Ethnopharmakologie
In vielen Teilen der Welt wird Morinda der »Baum des Lebens« genannt. Er ist eine lebendige Apotheke. Aus allen Teilen, aus den Wurzeln, der Rinde, dem Holz, den Blättern, den Blüten und den Früchten, werden lebensverlängernde und verjüngende Heilmittel hergestellt. Alles an ihm wird heilkundlich gebraucht, und zwar auch für entgegengesetzte Leiden (wie zum Beispiel niedriger und hoher Blutdruck).
Die Ethnopharmakologie kennt Morinda als Heilpflanze Noni aus den Überlieferungen vieler Stämme und Naturvölker. Berichte über Heilanwendungen gibt es seit mehreren Jahrhunderten.
Man nimmt an, dass Morinda bereits in der Zeit um Christi Geburt bekannt war. Viele der schriftlich hinterlassenen traditionellen heilkundlichen Aufzeichnungen stammen aus Indonesien und Vietnam. Schriftliche Aufzeichnungen der Ureinwohner Polynesiens gibt es, z.B. auf Hawaii, erst seit dem Jahr 1845. In diesem Jahr verteilte der hawaiische König Kamehanade auf Befehl der Weißen unter seinen Untertanen elftausend Parzellen Land. Vorher gehörte das Land nach dem Verständnis der Bevölkerung und des Königs allen gemeinsam und in Wahrheit nur den Göttern. Heute kann man in den Archiven Hawaiis nachlesen, dass auf dem überwiegenden Teil dieser Ländereien Nonibäume wuchsen und die Bewohner dann angaben, das Land für die Kultivierung der Nonifrucht zu benötigen, andere Pflanzen kamen ihnen nicht in den Sinn. Ein Hinweis auf die Verehrung als Heiler-Baum, als Kahuna-Baum – Heiler in allen seinen Teilen.
Den hawaiischen Ausdruck »Noni« kann man nicht übersetzen. Es ist ein Name, der in der Traumzeit, außerhalb unserer Zeitrechnung, geboren wurde, damals, als noch die Götter auf Erden wandelten.
In Tonga wird Noni sogar umtanzt
Volksnamen
Jede Nation Ozeaniens und der Karibik hat für die Pflanze eigene Namen.
• Hawaii, Samoa, Tonga: Noni
• Tahiti: Nonu
• Karibik: Buschfrucht,
• Schmerztöter-Baum
• Guam: Lada
• Malaysia: Mengkudo
• Südostasien: Nhau
• Vietnam: Morinda
• Australien: Käsefrucht
• Fidschi- und Cookinseln: Kura
Niemand weiß heute, was der Name Noni bedeutet; niemand weiß, was er ausdrücken soll.
Die Legende schildert, die Nonifrucht sei auf einem Kanu von Tahiti aus nach Hawaii und zu allen übrigen Südseeinseln gebracht worden. Tatsächlich haben die Samen kleine Schwimmblasen eingebaut, die an Kanus erinnern. In einer anderen Sage wird erzählt, Noni hätte vor der Besiedlung durch die Menschen schon in der Südsee gelebt und auf IHRE Menschen gewartet. Sie sei ein Überbleibsel aus dem legendären »Lemuria«, einer Insel, die, ebenso wie Atlantis, vor langer Zeit im Meer versunken sei. Auf Lemuria hätte man Noni als Aufputschmittel und Aphrodisiakum verwendet. Tatsächlich hat die Frucht der Morinda viele anregende und durchblutungsfördernde Inhaltsstoffe, manche Hawaiianer verwenden sie heute anstatt Viagra.
In den 30er Jahren wurde man auf Morinda erstmals international aufmerksam, als Darmheilmittel und Verdauungsunterstützung ist sie seit damals vor allem in amerikanischen und kanadischen Apotheken zu finden. Dort wird sie auch bei Altersdiabetes als Blutzucker-Stabilisator eingesetzt.
Morinda bei den Stämmen
Die Volksstämme Samoas, der Fidschiinseln und Rarotongas verwenden Noni roh und gekocht als Nährstofflieferant, allerdings nur in Hungerzeiten, sie wird dann als Gemüsespeise zubereitet. In die Blätter wickelt man Fisch oder Fleisch und gart ihn bzw. es darin, die Blätter werden dann als Gemüse mitgegessen. Traditionell wird auch der Saft getrunken. Dazu pflückt man die Frucht in halb reifem Zustand, lässt sie in voller Sonne nachreifen und zerdrückt sie. Der Saft wird mit einem Stück Stoff aufgefangen.
O’O’
Die weiße Frucht ist der Heiler, auf Tahiti und Hawaii heißt sie o’o‘. Die Frucht wird gepflückt, wenn sie weiß, also reif, aber noch sehr hart ist.
• Die Frucht wird gewaschen und im Schatten getrocknet.
• Sie wird sanft zwischen den Händen gedrückt und massiert. Die Kahuna-Heiler laden sie mit den Händen energetisch auf.
