Welpentests
Die Persönlichkeit seines Welpen testen zu lassen, steht hoch im Kurs. Bei Welpen, die zu Dienst- oder Assistenzhunden ausgebildet werden, können solche Teste beizeiten „die Spreu vom Weizen“ trennen und entscheiden, welche Welpen sich für die anstehende Ausbildung und Arbeit eignen. Nach einem solchen Persönlichkeitstest können Sie hoffentlich das Temperament Ihres Welpen besser verstehen und es wird leichter, zu trainieren, Ängste oder andere unerwünschte Verhaltensweisen zu überwinden und gleichzeitig die positiven Eigenschaften des Welpen zu fördern. Und ein Welpentest kann auch Spaß machen – nun haben Sie es schwarz auf weiß, dass Ihr Welpe wirklich so liebenswert und sozial ist, wie Sie schon immer gesagt haben!
Es gibt zahllose Arten, die Persönlichkeit eines Welpen testen zu lassen und es ist schwer, sich im Dschungel der Welpentests, die sowohl in wissenschaftlichen Veröffentlichungen als auch in Hunderatgebern zu finden sind, zurechtzufinden. 2015 erschienen jedoch zwei Artikel, die Ihnen ein Stück weit helfen können. Der erste ist ein Übersichtsartikel von Monica McGarrity et al. aus den USA, in dem die Forscher Experten beurteilen lassen, welche Welpentests die besten sind. Es handelt sich um eine Verbraucherinformation à la „Stiftung Warentest“, allerdings bewerten hier hundeerfahrene Verhaltensforscher. Die erste Herausforderung für Monica McGarrity et al. war, einige wenige Eigenschaften auszuwählen, die dennoch ein umfassendes Bild der Welpenpersönlichkeit zeichneten. Einige Wissenschaftler behaupten, es reichten drei Eigenschaften, während andere wiederum meinen, elf seien erforderlich.
Ausgehend von früher erschienenen Übersichtsartikeln und Modellen kamen Monica McGarrity et al. zu dem Schluss, dass neun Eigenschaften bewertet werden sollten, um die Persönlichkeit umfänglich zu beschreiben: „sozial“, „ängstlich/nervös“, „aktiv“, „erkundend“, ”mutig/selbstsicher“, „reaktiv“, „aggressiv“, „unterwürfig“ und „lernwillig“. Die gängigsten Eigenschaftswörter für diese Kategorien finden Sie in der Tabelle auf der folgenden Seite. Anschließend suchten die Wissenschaftler in mehreren großen Datenbanken nach Artikeln, die Ergebnisse der unterschiedlichen Persönlichkeitsteste bei Welpen beschreiben. Sie fanden insgesamt 49 verschiedene Publikationen mit 181 unterschiedlichen Tests. Einige dieser Tests wurden als ungeeignet aussortiert, da sie mehr als die neun Eigenschaften gleichzeitig erfassten, sodass noch 100 Tests übrig blieben. Sechs qualifizierte Verhaltenswissenschaftler aus unterschiedlichen Teilgebieten – alle jedoch mit großer Hundeerfahrung – mussten die einhundert Tests einzeln auf ihre Qualität hin überprüfen, um zu entscheiden, ob sie jeweils geeignet waren, die getesteten Eigenschaften zu bewerten. Sobald vier von sechs der Experten unabhängig voneinander gleich urteilten, bewerteten Monica McGarrity et al. dies als Konsens. Ich beschreibe dieses Vorgehen so detailliert, um zu zeigen, dass die Wissenschaftler ihren Verbraucherrat sehr ernst nahmen. Die Ergebnisse waren leider alarmierend: Nur sehr wenige Tests, denen die Welpen ausgesetzt wurden, erfassten die zu messenden Eigenschaften gut. Glücklicherweise kamen die Experten überein, dass wenigstens ein Test pro Eigenschaft gut funktionierte, siehe Tabelle auf der nachfolgenden Seite.
Im zweiten Artikel untersuchen Lina Roth und Per Jensen, ob man Welpentests nicht realitätsnäher gestalten kann. Die meisten Welpentests werden nämlich in besonders auf das Testziel angepassten Räumen und ohne den vertrauten Halter in der Nähe durchgeführt.
