Humor, Komik und Lachen sind alltägliche Begleiter des Menschen. Es sind soziale Phänomene, die als Elemente menschlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Miteinanders auftreten (vgl. Bergson 2011: 14; Kuipers 2006: 365; Keith-Spiegel 1972: 21). Die Bedeutung und Relevanz eines Sinns für Humor wird meist erst dann erkennbar, wenn er jemandem (scheinbar) fehlt. Menschen wirken zu seriös, zu ernst und meist auch unsympathisch, wenn mit ihnen nicht gespaßt oder gelacht werden kann. Andererseits erscheinen auch Situationen befremdlich in denen Menschen einen Witz nacheinander erzählen, aber nur wenige Anwesende wirklich mitlachen möchten oder können. Insgesamt wirken Menschen mit Humor sozial attraktiver als jene ohne einen erkennbaren Sinn für Humor (vgl. Höfner/Schachtner 2010: 52; Kuipers 2006: 1). Doch was steckt hinter Zustimmung zum Humor der einen und Ablehnung von Humor der anderen Art?
„Was haben die Grimasse eines Clowns, ein Wortspiel, eine Verwechslung in einem Schwank, eine geistvolle Lustspielszene miteinander gemein? Wie destillieren wir die immer gleichbleibende Substanz heraus, die so vielen verschiedenen Dingen entweder einen aufdringlichen Geruch oder ein zartes Aroma verleiht?“ (Bergson 2011: 13)
Hinter dem alltäglichen Humor versteckt sich offenbar ein kompliziertes Gebilde (vgl. Keith-Spiegel 1972: 4), das erst deutlich wird, wenn eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Phänomen und seinen Begleiterscheinungen gewagt wird. Viele scheuen jedoch eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Humor. Es ist zu vermuten, dass die Furcht davor selber komisch zu wirken, häufig schwerer wiegt als das Interesse der Wissenschaftler (vgl. Prommer 2012: 124).
Bisher haben sich überwiegend Philosophen, Psychologen sowie Kommunikations-, Sprach- und Literaturwissenschaftler an diese Thematik gewagt. Mit den Werken Good Humor. Bad Taste. von Giselinde Kuipers (2006) und Humor als Kommunikationsmedium von Jörg Räwel (2005) liegen nur zwei aktuellere soziologische Werke vor, die sich dem Humor in der Gesellschaft ausführlich widmen.[1] Dennoch zeigt sich gerade bei näherer Betrachtung der philosophischen und psychologischen Ausführungen über Humor und Komik eine Vielzahl soziologisch relevanter Aspekte. Treffender wäre es, bei manchen Werken sogar davon zu sprechen, dass es sich um soziologische Analysen und Interpretationen handelt, die irrtümlich dem Bereich der Psychologie oder Philosophie zugeordnet wurden.[2] Die Herausforderung ist es, diese versteckten soziologischen Elemente des Untersuchungsgegenstandes auch sozialwissenschaftlich greifbar zu machen.[3] Die vorliegende Arbeit versucht diesen gordischen Knoten zu lösen, indem sie den Humor als „Sammelbegriff eines Mixtum Compositum“ (Sindermann 2009: 16)[4] entzerrt. Es wird darum gehen, verschiedenste soziale Funktionen und Wirkungen sowie objektive Erscheinungsformen von Humor und Komik zu beschreiben, die Rückschlüsse auf milieutypische Unterschiede der Humorwahrnehmung erlauben. Diese theoretischen Annahmen gilt es im Anschluss auf erfolgreiche, pädagogische Strategien in Erziehung und Bildung zu übertragen.
Diese Arbeit kann und soll für die Nutzbarmachung humorvoller Potenziale in Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen sensibilisieren und nicht zuletzt Möglichkeiten aufzeigen, den Belastungen des Berufsalltags bewusst positiv(er) zu begegnen.
Schon ein erster Blick in die umfangreiche Literatur zum Thema Humor lässt ein weites Spektrum vielfältiger Auseinandersetzungen erkennen. Die Wissenschaft bedient sich dabei diverser Zugänge, um der Beschaffenheit und Aufgabe von persönlicher Heiterkeit auf die Spur zu kommen (vgl. Prommer 2012: 110; Schindler 1986, zitiert nach Knop 2007: 45). Im Rahmen dieser Arbeit wird es zunächst darum gehen, den Untersuchungsgegenstand Humor vorzustellen, um eine eigene Begriffsdefinition zu konstruieren, die einer soziologischen Beschäftigung mit dem Thema hilfreich ist. Einen Überblick über die vielfältigen Verflechtungen, (historischen) Deutungen und Wertungen des Humors, der Komik sowie des Lachens gibt das zweite Kapitel dieser Arbeit. Dabei werden hinsichtlich des historischen Überblicks, wie auch in Bezug auf die konkreten Komikformen, nur ausgewählte Aspekte[5] behandelt.