• Das Fruchtfleisch wird in einen Behälter gegeben und für einen Tag in die pralle Sonne gestellt, dann kommt der Behälter mitsamt der zerkleinerten Frucht an einen kühlen Ort.
• Jeden Morgen wird 1 EL voll gegessen, bis das Fruchtfleisch und der sich bildende Saft aufgebraucht sind.
So heilen Polynesier, Malaysier, Maoris in Neuseeland und Aborigines in Australien mit Morinda citrifolia.
»Es kommt darauf an, wie du dich fühlst. Wenn du dich besser fühlst, nimm Noni. Wenn du gar nichts merkst, nimm trotzdem Noni«, sagen ausgebildete Kahuna-Heiler. Sie empfehlen die Frucht und den Saft aus der Frucht nicht nur für Heilanwendungen, sondern vor allem auch zur Vorbeugung und Pflege des Körpers.
So leicht wie die Tongaer, Hawaiianer oder die Bewohner der anderen tropischen Inseln und Länder, die einfach nur einen kleinen Ausflug in die tropische Wildnis machen müssen, um an frische Nonifrüchte zu kommen, haben es Europäer natürlich nicht. Das Angebot auf den Märkten und in den Regalen der Supermärkte wird zwar von Jahr zu Jahr größer, aber Morindafrüchte findet man nicht darunter. Mit gutem Grund – sie würden sich kaum als geschmackliche Bereicherung des Obstkorbes eignen und auch ihr Geruch ist gewöhnungsbedürftig. Man beschränkt sich auf die Einfuhr des Fruchtsaftes. Sicher wird es aber, so wie jetzt bereits in Amerika, bald auch die ganze Frucht bei uns geben.
Ebenso wie z. B. mit dem heimischen Seifenkraut, kann man mit Morinda schonend reinigen; alles, was aus Naturstoffen besteht, Seide, Leder, Wolle, aber auch die eigene Haut.
Bei einem Inselrundflug fiel einer Stewardess ein amerikanischer Passagier mit einer starken Erkältung auf. Er tat ihr Leid, weil ihm der ganze Urlaub eines Jahres durch Schnupfen und Husten verleidet sein würde. Sie gab ihm den Tipp, der ihr über Großmutter und Mutter überliefert war: »Nonisaft«. Sie traf den Touristen zufällig zwei Tage später am Strand. Kein Schnupfen und kein Husten mehr. »Es hat am Anfang schrecklich gerochen – aber die Erkältung war ein paar Stunden später weg«, sagte er und fragte nach dem nächsten Wuchsort von Morinda.
Markt auf den Fidschiinseln
Alle Ureinwohner der Südseeinseln kennen Morinda citrifolia und wissen über die traditionelle Verwendung der Nonifrucht Bescheid. Heute lehnen manche der modernen, jungen Leute die Frucht wegen ihres Geruchs und ihres Geschmacks ab. In allen Familien findet sich aber eine Art Familienprotokoll über die Heilwirkung des Baumes, der, ebenso wie bei uns der Holunder, in allen seinen Teilen verwendet wird; daran hat die moderne Lebensweise nichts verändert.
Von der einfachen Verkühlung bis hin zum Prostatakrebs wird praktisch alles mithilfe des Baumes geheilt. Es gibt familieninterne Empfehlungen, die von Generation zu Generation weitergereicht werden.
Familienrezepte aus Polynesien
• den Fruchtsaft nur an jedem ungeraden Tag trinken
• den Fruchtsaft nur an jedem geraden Tag trinken
• bei Herzproblemen keine Früchte von Bäumen nehmen, die in unmittelbarer Nähe des Meeres wachsen
• 1 Schluck Saft vor jeder Mahlzeit
• nur am Morgen und nüchtern nehmen
• besonders viel Saft nach Festen und Feiertagen
Noniplantage auf einer der Tongainseln
Kahuna-Heiler sind polynesische Pflanzenkundige und Kenner der traditionellen Heilungsrituale. Sie empfehlen die Einnahme im 5-Tage-Rhythmus, und zwar für jedes gesundheitliche Problem.
Auf den Geschmack der Frucht und des Saftes reagieren manche Menschen, nicht nur in unseren Breiten, mit Zurückhaltung. Manche trinken den Saft pur und können nicht genug davon bekommen, für manche ist schon ein Esslöffel zu viel.
5 Tage Einnahme – 5 Tage aussetzen – 5 Tage Einnahme –
5 Tage aussetzen usw.
Kahuna-Heiler sind davon überzeugt, dass die Heilkraft der Pflanzen auch dann voll wirksam bleibt, wenn der Saft über ein Jahr lang steht. Eine mikrobiologische Untersuchung in Hawaii ergab den nach wie vor hohen Nährstoff- und Enzymgehalt nach Lagerzeiten bis zu einem Jahr. Klassische Stabbakterien (Krankheitserreger, sie entstehen durch Fäulnis) fehlten zur Gänze, und das in einem Land mit gleichmäßig hohen Temperaturen und ohne die bei uns geforderten hygienischen Bedingungen.