Standortansprüche der Rebe
Die Heimat der Wildreben ist der kaukasisch-vorderasiatisch-mediterrane Raum. Damit werden die Klimaansprüche deutlich: im Sommer heiß und trocken, im Winter mild und feucht. Der Wein ist eines der ältesten Kulturgetränke der Menschheit. Durch das unentwickelte Transportwesen musste Wein dort produziert werden, wo er gebraucht wurde. Mit den Klöstern kam auch die Rebe nach Mitteleuropa. Die Reben wurden und werden auf der nördlichen Halbkugel zwischen dem 30. und 50. Breitengrad erwerbsmäßig kultiviert. Als nördliche Grenze gilt in Europa die 9°-Isotherme der Jahresmitteltemperatur.
In den Flusstälern – Mosel, Ahr, Saale, Unstrut und Elbe – gelangt die Rebe zungenförmig über den 51. Breitengrad hinaus. Die eigentlich nördlichsten Weinbauorte Deutschlands befinden sich in Jessen an der Schwarzen Elster (51° 45’), in Werder an der Havel und Höhnstedt am Süßen See bei Eisleben (51° 28’).
Da es inzwischen aber auch Weinbau wieder in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gibt, sind die genannten eigentlich nicht mehr die nördlichsten Weinbauorte Deutschlands.
Von großer Bedeutung für erfolgreichen Weinbau sind Temperaturextreme und die Nutzung der Geländegestaltung.
Reben können auch außerhalb der Anbaugebiete an Spalieren, Pergolen, an Hauswänden oder anderen geschützten Orten erfolgreich kultiviert werden.
Allgemein gilt, dass Standorte mit regelmäßigen Winterextremen unter –20 °C für den Anbau ungeeignet sind. Regelmäßige Spät- oder Frühfröste im Mai beziehungsweise September/Oktober engen den Anbauraum weiter ein. Regelmäßige Sommerniederschläge sind vorteilhaft, sind aber bei entsprechenden hohen Winterniederschlägen nicht Voraussetzung.
Reben benötigen keine speziellen Bodenverhältnisse. Sie wachsen selbst auf Bauschutt weiter, wenn ihnen zunächst eine Pflanzgrube mit kräftiger und humoser Erde geboten wurde. Nur grundwassernahe und Moorböden scheiden aus.
Klimaansprüche
Eine Jahresmitteltemperatur von 9 °C wird als untere Grenze für unsere Vitis-vinifera-Sorten angesehen. Das Wachstum der Rebe beginnt bei etwa 10 °C und hat sein Optimum bei 25 bis 30 °C.
Die Winternächte sollten selten kälter als –15 °C sein. Strenge Fröste unter –20 °C überstehen selbst frosthärtere Sorten kaum schadlos. Die meisten Sorten weisen zunächst Augen- und dann Holzerfrierungen auf.
Bei Reben an Hauswänden entsteht durch die Abstrahlung der Wand ein günstigeres Kleinklima und die Temperaturen sinken um 1 bis 2 °C weniger. An diesen Wänden können jedoch durch die Sonneneinstrahlung im Winter Stammschäden auftreten (tags auftauen, nachts gefrieren). Diesen Schäden kann durch Stammkalkung oder Einpacken vorgebeugt werden.
Reben benötigen 185 bis 195 Vegetationstage im Jahr.
Die Rebe benötigt 185 bis 195 Vegetationstage vom Austrieb bis zum Blattfall. Unter den klimatischen Verhältnissen Deutschlands beginnt der Austrieb Ende April/Anfang Mai. Unverholzte Rebteile erfrieren bei Temperaturen unter 0 °C. Deshalb ist es für gleichmäßige Erträge besonders wichtig, dass Spätfröste möglichst selten auftreten. Da Kaltluft schwerer als Warmluft ist, fließt sie am Hang ab und sammelt sich in Senken, hinter Mauern, Hecken und Gebäuden. Besonders gefährdet ist auch das Ende des Talgrundes in langen, engen Tälern. In Mauern und Hecken müssen Durchlässe geschaffen werden, weil sie sonst als „Staumauer“ wirken und den Frost verschärfen.
Gleiches gilt für die Frühfrostgefährdung. Zeitiger Frosteinbruch kann die Vollreife durch Vernichtung des Laubes verhindern. Vor Ende Oktober sollten deshalb in Weinbaulagen keine Frühfröste auftreten.
Auch die Höhenlage spielt für die Temperatur eine Rolle. Je 100 m Meereshöhe nimmt die Jahresmitteltemperatur um 0,5 bis 0,6 °C ab. Damit ist in Deutschland der erwerbsmäßige Weinbau nur bis 400 m über NN möglich. Für Tafeltrauben an Südspalieren ist die Pflanzung noch bei 450 m, am Bodensee sogar bis 500 m möglich. Für die spät reifenden Sorten endet die Pflanzung bei 250 m. In Abhängigkeit vom Großklima ist durch die verschiedenen Ansprüche einzelner Sorten die Höhengrenze variabel.
In der Blütezeit beeinflussen die Witterungsverhältnisse Ertragshöhe und Ertragsstabilität wesentlich.
Die Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse im Juni zur Blüte bestimmen die Rieselrate (Verhältnis von Blütenzahl zur Beerenzahl/Geschein). Die optimale Temperatur für die Pollenkeimung beträgt 25 °C. Eine langfristige Unterschreitung mit Temperaturen um 15 °C bei gleichzeitigem Regen führt zum gefürchteten „Verrieseln“ – dem Überschreiten der sortentypischen Rieselrate durch Schlechtwetter. Dabei werden die Käppchen nicht abgeworfen.