NEUN EIGENSCHAFTEN, DIE ZUSAMMEN DIE PERSÖNLICHKEIT DES WELPEN BESCHREIBEN |
EIGENSCHAFT | DER WELPE IST … | EXPERTENRAT „WELCHER TEST PASST AM BESTEN“ |
Sozial | Liebenswert, aufgeschlossen, verspielt | Eine für den Welpen unbekannte Person versucht, mit ihm zu spielen. |
Ängstlich und nervös | Allgemein nervös, nimmt Reißaus, schüchtern, vorsichtig, misstrauisch, sensibel | Dem Welpen wird ein neues Objekt gezeigt. Die Wissenschaftler erfassen Verhalten wie Hinhocken, Zittern, Ausweichen usw. |
Aktiv | Physisch aktiv/inaktiv, energisch, hyperaktiv, rastlos | Der Welpe wird in einen Raum mit Karomuster auf dem Boden gesetzt. Die Wissenschaftler erfassen, wie weit sich der Welpe in einer bestimmten Zeiteinheit bewegt. |
Erkundend | Neugierig, aufgeschlossen gegenüber neuen Dingen/Herausforderungen (Verhalten in neuer Situation) | Der Welpe wird in einen Raum mit unbekannten Objekten wie großen Bällen, einem Staubsauger oder neuen Spielsachen gebracht. Die Wissenschaftler erfassen, wie oft sich der Welpe den Objekten nähert. |
Mutig und selbstsicher | Entschlossen, ausdauernd, selbstständig, anpassungsfähig | Der Welpe geht über ein Hindernis wie z. B. eine Treppe. Die Wissenschaftler erfassen, wie schnell der Welpe geht und ob er zögert oder nicht. |
Reaktiv | Ungestüm, verhaltensproblematisch | Der Welpe geht spazieren und wird unerwartet mit z.B. aufspringenden Schirmen oder einer lebendigen Schlange konfrontiert. Die Wissenschaftler erfassen, wie oft und heftig der Welpe reagiert. |
Aggressiv | Wütend, bissig, feindselig | Eine Person nimmt dem fressenden Welpen den Futternapf weg. Die Wissenschaftler erfassen die Position der Rute und der Ohren, Knurren usw. |
Unterwürfig | Unterwürfig, dominant | Die Wurfgeschwister werden jeweils zu zweit in ein Gehege mit einem Kauknochen gesetzt. Die Wissenschaftler erfassen, wie lange der Welpe den Knochen teilt oder ihn für sich beansprucht. |
Lernwillig | Gehorsam, ablenkbar, teamfähig, verlässlich, intelligent, aufmerksam, klug | Dem Welpen wird ein Ball geworfen. Die Wissenschaftler erfassen, wie oft der Welpe dem Ball hinterher läuft und ihn dem Werfenden wiederbringt oder ob er von anderen Personen in der Nähe abgelenkt wird. |
Dies ist eine Krux, denn im Endeffekt geht es doch um die Beziehung zwischen Halter und Hund. Gerade die muss im Alltag funktionieren. Um herauszufinden, ob man die Hundepersönlichkeit schnell in einer alltäglicheren Umgebung bewerten könne, besuchten Lina Roth und Per Jensen verschiedene Hundekurse. Insgesamt beobachteten sie 85 Hunde im Training - Welpenkurse, Obedience, Dogdance, Agility und Fährten – zusammen mit ihren Haltern. Die Hunde wurden aus geringer Entfernung gefilmt, während die Halter mit ihnen an der Leine hinter einem kleinen Kunststoffpylon mit schwarz-weißbemalter Haushaltsrolle auf der Spitze standen. Die Halter wurden jeweils gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und einige Fragen zur Persönlichkeit ihres Hundes zu beantworten. Währenddessen bekam der Hund freien Spielraum (soweit die Leine es zuließ) und konnte ohne Anweisung des Halters agieren. Der Versuchsleiter kam bei drei Gelegenheiten ins Spiel: um den Fragebogen auszuteilen, um einen Stift zu reichen und schließlich, um den Fragebogen einzusammeln. Die Prozedur wurde drei Minuten lang gefilmt, und durch die Auswertung der Filme konnten Lina Roth und Per Jensen die Reaktionen der Hunde auf das neue Objekt (Pylon mit Haushaltsrolle), die fremde Person (Versuchsleiter), den Halter und die anderen nebenan wartenden Hunde bewerten. Nach der ersten Filmsequenz mussten die Hundehalter in einem weiten Kreis um mehrere Pylone herum gehen und wurden dabei 30 weitere Sekunden gefilmt. Die Wissenschaftler registrierten und klassifizierten, wie der Hund auf das Objekt (Pylon), den Fremden (Versuchsleiter), Halter und andere Hunde in dieser kurzen Zeit reagierten.
Insgesamt kam heraus, dass die Hunde 22 verschiedene Verhaltensweisen an den Tag legten wie zum Beispiel „hingucken“, „beschnüffeln“, „an der Leine ziehen“ usw. Mittels neuester Statistiken konnten die Wissenschaftler die verschiedenen Verhaltensweisen fünf unterschiedlichen Persönlichkeitstypen zuordnen: „sozial“, „erkundend“, „neugierig/still“, „kontaktsuchend“ und „ruhelos“. Danach verglichen sie die Ergebnisse mit den Beschreibungen der Halter aus den Fragebögen. Die Ergebnisse stimmten verblüffend gut überein. Beschrieb der Halter seinen Hund als sozial, zeigte sich entsprechendes Verhalten in dieser Verhaltensstudie. Lina Roth und Per Jensen fanden auch, dass die Hunde am zweiten Tag des Kurses mehr auf den Halter und weniger auf die Umgebung fokussiert waren als am ersten Tag. Auch...