II. Zusammensetzung der Inventare, Fundplätze und Interpretation
II. a) Frühbronzezeit (A1a bis A2c; 2300 bis 1600 v. u. Z.)[11]
Depotfunde sind schon aus dem Neolithikum bekannt und in ganz Europa verbreitet. Mitteldeutschland bildet innerhalb Europas einen Fundschwerpunkt für die gesamte Bronzezeit, wobei die Depots der Frühbronzezeit – sowohl qualitativ als auch in der Quantität – einen Konzentrationsschwerpunkt charakterisieren (v. Brunn 1959, Karte 3; Zich 1996, Karte 2). Die Hauptform für die Frühbronzezeit stellen so genannte „Barrendepots“ dar, die sich aus weitestgehend „normierten“ Inventaren, wie bronzenen Ösenring-, Spangenbarren, Beilklingen (überwiegend Randleistenbeile) und massiven Ringformen[12] zusammensetzen – häufig massiert und ohne Gebrauchsspuren.[13] Die Vielzahl der Deponierungen fanden sich in Tongefäßen[14], allerdings ohne nachweisliche Abdeckung[15]; oft intendierten die Funde sorgfältig angeordnet und bewusst niedergelegt.[16] Ebenso zeigen gerade die reichhaltigsten mitteldeutschen Depotfunde häufig eine räumliche Nähe zu Wasserläufen (z.B. Elbe u. Saale)[17] und weisen eine Funddichte in jenen Regionen auf, wo bronzezeitliche Salzsiederei und teilweise auch Siedlungsspuren nachgewiesen werden konnten.[18] Überdies kann postuliert werden, dass das Gros der mitteldeutschen Funde aus dem Gebiet stammt, welches schon seit dem Neolithikum – auf Grund der günstigen landwirtschaftlich nutzbaren Bodenverhältnisse – besiedelt worden war. Nur wenige Funde stammen aus sumpfigem, also unzugänglichem Milieu.[19]
Die Normierung und Typisierung der Depotinventare wird zum einen mit Tauschhandel und Warenverkehr, und zum anderen mit einem stereotypen Verständnis über die gängige Opferpraxis der Zeit erklärt. Als Nachweis für eine Normierung kann z.B. das so genannte „Ösenringnormgewicht“ herangezogen werden, welches sich anhand maßlicher Untersuchungen an frühbronzezeitlichen Ösenringbarren süddeutscher, österreichscher und böhmisch-mährischer Depotfunde gewinnen ließ. Das „Normgewicht“ dieser Ösenringbarren liegt nach empirischer Auswertung des Materials zwischen 180g bis 200g und für jüngerfrüh- bis mittelbronzezeitliche Spangenbarren etwa zwischen 70g und 100g.[20] Frühbronzezeitliche Beilbarren aus Mitteldeutschland hingegen zeigen erhebliche Gewichtsunterschiede. Neben „normierten“ Größen finden sich in den Depots Inventare wie z.B. bronzene Stabdolche/Stabdolchklingen[21], trianguläre Dolche/Dolchklingen, Schwertklingen, Armstulpen & -manschetten, massive gerippte Doppeläxte, Nadeln, Bernsteine und Gefäße. Ausschließlich aus keramischen Gefäßen bestehende Gefäßdepots sind selten und so z.B. von einem Fund bei Gerwisch in Sachsen-Anhalt bekannt (Hänsel 1997). Bemerkenswert ist die Tatsache, dass metallisches Material der Frühbronzezeit hauptsächlich aus Hortfunden, seltener aus Gräbern zu tage kam und Keramik wiederum eine vordergründige Rolle in Gräbern, weniger in Horten spielte (z.B. „klassische“ Aunjetitzer Tasse).[22]
In Sachsen-Anhalt und Thüringen dominieren in den Depots bronzene Randleistenbeile, in Sachsen sind überwiegend Ringschmuckelemente in solchen aufgefunden worden.[23] Aus dem Arbeitsgebiet sind etwa 2000 Äxte und Beile, und etwa 200 Ösenringbarren hauptsächlich aus Horten bekannt.[24] Die Depotfunde Mitteldeutschlands zeigen, wie schon erwähnt, eine Funddichte an verkehrsgünstigen Lagen, wie Flüssen und wichtigen schon in prähistorischen Zeiten genutzten Überlandverbindungen, wobei sie nach R. Krause in „krassem Widerspruch“ zur Verbreitung von Siedlungen und Grabfunden stehen.[25] Die Region um Halle zeigt dabei die auffälligste Fundkonzentration reichhaltiger Horte, welche hier sicherlich auch mit der Sohlsalzgewinnung in Verbindung zu bringen ist.[26] Zur Sohlsalzgewinnung benötigte Briquetage aus frühbronzezeitlichen Siedlungen ist z.B. aus Halle-Giebichenstein, -Queis und -Trotha belegt und im Mittelelbe-Saale-Gebiet schon aus der neolithischen Bernburger Kultur evident geworden.[27]
Zu den wohl umfangreichsten Funden aus der Kleinregion um Halle und dem Mittelelb-Saale-Gebiet gehören unter anderem der im Jahre 1821 gemachte Depotfund Schkopau 1 (Kr. Merseburg) aus dem Flussbett der „Schwarzen Lache“, mit 124 identischen bronzenen Randleistenbeilen, die im Kreis mit der Schneide nach innen gelegen haben sollen. Das Gesamtgewicht dieses Fundes betrug über einen Zentner und wird in Frühbronzezeitstufe A2a datiert (v. Brunn 1959, S. 66 u. Taf. 84). Interessant für die Betrachtung der Deponierungssitte ist die Tatsache, dass etwa 100 Jahre später, in der Nähe des Fundplatzes, ein zweiter Depotfund, mit 36 bronzenen Knopfsicheln gemacht wurde, auf denen sich Gussmarken befinden. Dieser wird in die früheste Spätbronzezeitstufe C1 datiert (Meller 2004).
