Ein gesunder Start – Die Kraft der Haustiere in der Kindheit
Wenn ich Vorträge über die Bindung halte, versuche ich die pathetischen Phrasen wegzulassen und die Herzen der Menschen direkt zu gewinnen, indem ich sie bitte, mir die Haustiere aus ihrer Kindheit zu beschreiben. Selbst an geachteten Lehrinstituten, wie der Smithsonian Institution, glätten sich die zusammengekniffenen Augenbrauen fast aller Teilnehmer im Raum, und sie beginnen zu lächeln. Während sie in Gedanken zehn bis 60 Jahre zurückreisen, entspannen sich ihre Schultern. Sie steigen aus dem Schulbus aus und werden von ihren Hunden, die mit voller Geschwindigkeit auf sie zustürmen, begrüßt. Sie liegen im Schatten eines Baumes oder im hohen Gras, das bald gemäht werden muss, und werfen ihrem Hund ein Häppchen vom gestrigen Abendessen zu. Oder sie versuchen, mit beiden Händen tastend, herauszufinden welches der beiden Fellknäuel der Kater und welches die Katze ist.
Die Menschen erinnern sich an ihre Beziehung zu ihrem ersten Haustier aus einer unbeschwerten Zeit, obwohl das, was sie in der Jugend durchgemacht haben, oft alles andere als einfach war. Als Kind versucht man in jedem Anreiz ein Muster zu entdecken, zu entscheiden, worauf man vertrauen darf und wovor man sich fürchten muss und erlebt unterwegs die ersten Freuden, Beziehungen, Ablehnungen, Einsamkeit und Tragödien. Wir werden mit den größten Herausforderungen konfrontiert und erleben die unvergesslichsten Triumphe. Sehr oft ist die Nähe eines Haustieres die Konstante, die uns weiterhilft.
Ich bin auf einer kleinen Familienfarm in Süd-Idaho aufgewachsen, wo man aus den 65 Hektar Land das Äußerste herausholen musste, um eine sechsköpfige Familie zu ernähren. Die Maschine lief ununterbrochen, vom ersten Zuckerrübenbeet, das im März gepflanzt wurde bis zum letzten Kartoffelacker, der im Oktober geerntet wurde. Wir verkörperten die Vorstellung der hart arbeitenden Bauernfamilie, die heutzutage, in einer Zeit, in der ganze Landschaften der Agrarindustrie zum Opfer fallen, von vielen Menschen romantisiert wird. Diese romantische Vorstellung verdrängt jedoch den ungeheueren Stress im Kampf mit der Ungewissheit, mit der diejenigen, die auf dem Land arbeiten, konfrontiert werden: Wetter, Unkraut, Wasser, Insekten, Ernteerträge und die Warenpreise.
Das Gesicht meines Vaters war täglich von diesem Stress gekennzeichnet, wenn er die Felder mit kritischem Blick betrachtete. Unsere Farm lag auf einem öden Hochplateau, und wenn mein Vater Anfang März eine Staubwolke am Horizont entdeckte, gruben sich Sorgenfalten in sein Gesicht. Der eine oder andere Farmer bestellte vielleicht sein Feld früher als mein Vater. Einige andere Farmer hatten womöglich einen Vorsprung erzielt oder etwas über das Wetter oder das Wasser gehört, was mein Vater noch nicht wusste. Als es noch keine Unkrautvernichtungsmittel gab, mussten seine Feldarbeiter – meine Mutter, meine drei Geschwister und ich – alles stehen und liegen lassen, wenn er Unkraut auf dem Feld entdeckte. Auch wenn wir sonntags nach der Kirche heimfuhren, war dies stets eine gute Möglichkeit, den Stand der Dinge in diesem Wettkampf abzuschätzen. „Bob, entweder fährst du, oder du schaust dir die Felder an, aber tu nicht beides gleichzeitig. Du bringst uns alle noch um!“, schrie meine Mutter oft, wenn wir auf beiden Fahrspuren der zweispurigen Autobahn knapp unter der Geschwindigkeitsbegrenzung hin und her schwankten, während mein Vater kommentierte, wer sein Feld nicht ausreichend bewässert hatte und wer mehr düngen musste.
Als frecher Zwölfjähriger prahlte ich, dass ich ein besserer Farmer als mein Vater wäre, wenn ich nur die Gelegenheit dazu hätte. Erstaunlicherweise ging mein Vater auf die Wette ein. Er machte ein brachliegendes Stück Weideland für mich ausfindig, das er für nur Tausend Dollar im Jahr pachten konnte und nahm einen Kredit über zweitausend Dollar auf, damit ich Bohnen- und Getreidesamen sowie etwas Dünger kaufen konnte. Danach zog er sich zurück, damit ich mich meiner Herausforderung stellen konnte.
An einem Nachmittag im Februar betrachtete ich entmutigt mein Stückchen Land, während Luke, mein Labrador Retriever, der mir stets wie ein Schatten folgte, eifrig über den Boden schnüffelte. Ich hocke mich hin und zerkrümelte eine Hand voll hartgefrorener Erde. Wie um alles in der Welt sollte ich bloß mit solch einem Boden den gleichen Ernteertrag wie mein Vater erzielen, geschweige denn, ihn übertreffen? Die „Zäune“ – der eine 1,50 Meter hoch, 9 Meter breit und 250 Meter lang – bestanden aus Steinen von diesem Feld, das seit 20 Jahren nicht mehr bestellt und seit drei Jahren nicht mehr bewässert worden war. Erst wenn ich alle Steine herausgebrochen hätte, könnte ich selbst einen Zaun aufstellen.
