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E-Book

Hirten, Bauern, Götter

Eine Geschichte der römischen Landwirtschaft

AutorWerner Tietz
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl371 Seiten
ISBN9783406682346
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Es waren stets die Bauern, die unablässig die Voraussetzungen für die geistige und urbane Entwicklung des römischen Altertums schufen, und Werner Tietz hat ihnen in seinem aufschlussreichen Werk ein wohlverdientes Denkmal gesetzt. Er stellt die wichtigsten Pflanzen und Tiere vor, welche die Basis der römischen Versorgung bildeten, und beschreibt anschaulich das Leben und Wirtschaften auf den kleinen Höfen der einfachen Bauern wie auf den Latifundien der Senatoren in den Tagen der Republik, aber auch die industrielle Produktion auf den riesigen Staatsdomänen der Kaiserzeit. Er berichtet vom häufig elenden Dasein der Sklaven, Pächter und Lohnarbeiter und kontrastiert ihr Leben mit jenem in den prächtigen Villen der Reichen mit ihren Wildgehegen und Fischteichen. Er erhellt Kulte und Riten für jene Gottheiten, um deren Beistand jeder Bauer betete, und erläutert die Ackergeräte, mit denen man den himmlischen Segen praktisch nutzbar machte. Ein Ausblick auf den landwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel in der Spätantike beschließt dieses wunderbare Buch. Wer die antike Welt wirklich verstehen will, wird auf dieses Buch nicht verzichten können!

Werner Tietz ist Privatdozent für Alte Geschichte und lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität, München.

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Leseprobe

– 2. –
DIE FRÜHGESCHICHTE DER ITALISCHEN LANDWIRTSCHAFT


GRUNDZÜGE DER ENTWICKLUNG VON DER SESSHAFTWERDUNG BIS IN DIE MITTE DES 1. JAHRTAUSENDS V. CHR.


Die Jungsteinzeit

Die Geschichte der Landwirtschaft beginnt nach der letzten Eiszeit mit der Jungsteinzeit (Neolithikum). In dieser Epoche gaben die Menschen das Leben als Jäger und Sammler ohne feste Wohnsitze auf und lernten in einem viele Jahrhunderte dauernden Prozess, als sesshafte Bauern zu leben. Hierzu wurden Pflanzen und Tiere durch Auslese und Pflege allmählich den menschlichen Erfordernissen angepasst. Diese Domestizierung ist einer der wichtigsten Unterschiede zur vorherigen Jäger- und Sammlergesellschaft der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) und Voraussetzung für die Sesshaftigkeit. Nur so konnten genügend und zuverlässig Erträge erzielt werden, ohne dass es notwendig war, weit umherzuschweifen und immer neue Jagd- und Sammelreviere aufzusuchen.

Diese Entwicklungsstufe erreichten Menschen in Regionen mit für die Landwirtschaft günstigen Bedingungen früher als die Bewohner unwirtlicher Gegenden. Die früheste Neolithisierung weist der sogenannte Fruchtbare Halbmond auf, ein von Ägypten über die Levante bis nach Mesopotamien reichender Landstrich, wo beste Bedingungen für die Landwirtschaft herrschten. Besonders der Ackerbau fasste dort schnell Fuß, da große Flüsse wie der Nil und der Euphrat für fruchtbare Böden sorgten, indem sie viel Schwemmmaterial in die Ebenen führten. Dies verhinderte eine Auslaugung der Böden, wie sie bei primitiven Formen der Landwirtschaft ohne jede Düngung oder Fruchtwechsel fast zwangsläufig eintritt. Bereits um 12.000 v. Chr. lassen sich dort erste Spuren der Sesshaftwerdung feststellen.

