Vorwort
»Wir sehen die reale Welt so, wie wir erzogen wurden, sie wahrzunehmen.« Auf diesen weisen Gedanken stieß ich in Carlos Castanedas Buch Die Lehren des Don Juan. Ein Yaqui-Weg des Wissens, das ich erstmals vor vielen Jahren in einem Bergsteigerlager auf den Aleuten kennen lernte.
Hier, weit weg von der Zivilisation, in einer Atmosphäre autonomer Existenz, fand eines meiner ersten Experimente statt, dessen Ziel die Untersuchung der optimalen Nahrungsration des Menschen unter lang anhaltenden und schweren physischen Belastungen war. Ich erinnere mich, mit welcher Freude die drei nach meinem System vorbereiteten jungen Bergsteiger beim Aufbruch zu einer schwierigen Besteigung die schweren Rucksäcke mit Konserven, Würsten, Käse und Brot zurückließen und sie durch kleine Gürteltaschen ersetzten und wie munter und lebensfroh sie nach sechs Tagen von der schwierigen Besteigung eines Fünftausenders zurückkehrten.
Nachdem ich ihnen das Geleit gegeben hatte, blieb ich allein mit dem genannten Buch, das inoffiziell im Samisdat-System mit einer Abziehmaschine auf Zigarettenpapier gedruckt worden war. Ich »verschlang« es förmlich, so ungewöhnlich und gleichzeitig vertraut erschien mir die Art der Yaqui-Indianer, präzis die Welt zu beschreiben. Seither wuchs meine Neigung, nicht blind den allgemein anerkannten, angeblich unerschütterlichen Vorstellungen in der Wissenschaft und im Leben zu glauben. Und das, wie ich mich mehrfach überzeugen konnte, zu Recht.
In der modernen Wissenschaft, darunter auch in der Ernährungswissenschaft, gibt es nicht wenig Fehlerhaftes, das von einem niedrigen Niveau der Welterkenntnis herrührt. Aber das hindert den Menschen nicht, selbstgefällig davon auszugehen, dass er klüger sei als die lebende Natur und dass er ihre Gesetze außer Acht lassen könne. Die Quintessenz dieser Weltanschauung wird in Russland folgendermaßen in Worte gefasst: »Wir können keine Gnade von der Natur erwarten; unsere Aufgabe ist es, sie uns von ihr zu holen.« Und wir holen sie uns durch Gewalt und Zerstörung.
Dabei sind die Gesetze der Natur weise. Darin fließen organisch das Materielle und Ideelle, das Kleine und das Große, das Konkrete und das Allgemeine zusammen. Wie kleine Kinder, die ihr Spielzeug kaputtmachen, zerlegen wir all das in Bestandteile und untersuchen jedes für sich in der Hoffnung zu verstehen, wie das Ganze funktioniert. Diese Forschungsmethode dominiert heute sowohl in den Naturwissenschaften als auch in der Philosophie, welche aufgerufen ist, den von den Wissenschaftlern gefundenen objektiven Fakten einen Sinn zu geben.
Es geht nicht darum, diese Methode der Welterkenntnis abzulehnen – die Bedeutung ihrer Ergebnisse ist nicht zu leugnen. Aber diese Methode birgt in sich auch eine ernste Gefahr. Das Unglück besteht darin, dass sowohl die Naturwissenschaften als auch die Philosophie, wenn sie nicht »geistig befruchtet« sind, häufig richtige Monster gebären, wie zum Beispiel die Theorie der ausgewogenen Ernährung.
Die ganze Welt neigt den Kopf im Gedenken an die zigtausend Menschen, die in den Atomstürmen von Hiroshima und Nagasaki gestorben sind. Uns alle hat die Tragödie von Tschernobyl erschüttert. Aber gleichzeitig machen wir uns nicht die Mühe, auch nur einen Augenblick nachzudenken über die fürchterlichen Konsequenzen der absoluten Herrschaft der genannten »Theorie«, welche Jahr für Jahr das Leben von Millionen und Abermillionen Menschen dahinrafft, die vor ihrer Zeit an der von der Autorität dieser Theorie geheiligten widernatürlichen, dem menschlichen Organismus nicht angemessenen Ernährung sterben.
Der »Geist« ist die Wasserscheide, welche die heilkräftige Ernährung – ein untrennbarer Bestandteil des von mir geschaffenen ganzheitlichen Systems der natürlichen Gesundung – von der so genannten ausgewogenen trennt. Wobei ich unter dem Wort »Geist« nicht nur Bildung, Belesenheit, musikalische Kenntnisse oder die Fähigkeit verstehe, sich in den Stilen, Genres und Richtungen der Kunst auszukennen, sondern die Fähigkeit, mit jeder Körperzelle die Harmonie der vielgesichtigen, vielfarbigen, vielfältigen und gleichzeitig einheitlichen Welt wahrzunehmen und zu fühlen.
Ich werde mich hier nicht bei den zahllosen Mängeln der Theorie der ausgewogenen Ernährung aufhalten, zumal das in den folgenden Kapiteln des Buches ausführlich erfolgen wird. Ich möchte nur sagen, dass diese »angeborenen« Mängel die Theorie der ausgewogenen Ernährung zu einem nicht vollwertigen Sprössling einer nicht vollwertigen Zivilisation machen, in deren Zentrum nicht die Befriedigung der wirklichen natürlichen Bedürfnisse des Menschen steht, sondern sein Hang zu Vergnügungen und falsch verstandenem Komfort. Wozu dieses Streben führt, habe ich schon in meinem Buch Wir fressen uns zu Tode (Goldmann Verlag 2002) am Beispiel von Ratten gezeigt, welchen man beigebracht hat, mittels eines schwachen elektrischen Impulses das Lustzentrum in ihrem Hirn zu stimulieren. Im Ergebnis wurden die Tiere richtiggehend süchtig. Etwas Ähnliches ist unter Beihilfe der Theoretiker der ausgewogenen Ernährung auch mit dem Menschen geschehen.
