1 Einleitung
Vor mehr als 2000 Jahren forderte der griechische Arzt Hippokrates: »Die Nahrung soll eure Medizin sein.« Dieser kluge Rat gilt nach wie vor, denn er ist sehr weise. Das Konzept, sich gesund zu essen, setzt sich glücklicherweise immer mehr durch. Viele Menschen greifen bewusst zu regional erzeugten Bioprodukten mit hohem Nährstoffgehalt und Wochenmärkte genießen großen Zulauf.
In den USA hat sich die Anzahl der Märkte seit 1994 vervierfacht. Das heißt, es essen mehr Menschen regional erzeugte, vollwertige Lebensmittel. Während die Wertschätzung für nahrhaftes Essen gestiegen ist, vermisse ich bei den Menüs allerdings nach wie vor häufig ganz zentrale Zutaten, nämlich die Kräuter und Gewürze!
Kräuter und Gewürze können jede Mahlzeit in einen delikaten Hochgenuss verwandeln. Das intensive Aroma gut gewürzter Speisen spricht jedoch nicht nur unsere Geschmacksknospen an. Als Leser dieses Buches dürfen Sie davon ausgehen, dass Kräuter und Gewürze auch Ihrer Gesundheit auf die Sprünge helfen können! Sie können für gute Laune sorgen, den schädlichen oxidativen Stress in Schach halten, unsere Verdauung sowie die Nährstoffaufnahme aus gesunder Nahrung verbessern und diversen chronischen Krankheiten vorbeugen.
Dieses gesamte Buch beruht auf einer ganz einfachen Prämisse: Jeder Mensch ist einzigartig. Im heutigen Informationszeitalter erklären uns Experten von allen Seiten, was wir essen sollen und was nicht, welches Wundermittel unsere Symptome überdecken kann und welche Kräuter wir und alle anderen zu uns nehmen sollten. In Wahrheit jedoch sind Sie selbst der beste Experte oder die beste Expertin für das, was Ihrem eigenen Körper am besten tut. Anstatt also das nächste wundersame »Superfood« zu propagieren, zeige ich Ihnen, wie Sie die besten Kräuter für Ihre Bedürfnisse und Ihre persönliche Situation auswählen, indem Sie sich an Ihren individuellen Eigenheiten orientieren.
In diesem Buch dreht sich zwar alles um Kräuter, Gewürze und Essen, aber es handelt sich keineswegs um eine Diät. Sie müssen weder Veganer noch Vegetarier werden und umgekehrt auch nicht anfangen, Fleisch zu essen. Sie brauchen keinen Nebenjob anzunehmen, um sich die Zutaten leisten zu können, und müssen auch nicht an exotische Orte reisen, um diese Heilkräuter aufzutreiben. Stattdessen lernen Sie, wie Sie die Kraft der Kräuter und Gewürze in Ihrem Alltag nutzen können, indem Sie die praktischen, einfachen Rezepte aus diesem Buch zubereiten: Getränke und einfache Kräuterheilmittel, aber auch normale Hauptmahlzeiten und sogar Süßspeisen. Sobald sich Ihre Beobachtungsgabe weiterentwickelt hat, beginnt eine beglückende Reise, auf der Sie nicht nur die Kräuter, sondern auch sich selbst neu entdecken. So können Sie auf Dauer gesünder leben.
1.1 Das »Allheilmittel-Syndrom« der Gegenwart
Unser aktuelles Gesundheitsverständnis leidet unter dem, was ich als das »Allheilmittel-Syndrom« bezeichne. Dabei handelt es sich um den Trugschluss, dass es eine Lösung für alle geben könnte: eine Medizin für eine Krankheit, eine bestimmte Ernährungsweise oder nur eine Methode, um gesund zu bleiben. Eine andere verbreitete Auffassung ist, dass die westliche Medizin der unfehlbare Gipfel der Medizin ist und traditionelle oder natürliche Heilmethoden überholt sind. Diese beiden Denkansätze erklären den gegenwärtigen Stand der Gesundheitsversorgung, bei dem die medikamentöse Unterdrückung von Symptomen wichtiger erscheint als die Suche nach der Ursache einer Erkrankung.
Ein Beispiel dafür ist die Ekzembehandlung. Anstatt Faktoren anzugehen, die zur Entstehung beitragen, verordnen Ärzte häufig cortisonhaltige Salben zur Linderung der Symptome. Das ist jedoch nur eine vorübergehende Lösung, denn eine längerfristige Anwendung ist mit ernsten Nebenwirkungen verbunden, ohne die eigentliche Ursache zu beheben. Cortison kann ein Ekzem nicht »heilen«, sondern unterdrückt nur die Symptome. Die Probleme, die ihnen zugrunde liegen, sind weiterhin vorhanden.
Ich bin davon überzeugt, dass die westliche Medizin ihre Berechtigung hat. Ohne jeden Zweifel ist die moderne Chirurgie bei schweren Verletzungen oder lebensbedrohlichen akuten Erkrankungen unglaublich effizient. Wenn ich mir den Arm brechen würde, würde ich selbstverständlich zuerst ins Krankenhaus gehen und nicht zum Heilkräuterexperten. Dennoch erschüttert mich der allgemein schlechte Gesundheitszustand. Über die Hälfte der Amerikaner sind von chronischen Erkrankungen betroffen und ein Viertel der Bevölkerung hat mindestens zwei chronische Krankheiten. Gleichzeitig nehmen die Gesundheitsausgaben der USA weltweit den Spitzenplatz ein, was daran liegen könnte, dass viele chronische Krankheiten in erster Linie über die milliardenschwere Pharmaindustrie behandelt werden. Beim Streben nach mehr Gesundheit läuft definitiv etwas schief. Auch in Deutschland dürften die Verhältnisse ähnlich sein, da sich die Lebensweisen nicht maßgeblich voneinander unterscheiden.