Vom Fruchtbaren Halbmond strahlte das Neolithikum nach Westen aus und erreichte um 5000 v. Chr. Kleinasien, Griechenland und wenig später auch Italien. Ein Schwerpunkt der ersten festen Siedlungen in Apulien am Absatz des italienischen Stiefels lässt darauf schließen, dass die Landwirtschaft über das Meer auf die Apenninhalbinsel gekommen sein dürfte. Die – locker bebaute – Fläche dieser ersten Bauerndörfer konnte bis ungefähr 30 Hektar betragen. Die Jagd und das Sammeln von Früchten und wildem Gemüse machten freilich noch lange einen beachtlichen Teil der Ernährung aus, und auch die römische Überlieferung kennt diese Epoche, in der die Menschen alles Notwendige in der Natur vorfanden. Der augusteische Dichter Ovid (43– ca. 17 n. Chr.) beschreibt sie als Goldenes Zeitalter, die glücklichste Phase der Menschheitsgeschichte, in der allgemeiner Frieden ohne Militär, Gerichte und Handel herrschte, vor allem, da alles Lebensnotwendige reichlich verfügbar war und kein Grund zu Neid bestand (Metamorphosen 1,100–110):

«Auch die Erde selbst musste keine Abgaben leisten, sondern sie blieb unberührt von der Hacke und durch keine Pflugscharen wurde sie verletzt; sie gab alles von sich aus. Und zufrieden mit den Speisen, die ohne menschlichen Zwang wuchsen, sammelten sie Baumfrüchte und wilde Erdbeeren, Kornelkirschen und Brombeeren, die an stachligen Sträuchern hingen, und auch Eicheln, die vom ausladenden Baum des Jupiter gefallen waren. Es war immer Frühling, und sanfte Westwinde streichelten mit ihren Brisen Blumen, die wuchsen, ohne dass sie jemand gepflanzt hätte. Bald trug auch die ungepflügte Erde Feldfrüchte, und auch ohne Brachphase leuchtete der Acker von schweren Ähren.»

Es ist bemerkenswert, dass in dieser Textstelle von einer Brachphase die Rede ist, mit deren Hilfe sich die Fruchtbarkeit erhöhen ließ. Auf diese Weise wurden bereits in der Jungsteinzeit die Erträge gesteigert, und man konnte sich zu größeren Siedlungen zusammenfinden, was weiteren Schutz versprach (Aristoteles, Politik 1,2,1253a,1–2).

Die neue Bauerngesellschaft und ihre Überschüsse

Gar so idyllisch war das Leben vor der Sesshaftwerdung sicher nicht, denn sonst hätte es kaum einen Anreiz dafür gegeben, die Lebensart so grundlegend umzustellen. Die Vorteile des sesshaften Bauern gegenüber dem Jäger und Sammler liegen auf der Hand: Getreideanbau und Tierhaltung sorgen für regelmäßige Verfügbarkeit von Lebensmitteln und ermöglichten den Lebensunterhalt in sicherer Nähe zum Heim. Sie machten die Gefahren unnötig, denen man auf ausgedehnten Jagdzügen ebenso ausgesetzt war wie beim Sammeln von Nahrung in wilder Umgebung.

Auslese und intensive Pflege von Tieren und Pflanzen führten schnell zu Überschüssen. Dies verschaffte den frühen Gesellschaften nicht nur materielle Sicherheit, sondern auch die Möglichkeit zur Arbeitsteilung und Spezialisierung auf anderen Gebieten als der Landwirtschaft. Konnte ein Dorf es sich etwa leisten, einen seiner Bewohner ausschließlich der Töpferei nachgehen zu lassen, da die anderen entsprechende Überschüsse erwirtschafteten, so bekam es im Gegenzug für die Dorfgemeinschaft bessere Gefäße. Darüber hinaus entwickelte sich ein System der Vorratshaltung, so dass der Mensch nicht mehr von Woche zu Woche um seine Existenz fürchten musste. Die Folgen waren Bevölkerungswachstum und allmählich auch soziale Ausdifferenzierung und Handel zwischen den Dorfgemeinschaften.

Den Großteil der Nahrung verschaffte sich der Mensch der Jungsteinzeit also durch die Haltung von Nutztieren und den Anbau von Feldfrüchten, die er durch Auslese schnell zu größerem Ertrag brachte, als ihm die zugrunde liegenden Wildsorten geboten hatten. Ovid stellt die Unterschiede dieses Silbernen zum vorherigen Goldenen Zeitalter fest (Metamorphosen 1,121–124):

«Damals fand man zum ersten Mal Unterschlupf in festen Häusern. Als Haus konnten Höhlen dienen, oder auch dichtes Gebüsch und Weidengeflecht mit Rinde darauf. Damals vergrub man zum ersten Mal Getreidesamen in langen Furchen, und die Stiere stöhnten, da sie das Joch drückte.»