Indem sie die Menschen auf den Genuss von kalorienreicher tierischer Nahrung einschworen, haben sie nicht nur eine explosive Ausbreitung chronischer Erkrankungen hervorgerufen, sondern auch das Problem des Hungers auf unserer reichlich fruchtbaren Erde. Indem sie den Verzehr von Fleisch und anderer tierischer Produkte vorschreiben, welche angeblich für den Menschen lebensnotwendig seien, und indem sie diese Idee ins öffentliche Bewusstsein brachten, bewirkten die »Kaloretiker« ein mächtiges Wachstum der Viehzucht. Heute werden Millionen von Tonnen vollwertiger Naturprodukte an das Vieh verfüttert, welche spielend für die Nahrungsversorgung mehrerer Milliarden Menschen reichen würden.
Zum Glück wachsen im Schoß des Alten die Keime des Neuen. Das wird unvermeidlich geschehen und geschieht schon heute dank der Arbeiten großer Gelehrter, zu denen auch unsere russischen Landsleute I. M. Setschjenow, I. P. Pawlow, W. Wernadski, A. L. Tschizhewski, I. Prigogine (er ist russischer Abstammung), I. L. Gerlowin und A. M. Ugolew gehören.
Über das Akademiemitglied Alexander Michajlowitsch Ugolew möchte ich ein spezielles Wort verlieren. Als ich an diesem Buch arbeitete, bekam ich die Nachricht von seinem Tod, der mich im wahrsten Sinn des Wortes erschüttert hat. Wir haben einen hervorragenden Wissenschaftler verloren, dessen Beitrag zur Entwicklung der Ernährungswissenschaft nur mit dem des großen I. P. Pawlow vergleichbar ist. Als ehrlicher Wissenschaftler und Mensch ist Alexander Ugolew als einer der Ersten gegen die Theorie der ausgewogenen Ernährung aufgetreten und hat auf die tragischen Konsequenzen dieser Theorie für die Menschen hingewiesen. Seine Ideen, Schlussfolgerungen und Entdeckungen lassen keinen Stein auf dem anderen im Theoriegebäude der ausgewogenen Ernährung.
Ich bin überzeugt, dass den bedeutenden Leningrader Wissenschaftler und Physiker I. L. Gerlowin ein tragisches Schicksal erwartet hätte, hätte er während der »Hexenjagd« in der Wissenschaft die von ihm erarbeiteten Grundlagen einer einheitlichen Theorie aller Wechselwirkungen in der Substanz veröffentlicht oder gar erst sein »Paradigma für lebensfähige und sich entwickelnde Systeme«.
Mir als Ärztin, Physiologin und Biologin ist die Schlussfolgerung Gerlowins besonders nahe, dass die »Menschheit bisher nicht alle Besonderheiten der Auswirkungen der Nahrungsaufnahme auf den Menschen (kennt) und seine Qualitäten naiverweise nach ihrem Kaloriengehalt bewertet. Die Menschen verwenden in großem Umfang in der gesamten Volkswirtschaft, insbesondere bei der Lebensmittelproduktion, künstlich hergestellte Substanzen, und sogar bei der Heilung von Menschen wurden künstliche Substanzen ausschlaggebend, wie in der Chemotherapie. Erst in den letzten Jahren begann man zu verstehen, dass das alles eine Selbstvergiftung der Menschen ist.
Das ist deshalb so geschehen, weil die moderne Wissenschaft auf einem sehr niedrigen Niveau festgefahren ist und sie die Postulate, die auf diesem Niveau entstanden sind, für die Wahrheit in letzter Instanz hält.«
1Aber der Ausweg aus der Sackgasse ist den Menschen seit langem bekannt – schon seit der Zeit von Pythagoras, der sich pflanzlich ernährte. Mir ist es im Zuge meiner zahlreichen Experimente, von denen noch die Rede sein wird, gelungen nachzuweisen, dass wir, wenn wir Lebensmittel konsumieren, die ihre Bioinformations-Eigenschaften bewahrt haben, für die Befriedigung unserer natürlichen physiologischen Bedürfnisse viel weniger davon brauchen, als wenn wir optimierte und raffinierte Lebensmittel verwenden. Die Nahrung belastet dann nicht mit ihrer Masse den Magen-Darm-Trakt, dehnt den Magen nicht aus, normalisiert den Dickdarm und seine Mikroflora und dann den Verdauungstrakt insgesamt, was eine entscheidende Bedeutung für die Herstellung der vollständigen, faktischen und nicht »praktischen« Gesundheit des Organismus hat.
Wie Ugolew und seine Mitarbeiter festgestellt haben, versorgt der Verdauungstrakt des Menschen nicht nur den Organismus mit Nährstoffen, sondern er ist auch ein mächtiges endokrines Organ, welches in seiner Bedeutung alle Organe des endokrinen Systems zusammengenommen übertrifft.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass mir diese Entdeckung zu verstehen half, warum es mir bei der Normalisierung des Verdauungstrakts auch gelingt, die hormonellen Funktionen des Organismus zu regenerieren.
Hier fällt mir die Geschichte von Natalja O. Sintschenko ein. Ihr ganzes Leben lang folgte sie mit der für sie typischen...