Obwohl unsere Gesundheit von der modernen Medizin auf mancherlei Weise erheblich profitiert, sind viele chronische Beschwerden nach wie vor ungelöst. Manche Menschen setzen inständige Hoffnung auf technische Fortschritte zum Wohl der Bevölkerung, doch mir ist bewusst, dass wir unsere Gesundheit niemals durch eine Pille verwandeln können. Wir sollten vielmehr einen Blick in die Vergangenheit werfen.
1.2 Pflanzenmedizin: der Blick in die Vergangenheit
Jahrtausendelang – und lange vor der Existenz von Büchern oder gar dem Internet – waren Pflanzen auf der ganzen Welt ein wichtiges Heilmittel. Alle Kulturen dieser Erde haben eigene Traditionen und Theorien zur Verwendung medizinisch wirksamer Pflanzen entwickelt, die unter den Begriffen Kräuterheilkunde oder Phytomedizin zusammengefasst werden. Aus diesen vielen Ansätzen werden in den USA derzeit in erster Linie drei Theorien gelehrt: die Kräutertraditionen des Westens, Ayurveda und die traditionelle chinesische Medizin (TCM). Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurden gesundheitliche Beschwerden weltweit häufig mit Kräutern behandelt. Naturheilmittel galten nicht nur als Hausmittel. In den USA gab es Colleges, die sogenannte »eklektische Ärzte« ausbildeten, die vor allem mit Pflanzen heilten. Diese Ausbildungsstätten gab es vielerorts in den USA, und die Berichte dieser Mediziner, die ihren Erfahrungsschatz widerspiegeln, gelten bis heute als wichtige Quellen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verkündete die amerikanische Ärztevereinigung (AMA) allerdings wenig beeindruckt, was aus ihrer Sicht Wissenschaft sei und was Quacksalberei. Ab diesem Zeitpunkt wurde chemischen Arzneimitteln und invasiven Verfahren regelmäßig der Vorzug vor Kräutern und anderen Naturheilmitteln gegeben. Die AMA entschied auch, was ins Curriculum angehender Mediziner gehörte und was nicht. Daraufhin wurden die eklektischen Colleges nach und nach geschlossen. Ähnliche Entwicklungen waren auch im europäischen Raum zu beobachten.
Nach der Entdeckung der Antibiotika in den 1930er-Jahren glaubten die Menschen noch bereitwilliger an ein »besseres Leben dank der Wissenschaft« und griffen lieber zu Pharmaprodukten als zu Pflanzen. Man war von den Antibiotika und isolierten chemischen Substanzen wie Acetylsalicylsäure (ASS) derart beeindruckt, dass die Kräuterheilkunde bald nicht mehr viel galt. In den folgenden Jahrzehnten existierte die Kräuterheilkunde zwar überall in isolierten Nischen weiter, war jedoch kein Allgemeinwissen mehr.
In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts kam es mit der Bewegung »Zurück zur Natur« zu einer neuen Wertschätzung von Kräutern. Die damals einsetzende Wiederentdeckung dieser Heilmittel ist bis heute immer stärker geworden. Inzwischen sind Kräuter in Amerika und auch in Europa ein Milliardengeschäft. Ich hoffe, dass wir eines Tages zu einem ganzheitlichen Medizinverständnis zurückfinden, in dem es darum geht, Krankheiten durch eine gesündere Lebensweise vorzubeugen. Wenn dann jemand krank wird, werden hoffentlich zunächst alle Faktoren abgeklopft, die sich durch Ernährung, Lebensweise und Kräuter beeinflussen lassen. Pharmazeutisch hergestellte Medikamente oder Operationen sollten immer die letzte Option sein.
Doch dieses Buch soll sich weder mit einem Blick auf die Vergangenheit begnügen noch Kräuter und Ergänzungsmittel als Allheilmittel anpreisen. Mir geht es um die Verwendung von Kräutern im Alltag. Deshalb lade ich Sie ein, sich von der Wahnvorstellung des »Allheilmittel-Syndroms« zu lösen und sich auf eine persönliche Entdeckungsreise zu begeben, auf der Sie entdecken können, was für Sie persönlich funktioniert. Ich hoffe, dieser Weg ist für Sie von »Aha-Momenten« gespickt, von denen Sie ebenso unmittelbar profitieren, wie ich es einst erlebt habe.
1.3 Entdeckungsreise in die Welt der Kräuter
Mein Interesse an Naturheilkunde ist schon ewig vorhanden, aber früher war sie mir nicht immer so wichtig. Anfangs war es eher ein Hobby, das mir Freude machte und bei kleineren Wehwehchen auch nützlich war. Als ich 23 Jahre alt war, stellte sich jedoch heraus, dass ich eine seltene Autoimmunkrankheit hatte. Meine Suche nach Lösungen sollte meinen Lebensweg für immer verändern.
Diese Diagnose war meine erste Erfahrung mit dem Allheilmittel-Syndrom der westlichen Medizin. Die Spezialisten erklärten mir, es gäbe keine Heilung. Die einzige Behandlungsoption waren hohe Gaben Steroide, die allerdings irgendwann nicht mehr wirken würden. Man...