1879 wurde beim Pflügen in der Gemarkung des Ortsteils Bennewitz, nahe dem Dorfe Gröbers auf der wüsten Mark „Stäberske“, der Depotfund Gröbers-Bennewitz im Saalkreis, mit 297 Randleistenbeilen und einem Gesamtgewicht von knapp 70 kg gemacht. Der Fundus soll den Angaben nach in einem heute nicht mehr erhaltenem Tongefäß gelegen haben (v. Brunn 1959, S. 57 f. u. Taf. 31 u. 32). Im Jahre 1904 kam es beim Ausheben einer Miete, in einer Tiefe von 75 cm zum Depotfund Dieskau 2 (Saalkreis). Dieser beinhaltete u. a. zahlreiche bronzene Ösenhals-, massive Arm- & Beinringe, Armspiralen, 2 Stabdolche, 11 Stabdolchklingen, 2 Dolchklingen, 2 Doppeläxte und 106 Bernsteinperlen. Das Gesamtgewicht des Fundes betrug annähernd 16 kg und befand sich in geordneter Lage in einem großen gerauten Tongefäß (v. Brunn 1959, S. 55 u. Taf. 12,6 – 19). Das Depot Halle-Kanena 1 aus dem Flurstück „Zwei wüste Höfe“ wurde schon vor 1909 aufgefunden und setzt sich aus einem bronzenem „Vollgriffdolch mit gerader Griffsäule, breitem Heft (7Nieten), fast geschlossenem Heftausschnitt und breiter Klinge“ und einem geschäftetem Stabdolch zusammen (v. Brunn 1959, S. 59 u. Taf. 39). 1923 wurde das Depot Halle-Kanena 2 beim Baggern im Braunkohletagebau „Alwine“ ausgehoben (v. Brunn 1959, Taf. 40 u. 41, 1 – 4). In seiner Zusammensetzung offenbarte er sich mit 3 massiven ovalen geschlossenen bronzenen Ringen, 4 Blutegelringen, 2 Randleistenbeilen, einer Doppelaxt mit Längsrippen auf Ober- und Unterseite, und einer Schleifennadel mit abgebrochnen Kopf. Auch das 1934 ausgehobene Depot Halle-Kanena 3 kam beim Baggern im Braunkohletagebau „Alwine“ zu tage, allerdings mit einem Tongefäß, welches sich nicht überlieferte (v. Brunn 1959, Taf. 41, 5 – 8; Taf. 42 u. 43). Sein Inhalt mit 4 bronzenen Ösenringen, 5 massiven ovalen offenen Ringen, 3 Armspiralen, 48 Randleistenbeilen und einer Stabdolchklinge ist mit denen der anderen Depotfunde vergleichbar (v. Brunn 1959, S. 59, Taf. 41,5 – 43). Anders verhält es sich mit dem 1935 aufgefundenem, östlich der Elbe in einem Gefäß gelagertem Hortfund von Blumberg-Packisch in Sachsen. In diesem Depot fanden sich 2 bronzene Halsringbarren und 9 schwere Ringbarren, die sortiert in einem Gefäß übereinander lagen und teilweise mit Lindenbast[28] umwickelt waren (v. Brunn 1959, S. 54, Taf. 5 – 6,3). Bronzene Randleistenbeile, Dolche bzw. Klingen von solchen oder Stabdolche bzw. Klingen von solchen fehlten ebenso, wie bronzene längsgerippte schmale Doppeläxte. Diese Beobachtung lässt sich auch auf andere Depots aus dem sächsischen Raum übertragen. Am auffälligsten ist die Gegebenheit, dass die symbolbeladenen Stabdolche in mitteldeutschen Depotfunden auf das westliche Gebiet Mitteldeutschlands (Circumharzer Gruppe)[29] beschränkt bleiben und nur ein einziges Exemplar einer Stabdolchklinge aus einem Grab von Burk in Sachsen bekannt geworden ist.[30] Insgesamt liegen 35 Stabdolche (Stücke mit und ohne Metallschaft) aus dem Arbeitsgebiet vor. Drei stammen aus Gräbern, 25 aus Horten und die restlichen 7 Stabdolchfunde gehören zu Einzelauffindungen. Die 25 Hortfundexemplare waren wiederum auf 7 Depots verteilt, die alle aus rezent „trockenem“ Boden geborgen wurden. Dieser Umstand grenzt das mitteldeutsche Hortfundphänomen noch einmal gegen den Norden Europas ab, da dort die Menge der Stabdolchfunde im feuchten Milieu gemacht wurde.[31] Das Saalegebiet kann dabei nicht nur auf Grund des recht frühen Auftretens dieser Fundkategorie, sondern auch ihrer typologischer Eigentümlichkeiten wegen, als „Entstehungszentrum“ der Stabdolche innerhalb Europas angesehen werden, auch wenn der Nordwesten Europas, mit über 250 Exemplaren, und im besonderem Irland, mit über 150 Stabdolchfunden, zahlenmäßig überwiegt (Lenerz-de Wilde 1991).[32]
Der Depotfund Dieskau 3, aus dem Jahre 1937, wurde dem Braunkohletagebau „von der Heydt“ enthoben und steht in seiner Zusammensetzung sicherlich als Beispiel für die Reichhaltigkeit der mitteldeutschen Depots. In einem gerautem Tongefäß, welches „verloren ging“, lagen 293 bronzene Randleistenbeile, eine Stabdolchklinge, 2 ½ längsgerippte,...