Vor dem Hintergrund dieser exemplarischen Ausführungen soll im dritten Kapitel die Frage beantwortet werden, welche Elemente des Untersuchungsgegenstandes für eine soziologische Auseinandersetzung mit dem Thema wertvoll und nützlich sind. Die Antwort auf diese Frage wird die Konsequenzen für eine soziologische Betrachtungsweise von Humor und Komik aufzeigen und als Grundlage der theoretischen Transfers dienen. Im vierten Kapitel werden schließlich drei ausgewählte Theorieelemente vorgestellt, die Erklärungsansätze für eine Soziologie des Humors bieten.
Das zuerst behandelte Theorieelement in Kapitel 4.1 beschäftigt sich mit der zunehmenden Affektkontrolle des Menschen als Folge sozialer Verflechtungen. Hierfür wird der Entwurf einer Theorie der Zivilisation aus Norbert Elias‘ Werk Über den Prozess der Zivilisation für einen Transfer auf Humor und Komik herangezogen. Innerhalb seiner Ausführungen beschreibt Elias den sozialstrukturellen Wandel sowie die ökonomischen Wandlungsprozesse innerhalb der Gesellschaft, um dessen Auswirkungen auf den zivilisationsgeschichtlichen Prozess zu interpretieren. Der Soziologe bietet mit dieser Beschreibung eine umfassende Theorie über die menschliche Natur und die Entwicklung einer sozialen Handlungsweise (vgl. Honneth/ Joas 1980: 115f.). Das Kapitel 4.1 beschäftigt sich deshalb mit der Frage, welche Bedeutungen Humor und Komik für das menschliche Handeln haben und welchen Einfluss die gesellschaftlichen Verflechtungen auf das Er- und Ausleben von Humor und Komik nehmen. Das Interesse gilt außerdem milieutypischen[6] Unterschieden, die in Hinblick auf die theoretischen Ausführungen gefolgert werden können.
Da Elias seine Annahmen überwiegend historisch-anthropologisch begründet, widmet sich das Kapitel 4.2 den strukturalistisch fundierten Ausführungen Michel Foucaults, um eine weitere Perspektive auf das soziale Handeln zu zulassen (vgl. Honneth/ Joas 1980: 123f.). In diesem Rahmen werden insbesondere Foucaults Deutungen von Macht, Disziplin, abweichendem Verhalten und normierenden Sanktionen relevant sein. Es wird darum gehen, die Funktion von Humor und Komik innerhalb gesellschaftlicher Strukturen vor dem Hintergrund der vier genannten soziologischen Begriffe zu interpretieren. Für die Analyse und ihren Zusammenhang mit Humor und Komik ist insbesondere das dritte Kapitel Disziplin aus Foucaults Werk Überwachen und Strafen (1975) für den Transfer relevant.[7] Dieses Kapitel der Arbeit setzt sich deshalb mit der Frage auseinander, ob und inwiefern Humor und Komik als abweichendes Verhalten oder aber auch als normierende Sanktionen verstanden und als Instrumente der Macht genutzt werden können.
Das Kapitel 4.2 bildet innerhalb des vierten Kapitels eine Ausnahme, da es weniger auf milieutypische Merkmale von Humor und Komik eingeht. Dagegen thematisiert Foucault die Anordnung von Rängen innerhalb von Institutionen, die insbesondere für den dritten schulbezogenen Teil dieser Arbeit von Bedeutung sein werden.
Das dritte Theorieelement in Kapitel 4.3 befasst sich mit den Annahmen Pierre Bourdieus über die Kunstwahrnehmung innerhalb der Gesellschaft. Die Ausführungen des Soziologen werden dabei auf die Wahrnehmungsformen von Humor und Komik (Produktion und Rezeption) übertragen. Speziell das fünfte Kapitel Elemente einer soziologischen Theorie der Kunstwahrnehmung seines 1970 erschienenen Werks Zur Soziologie der symbolischen Formen ist dabei von Bedeutung. Bourdieu behandelt darin den Einfluss von Sozialisation sowie kulturellem Kapital auf die bewussten und unbewussten Encodierungsfähigkeiten von Kunst. Seine Ausführungen lassen im Kontext dieser Arbeit Schlüsse auf individuelle beziehungsweise milieutypische Komikwahrnehmungen zu.
Das fünfte Kapitel dient einer Zusammenfassung der theoretischen Annahmen des vorangegangenen Kapitels. Des Weiteren wird in diesem Abschnitt der Arbeit zu überprüfen sein, welche dieser sozialwissenschaftlichen Aspekte eine besondere Bedeutung für das Er- und Ausleben von Humor und Komik im Schulalltag haben.
Im sechsten Kapitel werden die soziologischen Erklärungen auf die Kommunikation und Interaktion in der Schule und speziell dem Unterricht übertragen. Demgemäß müssen die theoretischen Annahmen des vierten Kapitels, die in Bezug auf die Mesoebene getroffen wurden, auf die Mikroebene übertragen werden. Es ist anzumerken, dass Humor in der Schule und im Unterricht mehrere Bereiche umfassen und in unterschiedlichen Kontexten gegenwärtig sein können. Zum einen kann Humor die persönliche Disposition des Lehrenden...