Abhängigkeit der Jahresmitteltemperatur von der Höhenlage und Eignung der Höhe für den Weinbau in Deutschland.
Im mitteleuropäischen Klima kommt es in der zweiten Junihälfte häufig zu einem Kälterückfall, der sogenannten Schafskälte, die zu extremen Ertragsausfällen führt, wenn die Blüte in diese Zeit fällt.
Eng mit der Temperatur gekoppelt sind Strahlung und Licht, die von der Sonnenscheindauer abhängig sind. Die Reflexion großer Wasserflächen und heller Böden erhöht den Lichtgenuss der Reben.
Einen wesentlichen Einfluss auf die Temperatur übt der Wind aus. Windoffene Lagen besitzen ein deutlich schlechteres Bestandsklima, da die bodennahe Warmluft ausgeblasen wird. In Deutschland ist die Hauptwindrichtung NW, sodass die S- und SO-Lagen bevorzugt sind. Gegen den Nordwestwind gerichtete Wälder und Hecken wirken daher temperaturerhöhend.
Bei richtiger Verteilung kommt die Rebe mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von 450 bis 500 mm, also 450 bis 500 l/m2 aus. Eine gleichmäßige Verteilung wäre am günstigsten. Hohe Niederschläge bei hohen Temperaturen, verbunden mit hoher Luftfeuchtigkeit, erhöhen die Gefahr der Pilzerkrankungen. Trockene September vermindern die Gefahr der Traubenfäule. Diese Gefahr ist an der Küste von Nord- und Ostseenaturgemäß am größten.
Verrieselung von Trauben tritt durch Schlechtwetterperioden auf.
Relative Lichtverhältnisse an einem Septembertag (aus POSSNER et al. 1991; geändert)
Witterung und Bewölkung | Lichtintensität |
viele helle Wolken, Sonne nicht verdeckt | 115 % |
helle Bewölkung, keine Sonne | 40 % |
dunkle Bewölkung, keine Sonne | 30 % |
tiefe graue Wolken, Sprühregen | 10 % |
Reben stellen geringe Ansprüche an den Boden, nur Ton- und Moorböden sowie staunasse Standorte sind ungeeignet.
Bodenansprüche
Die Rebe stellt keine hohen Ansprüche an den Boden. Sie gedeiht noch auf den ärmsten und flachgründigsten Gesteinsverwitterungsböden. Auf diesem Boden wachsen beispielsweise die rassigsten Rieslinge, die Erträge fallen allerdings geringer aus. Leichte Kies- und Sandböden sind ebenfalls gut geeignet, wobei auf die ausreichende Wasserversorgung durch wasserschonende Bodenpflege zu achten ist. Weine von diesen Standorten haben eine leichte und blumige Note.
Idealisiertes Bodenprofil.
Viele tausend Hektar Weinreben stehen in Deutschland auf Kalk-, Kreide-, Mergel- und Keuperböden, die ihren gemeinsamen Ursprung im Kalkgestein haben. Diese Böden sind leicht bis schwer, tätig, zuweilen hitzig und häufig flachgründig. Ihre Weine sind etwas säurebetont, rassig und haltbar. ‘Silvaner’ fühlt sich auf diesen Böden besonders wohl.
Löß- und Lehmböden sind durch ihre Mineralzusammensetzung, günstiges Porenvolumen und Tiefgründigkeit besonders fruchtbar. Es sind warme tätige Böden. Die Weine sind breit und schwer, häufig fehlt ihnen Säure und damit Rasse. Ertragreiche Sorten wie ‘Müller-Thurgau’ fühlen sich besonders wohl.
Reine Ton- und Moorböden oder staunasse Standorte kommen für den Anbau von Reben nicht infrage.
Aus jahrhundertelang genutzten Weinbergsböden entstanden durch Tiefpflügen, Rigolen und Düngung im Laufe der Zeit Kulturböden. Bodenkundlich spricht man von Rigosolen oder Hortisolen. Ihre Bodenprofile sind meist nur noch in Resten erhalten.
Lage des Weinbergs
Der Weinkenner versteht unter der Lage allgemein den konkreten Ort einer Gemeinde, wo der Wein gewachsen ist.
Diese häufig jahrhundertealten, wohlklingenden Bezeichnungen entstanden in einer Zeit, als es noch kein Kataster mit Flurstücksnummern gab. Sie dienten der Abgrenzung des Besitzes beziehungsweise des Arbeitsortes.
Die Lage hat nicht nur historischen, sondern auch winzerlichen Inhalt. Der Winzer versteht darunter die Lage zur Himmelsrichtung (Exposition) und die Lage zur Waagerechten (Inklination). Exposition und Inklination beeinflussen alle rebenrelevanten meteorologischen Ereignisse.
Die Erde erhält von der Sonne eine relativ konstante Menge an Strahlungsenergie. Diese Strahlungsmenge wird auf einer waagerechten Fläche bei senkrechtem Sonnenstand gemessen.
In Deutschland steht selbst im Hochsommer die Sonne nicht senkrecht. Daher erhalten bestimmte geneigte Flächen im Frühjahr und im Herbst höhere Strahlungsmengen – man spricht vom Hangklima. Deshalb sind auf der nördlichen Halbkugel S-, SW- und SO-Hänge klimatisch...