Die sogenannte Neolithische Revolution fand auch außerhalb der Landwirtschaft auf technologischem Gebiet statt. In dieser Zeit kamen auch Töpferei und Spinnerei auf. Handgeformte Tonwaren verbesserten die Ausstattung der Bauernhöfe. Die Möglichkeiten der Vorratshaltung wurden durch sie erweitert, und als Koch-, Ess- und Trinkgeschirr waren sie den alten Gefäßen aus Horn oder Stein in vieler Hinsicht überlegen. Die ältesten Spinnwirtel – tönerne Ringe, die als Schwunggewicht einer hölzernen Handspindel dienten, die von Hirtinnen noch heute gerne benutzt wird, um aus Wolle Fäden zu gewinnen – sind in Italien seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. belegt. Die entsprechende Technik gelangte vermutlich aus Mitteleuropa über die Alpen auf die Apenninhalbinsel.

Kain gegen Abel – die ersten Konflikte zweier Wirtschaftsformen

Die Sesshaftwerdung brachte nicht nur Vorteile. Konflikte zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern um die Nutzungsrechte von Land, wie sie beispielsweise auch die Erzählung von Kain und Abel (Altes Testament, Genesis 4,1–24) widerspiegelt, traten umso häufiger auf, je enger man zusammen lebte. Ovid erfasst in seiner Zeitalterlehre auch den Charakter dieser Epoche sehr genau, die er als Eisernes Zeitalter bezeichnet. Es sei durch frevlerische Menschen gekennzeichnet, die im Streben nach Macht und Reichtum zu Gewalt und Hybris neigten. Auch auf dem Gebiet der Landwirtschaft hatte dies Folgen (Ovid, Metamorphosen 1, 135–136):

«Auch Grund und Boden, zuvor Gemeinschaftseigentum wie das Sonnenlicht und die Lüfte, steckte sorgfältig der Landvermesser in langen Ackergrenzen ab.»

Nach Ovid begründeten also die Urbarmachung von Land und die Pflege von Feldern mit der Zeit Besitzansprüche. Es liegt nahe, dass diese sowohl gegen Nachbarn als auch gegen Hirten und Jäger durchgesetzt sein wollten, welche die Felder in verschiedener Weise bedrohten. Wieviel von diesen ovidischen Erzählungen der Realität entspricht, lässt sich kaum entscheiden. Sie speisen sich sicher vorrangig aus zeitgenössischen Beobachtungen des Dichters bei weniger entwickelten Völkern.

Produkte und Techniken früher Landwirtschaft

Die ersten domestizierten Pflanzen, die für die Jungsteinzeit nachweisbar sind, waren Weizen, Gerste, Linsen, Erbsen, Kichererbsen, Wicken und Flachs. Bis auf die beiden letzten, die als Tierfutter und zur Gewinnung von Textilfasern genutzt wurden, handelt es sich um Nahrungsmittel. Bei den Nutztieren treten Rind, Schaf, Ziege und Schwein nahezu gleichzeitig auf, allerdings mit einem starken Übergewicht bei Schaf und Ziege, den beiden am einfachsten zu haltenden Kleintierarten.

Neben der einfachsten Form der Zucht, der Auslese, wurde der Ertrag auch durch neue Werkzeuge gesteigert, die eine effizientere Nutzung der Felder ermöglichten. Besonders wirkungsvoll war die Erfindung des Pfluges – oder genauer: des Zughakens. Dieser bestand in der Jungsteinzeit aus einem starken, gekrümmten Ast, den man eigenhändig an einem Seil durch die Erde zog, während eine zweite Person für die Lenkung zuständig war. Auf diese Weise entstand eine drei bis fünf Zentimeter tiefe Furche, in die das Saatgut eingebracht wurde. Dann...

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