Während ich das ganze Frühjahr über auf dem Feld arbeitete, Steine so groß wie ein Baseball oder gar Basketball entfernte und 50 Kilo schwere Wacker mit der Brechstange herausbrach, verfluchte ich meinen Vater. Auf dem Traktor sitzend, musste ich immer an seine Worte denken, wie er auf kerzengeraden Furchen bestand, den „Waschbrettbauch“ der Farmer, während der Sprungfedernpflug wie ein Autoskooter über Steine hüpfte, die sich in der Pflugschar verhakten. Ich war so frustriert, dass ich der Erde immer wieder Tritte versetzte wenn ich um das Feld herum ging. Und ich war so wütend über diese unmögliche Herausforderung, dass ich hätte schreien können. Ich weiß nicht, wie ich es ohne Luke geschafft hätte.
Für Luke war das alles ein Abenteuer. Ich musste nur „hepp“ sagen, und schon sprang er, bereit für die 11 Kilometer lange Fahrt von unserer Farm zu meinem Feld über die Heckklappe des Pickup-Trucks. Wenn ich auf dem Traktor saß und den Boden bestellte oder kleine Bewässerungsgräben aushob, folgte Luke mir auf Schritt und Tritt und hielt nur dann still, wenn auch ich stehen blieb. Wir liefen zusammen am Flussufer entlang; ich hatte hüftlange Stiefel an und stand bis zur Taille im Wasser. Die Funken sprangen, während ich mit der Schaufel auf den felsigen Boden einhieb, um das Wasser über Stoffdämme umzuleiten. Freudig ahmte er jede meiner Bewegungen nach und sprang glücklich, wie ein Labrador nur sein kann, auf meiner Augenhöhe am Ufer herum. Außerdem gab es Fasanen-schwärme, die er auf dem Feld verfolgen konnte, Löcher grabende Eulen, die aus ihren Nisthöhlen verscheucht werden mussten und eine kleine Quelle, in deren herrlich kühlem Wasser sich Forellen tummelten.
Also pflanzte ich meine Bohnen in gleichmäßigen Furchen, säte meine Gerstensamen und betete ständig, dass der Boden nur ein bisschen fruchtbar sein möge. Wie sich herausstellte, war der Boden noch aus der Zeit, in der er als Weideland für Kühe genutzt wurde, voller Mikronährstoffe. Meine Bohnen gediehen hervorragend, sie waren voller Schoten, und der Abstand zwischen den Furchen schloss sich ganze zehn Tage vor denen meines Vaters. Die Getreideähren wuchsen dicker als das Rückenfell eines Hundes und waren so lang wie sein Schwanz.
Mein Vater beobachtete es jedes Mal, wenn er mich und Luke aus dem Pickup-Truck heraus ließ, verlor aber kein Wort darüber. Ich wusste, er würde den Tag nie vor dem Abend loben. Denn manchmal nehmen Dinge plötzlich eine schlechte Wende. Erst vor einem Jahr hatte er ein Feld mit teuren Gartenbohnen bestellt, die so schön waren, dass die Nachbarn anhielten und ihm gratulierten, indem sie ihn scherzhaft Jack (wie in „Jack und die Bohnenstange“) nannten, weil seine Bohnenstangen so dick und groß waren. Wir nannten sie Cougar-Bohnen nach dem königsblauen Mercury Cougar, den wir schon ausgesucht hatten und vom Profit dieser Rekordernte kaufen wollten. Doch eine Woche vor der Ernte stellte der Landwirtschaftsinspektor von Idaho fest, dass sie einen bösartigen und ansteckenden Fleckenkrankheitskeim in sich trugen. Er befahl meinem Vater, das Feld umzupflügen. Am nächsten Tag wurde dann unser neuer Cougar unter den rollenden Pflugscharen begraben. Was den Ertrag betrifft, gibt es vor der tatsächlichen Ernte eigentlich nichts zu sagen. Mein Vater sagte nur: „Besser wenig versprechen und mehr liefern.“
Im September war die Ernte eingebracht. Wir gingen zu Rangen, dem lokalen Futter- und Samenhändler, um unseren Ertrag wiegen, säubern und für den Weiterverkauf lagern zu lassen. Als ich aus dem Lastwagen stieg, um meine Wiegekarten abzuholen, füllte sich der Raum mit einem Stimmengewirr wegen meines unglaublichen Ernteertrages. Ein durchschnittlicher Farmer hätte von der Größe meines Feldes einen Ertrag von 20 Säcken Bohnen und 80 Scheffeln Getreide pro Hektar erwartet. Die Erträge meines Vaters waren immer unter den Besten, und in diesem Jahr hatte er 30 Säcke Bohnen und 120 Scheffel Gerste. Doch ich hatte doppelt so viel wie der Durchschnitt und sogar meinen Vater mit 30 Prozent übertroffen: 40 Säcke Bohnen und 165 Scheffel Gerste...