kreditvertrags überhaupt nicht auftreten. Dessen Anwendung war daher nicht erforderlich.

 

Der in § 9 Abs. 3 VerbrKrG geregelte Einwendungsdurchgriff sollte nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluss ist aber einzig unter der Prämisse notwendig, dass Realkreditverträge und die dadurch finanzierten Geschäfte (auch Grundstücksgeschäfte) grundsätzlich verbundene Geschäfte sein können. Verhindert werden sollte, dass der Bank Einwendungen aus einem Geschäft entgegengehalten werden können, auf das sie selbst keinerlei Einfluss hat. Insoweit bestand also ein Regelungsplan für den in § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG normierten Ausschluss.

 

Anders verhält es sich mit dem Ausschluss des Widerrufsdurchgriffs. Für den Fall eines wirksamen Widerrufs lässt sich keine Regelungsabsicht erkennen. Er wurde lediglich im Zusammenhang mit § 7 VerbrKrG ausgeschlossen.[242] Mit der Problematik der taggenauen Refinanzierung lässt sich allein der Ausschluss des Widerrufs, nicht aber der des Widerrufsdurchgriffs begründen.

 

Es liegt insoweit eine planwidrige Lücke in der Regelung vor. Erkennbar beurteilt der Gesetzgeber die Lage ähnlich, da er unmittelbar nach der Urteilsverkündung des BGH und der damit einhergehenden Widerruflichkeit von Realkrediten die Streichung des den Ausschluss begründenden Paragraphen in Art. 25 OLG-Vertretungsänderungsgesetz in Angriff nahm.[243]

 

Systematisch gehören der Darlehenswiderruf und die Anwendung des § 9 VerbrKrG zusammen. Insoweit ist die Securenta-Entscheidung[244] vergleichbar, wenngleich sie weder ein Realdarlehen noch ein Grundstücksgeschäft zum...

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